Reinhard Klier ist neuer Obmann der Tiroler Seilbahnbetriebe
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„Das Bild des Liftkaisers ist grundfalsch!“

Die Tiroler Seilbahnbranche hat einen neuen Obmann. Im Interview erklärt Reinhard Klier, warum das beliebte Bild des Liftkaisers nicht der Realität entspricht, wie die Seilbahnwirtschaft mit dem Klimawandel umgeht und wo die großen Herausforderungen für die Zukunft liegen.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 06.11.2023

Wie ordnen Sie die Bedeutung der Seilbahnbranche für Tirol ein?

Reinhard Klier: Mit knapp 5.000 direkten Mitarbeiter:innen und 50.000 Beschäftigten im Tourismus leisten die Seilbahnbetriebe  einen bedeutenden wirtschaftlichen Beitrag. Die Seilbahn- und Tourismusbranche stellt insbesondere in vielen ländlichen Regionen einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar und strahlt auf zahlreiche andere Branchen aus.

Warum steht die Branche immer wieder in der Kritik?

Die Seilbahnwirtschaft ist beim hochaktuellen Thema Klimawandel oft eine mediale Projektionsfläche und wird teils mit Vorwürfen in Verbindung gebracht, für die es keine sachliche Begründung gibt. Auch das beliebte Feindbild des Liftkaisers ist grundfalsch: Die Branche ist kleinstrukturiert und regional stark verankert. In Tirol gibt es keine Resorts im Besitz von Konzernen. Anfallende Gewinne werden großteils reinvestiert. Die Seilbahner:innen, die ich kenne, sind sich ihrer Rolle als wichtige Stakeholder in den jeweiligen Regionen vollkommen bewusst. Die Balance zwischen TVBs, Gemeinden, Grundbesitzer:innen, Mitarbeiter:innen, Einheimischen, Gästen, Behörden, NGOs, Schischulen, Geschäftstreibenden, Gastronom:innen und anderen Interessen zu finden, ist unser tägliches Brot.

Wie wollen Sie diesen Vorurteilen entgegnen?

Die Herausforderungen der Gegenwart sind zu ernst, um sie für eine polemische Debatte zu missbrauchen. Ich glaube wir tun gut daran, eine sachliche und faktenbasierte Diskussion einzufordern. Die Branche nimmt den Klimawandel sehr ernst, fordert aber einen ehrlichen und objektiven Umgang mit Fakten und Studienergebnissen.

Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

In den letzten Tagen ist eine Studie veröffentlicht worden, in der behauptet wird, die Beschneiung schade der Vegetation. Der Schutz der Böden unter den Pisten ist wichtig für uns. Die pauschalen Aussagen der Analyse aus Südtirol halte ich für unzulässig. Andere Studien kommen zum Schluss, dass der Kunstschnee die Vegetation wenig bis gar nicht beeinträchtigt. Hier wünsche ich mir eine ausgewogene Diskussion anstelle von einseitigen Schlussfolgerungen.
 
Sie sind der Vorstandsvorsitzende der Stubaier Gletscherbahnen. Gerade der Gletscherskilauf steht häufig im medialen Kreuzfeuer. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

In Tirol gibt es 320 Gletscher. 12 davon sind teilweise erschlossen. Zurück gehen leider alle und schützen kann man sie nur durch Maßnahmen gegen die Klimaveränderung. In einer völlig fehlgeleiteten Diskussion werden die 308 unerschlossenen Gletscher außer Acht gelassen und das Augenmerk auf die 12 teilweise bewirtschafteten gelegt, als ob die Bewirtschaftung die Ursache für den Rückgang wäre.

Wie geht die Seilbahnwirtschaft mit dem Klimawandel um?

Die Seilbahnbranche bekennt sich dazu, einen Beitrag zu leisten, um die Entwicklung positiv zu beeinflussen. Die Tiroler Seilbahnen beziehen Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen, wodurch der Betrieb der Seilbahnen und Beschneiungsanlagen nahezu CO2-neutral erfolgt. Auch beim Thema Wasser wird durch das Sammeln der Schneeschmelze in Speicherseen ein natürliches Kreislaufsystem realisiert.

Wo liegen die großen Herausforderungen für die Zukunft?

Eine große Aufgabe für die Seilbahnen, aber auch alle anderen Branchen, stellt die Ökologisierung der Anreise dar. Wenn man eine ehrliche Diskussion über eine CO2-Reduktion im Tourismus führen will, dann ist die Anreisedistanz und -art der entscheidende Faktor. Dabei ist es egal, ob man auf Skiurlaub, Strandurlaub, Kulturreise oder zu einem Kongress unterwegs ist. Unsere Aufgabe ist es, attraktive CO2-reduzierte Anreisemöglichkeiten anzubieten, um einen Wandel im Mobilitätsverhalten zu erreichen. Mit kostenlosen Skibusangeboten und ÖBB-Kooperationen geht die Branche einmal mehr voraus. Wir können froh sein, dass wir im Gegensatz zu vielen Stranddestinationen eine CO2-reduzierte Anreise anbieten können. Denn der Flug von München auf die Kanaren führt nun einmal zu einem 16-fach höheren CO2-Ausstoß als die Fahrt mit dem Pkw in die Wintersportdestination Tirol.

Wie werden Sie die Obmannschaft anlegen?

Ich setze auf eine Versachlichung der Debatte. Für mich liegt die Zukunft nicht in einer polemischen Auseinandersetzung, sondern im gemeinsamen Bemühen um nachhaltige Lösungen. Ich bin überzeugt, dass eine gute Balance zwischen Natur-, Lebens- und Wirtschaftsraum in Tirol möglich ist. Wir Seilbahner:innen werden weiterhin zu unserer Verantwortung stehen und unseren Beitrag dazu leisten.

INFORMATION

Im Zuge des heurigen Seilbahntag am 9. Oktober übergab Franz Hörl nach 13 Jahren als Obmann der Fachgruppe der Tiroler Seilbahnen die Führung an seinen Nachfolger, Reinhard Klier. Der 43-jährige gelernte Geologe ist Vorstand der Wintersport Tirol AG. Das Unternehmen mit insgesamt 600 Mitarbeiter:innen betreibt die Stubaier Gletscherbahn und ist im Sportartikelhandel (Intersport Okay und Sport Okay.com) tätig.