In verschiedenen Bereichen  der Verwaltung an den richtigen  Stellschrauben zu drehen, würde den  Tiroler Betrieben und den Haushalten  dringend benötigte Spielräume verschaffen.
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Effizienz rauf, Kosten runter!

Der Bundesländer-Vergleich zeigt: Die öffentliche Verwaltung in Tirol könnte ohne Qualitätsverluste über ein Zehntel der Gesamtkosten einsparen. Jährlich sind 200 Millionen Euro realisierbar.

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Aktualisiert am 07.12.2023

Die Tiroler Wirtschaftskammer hat beim Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Effizienz der Tiroler Verwaltung untersucht. Das Ergebnis: Die aktuelle Performance ist „Mittelmaß“, Tirol könnte ohne Qualitätseinbußen jährlich 201 Millionen Euro – das sind 11 % der Ausgaben in der Höhe von 1,92 Milliarden Euro – in den Bereichen Allgemeine Verwaltung, Pflichtschulen, Pflege und Kinderbetreuung einsparen. „Das entspricht den Kosten des derzeit intensiv diskutierten Neubaus des MCI, die dadurch jährlich frei werden würden“, erklärt WK-Vizepräsident Anton Rieder. Das in der Studie erhobene Einsparungspotenzial orientiert sich am jeweils effizientesten Bundesland. Das bedeutet, dass die möglichen Einsparungen konservativ beziffert sind: Einerseits besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst im vergleichsweise effizientesten Bundesland noch Luft nach oben, andererseits wurden externe Kosten gar nicht mitgerechnet, etwa die Aufwendungen der Betriebe für überzogene Bürokratie seitens der öffentlichen Hand.

Wirtschaft und Verwaltung sind eng verzahnt

Die öffentliche Hand und die Wirtschaft sind in vielen Bereichen eng verzahnt. Unternehmer:innen haben laufende Berührungspunkte, etwa bei Betriebsgenehmigungen, bei Förderungen oder bei der Kinderbetreuung für ihre Mitarbeiter:innen.  „Deswegen gibt es schon aus Sicht jedes einzelnen Betriebes genügend Gründe, warum wir uns als Wirtschaftskammer die Performance der Verwaltung ansehen“, erklärt Anton Rieder, „wir sind es gewohnt, in unseren Betrieben laufend Einsparungs- und Rationalisierungspotenziale freizusetzen und möchten auch der öffentlichen Hand Impulse geben.“ Aus Sicht des Standortes kommen weitere Gründe dazu. In den letzten vier Jahren sind 44 % des Beschäftigungswachstums auf den öffentlichen Bereich entfallen.

„Wir sind es gewohnt, in unseren Betrieben laufend Einsparungs- und Rationalisierungspotenziale freizusetzen und möchten auch der öffentlichen Hand Impulse geben.“


Das bedeutet, dass der öffentliche Sektor massiv Mitarbeiter:innen absaugt, obwohl in der Wirtschaft derzeit gerade akuter Arbeitskräftemangel herrscht. Wenn die Verwaltung effizienter arbeitet, benötigt sie weniger Mitarbeiter:innen, die dann für die Betriebe zur Verfügung stehen. Schließlich sind es die Betriebe und ihre Mitarbeiter:innen, also die Steuerzahler:innen dieses Landes, die Ineffizienzen der öffentlichen Hand finanzieren müssen. Gerade in der heutigen Zeit, in der viele Haushalte an ihre Grenzen stoßen, ist daher Effizienz für die öffentliche Hand ein Gebot der Stunde. Auch der öffentliche Sektor braucht Managementqualitäten und professionelle Digitalisierung. Im Detail kommt der Effizienzvergleich der Eco Austria-Studie zu folgenden Ergebnissen:

Die Ergebnisse im Detail

  1. Für die allgemeine Verwaltung wird für Tirol ein Effizienzpotenzial von 9,5 % der Gesamtausgaben in Höhe von etwa 940 Millionen Euro ermittelt. Dies entspricht einem absoluten Potenzial von etwa 90 Millionen Euro relativ zum besten Benchmark-Wert der Steiermark. Diese Lücke spüren die Unternehmer:innen in ihrer täglichen Arbeit: lange Verfahrensdauern, uneinheitliche Bearbeitungen über Gemeinde- und Bezirksgrenzen hinweg, fehlende Praxistauglichkeit von Regelungen. Monika Köppl-Turyna, die Direktorin von Eco Austria, sieht ungenutzte Potenziale für die Digitalisierung und verweist für Verbesserungen auf internationale Erfahrungen: In Südtirol werden beispielsweise Fristen für Verfahrensdauern vorgesehen. In der Schweiz wurden Regularien mit gesetzlichem Ablaufdatum versehen. Zu diesen Zeitpunkten müssen Regularien entweder bestätigt werden oder sie laufen aus (Sunset Legislation). In Italien, Schweden oder Australien wurden umfassende Deregulierungspakete umgesetzt. Diese Prozesse sahen vor, dass bestimmte Gesetze und Regularien, die zum Zeitpunkt der Umsetzung nicht ausdrücklich als unverzichtbar markiert und begründet wurden, automatisch ausliefen. Darin könnte auch für Tirol ein gangbarer Weg liegen.

    „Wir sollten nicht nur über Budgets reden, sondern vor allem darüber, was man schlussendlich für das Geld bekommt.“


  2. Für das Pflichtschulwesen ergibt sich in Tirol ein Effizienzpotenzial von 10,3 % der Gesamtausgaben in Höhe von etwas mehr als 540 Millionen Euro. Dies entspricht einem absoluten Potenzial von etwa 56 Millionen Euro relativ zum effizientesten Benchmark-Wert von Niederösterreich. Probleme bereiten die Kompetenzverflechtung, die Mischfinanzierung und fehlende Schulautonomie. Zudem wird eine Überfrachtung von Lehrplänen und eine fehlende Verankerung von berufspraktischem Wissen und Berufsorientierung angemerkt. All das führt dazu, dass 16 % der Pflichtschüler:innen Bildungsstandards verfehlen, was in der Folge Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit hat – die Kosten dafür reichen über die in der Studie genannten Werte hinaus

  3. Im Bereich der stationären und der mobilen Pflege ergibt sich ein Potenzial von knapp 55 Millionen Euro. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass in keinem anderen Bundesland mehr Personen mit niedriger Pflegestufe stationär betreut werden, was die teuerste Form der Pflege darstellt.

  4. Bei der Kinderbetreuung erreicht Tirol das effizienteste Ergebnis unter den österreichischen Bundesländern – allerdings nicht ohne einen Wermutstropfen: Auch das Angebot ist in Tirol am wenigsten umfangreich. Aufholbedarf gibt es bei Betreuungsangeboten für unter 3-jährige, bei den Öffnungszeiten und den Schließtagen. Die Kinderbetreuung stellt einen wesentlichen Faktor für die Erwerbstätigkeit vor allem weiblicher Personen dar und hat daher massive Auswirkungen auf den Standort.

Objektivität statt Emotionen

Anton Rieder, WK-Vizepräsident und Obmann der Landesinnung Bau, ergänzt die Studienergebnisse mit konkreten Beispielen aus seiner Branche. So fehlen in Fragen der Raumordnung oft klare Vorgaben. „Wir brauchen hier weniger Emotionen und mehr Objektivität“, fordert Rieder, „es muss von Anfang an klar definiert sein, welche Unterlagen in welcher Qualität beizubringen sind.“ Bei der Digitalisierung der Bauverfahren drängt der Vizepräsident aufs Tempo. Die Gemeinden seien oft fachlich überfordert, vollautomatisierte Bauverfahren sollten als Langfrist-Ziel angepeilt werden. Der Landesinnungsmeister stellt zudem fest, dass die Wertschöpfung im Bausektor abnimmt. „Der bürokratische Aufwand sowie die behördlichen Auflagen haben in den letzten Jahren enorm zugenommen, was zu rückläufiger Produktivität führt. Wir müssen wieder zurück zu mehr Pragmatismus und Augenmaß“, betont Rieder.  

Die Direktorin von Eco Austria bringt es auf den Punkt: „Wir sollten nicht nur über Budgets reden, sondern vor allem darüber, was man schlussendlich für das Geld bekommt“, so Monika Köppl-Turyna. Speziell angesichts der steigenden Defizite der öffentlichen Haushalte ist ein Fokus auf die Effizienz überfällig. „Wir können nicht auf Dauer auf Pump leben und müssen schließlich das geliehene Geld irgendwann wieder einmal zurückzahlen. Wenn Politik und Verwaltung hier die Zügel schleifen lassen, bekommen wir nie Luft für nötige Steuersenkungen“, warnt Anton Rieder. Minus 10 % sind, wie die Performance anderer Bundesländer zeigt, durchaus realistisch und würden den Tiroler Betrieben und den Haushalten dringend benötigte Spielräume verschaffen.