Altstadt
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5 Chancen für belebte Ortskerne. Die heimischen Händler stehen unter Druck. Trotzdem gibt es derzeit mehrere Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt. Eine davon liegt in einem professionellen Stadt- und Ortsmanagement.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 08.11.2023

Handel im Wandel – dieses Motto ist seit Jahren bekannt, erhält aber aktuell neue Brisanz. Das Tempo der Veränderung hat sich in letzter Zeit beschleunigt. Zunächst Corona mit zahlreichen Lockdowns, damit verbunden eine Verlagerung in den Online-Handel, jetzt Lieferprobleme, hohe Energiepreise und Arbeitskräftemangel, steigende Löhne, Inflation und Kaufkraftverlust. Dazu kommt die Verlockung durch die zahlreichen Einkaufszentren, in denen Konsument:innen unterschiedlichste Geschäfte wettersicher und kombiniert mit Gastro-Angeboten unter einem Dach vorfinden. Das bringt viele Einzelhandelsgeschäfte in wirtschaftliche Turbulenzen, vor allem in kleineren Gemeinden und abseits belebter A-Lagen.

Die toxische Mischung aus Belas­tungen und rückläufiger Nachfrage setzt den Tiroler Ortskernen zu. Jede entstandene Lücke führt zu einer weiteren Abwärtsspirale. Fehlt dann auch noch der Wirt im Ort, wird es für die Händler schwierig. Die Sparte Handel der WK Tirol kämpft für die heimischen Geschäfte darum, dass das vielbeschworene Schlagwort der „Ortskernbelebung“ kein leeres Versprechen bleibt. „Es gibt aktuell ein äußerst günstiges Zeitfenster, das es zu nutzen gilt“, erklärt WK-Vizepräsident Martin Wetscher. „Allem Gegenwind zum Trotz bestehen derzeit 5 Chancen, die dem heimischen Einzelhandel in den Gemeinden neuen Schwung geben können.“

5 Chancen für den Tiroler Handel

Chance 1: Vitale Tiroler Ortskerne

Wie eine aktuelle Studie zeigt (siehe nebenstehender Artikel), liegt die Zahl der intakten Stadt- und Ortskerne in Tirol über dem Österreichschnitt. Das ist eine vielversprechende ­Ausgangslage. Es ist nämlich ungleich schwieriger, bereits verwaiste Straßenzüge wiederzubeleben, als bestehende Strukturen zu ­erhalten.

„Es gibt aktuell ein äußerst günstiges Zeitfenster, das es zu nutzen gilt. Dadurch erhält der Einzelhandel in den Gemeinden neuen Schwung.“

Chance 2: Der Online-Handel ist rückläufig

Während spätestens ab den Coronajahren ein Boom des Online-Handels einsetzte, sind im letzten Jahr die Online-Anteile am Gesamtumsatz des Einzelhandels wieder rückläufig gewesen. Das bedeutet, dass das Pendel wieder in Richtung des stationären Handels schlägt. Problematisch sind dabei vor allem Kaufkraftabflüsse an internationale Online-Riesen. Mehr und mehr heimische Geschäfte setzen jedoch auf eine Kombination von stationärem Handel und eigenen Online-Shops. Da diese Umsätze ebenfalls im Land bleiben, liegt darin eine wichtige Schiene, welche die Tiroler Händler:innen zunehmend ausbauen.
„Das verschafft unseren Einzelhandelsgeschäften Rückenwind. Allerdings sind die heimischen Händler:innen im Gegensatz zu ausländischen Plattformen steuerlich benachteiligt. Im Sinne eines fairen Wettbewerbs muss sich das ändern“, fordert Spartenobmann Dieter Unterberger.

Chance 3: Kleine Flächen sind gefragt

Die Tendenz bei den Handelsbetrieben geht stark in Richtung kleinerer Flächen. Jahrelang dominierte die Suche nach Flächen zwischen 250 und 400 m2, derzeit werden hingegen vermehrt Geschäftslokale zwischen 120 und 150 m2 gesucht, weiß der Centermanager der RathausGalerien, Peter Retter. Das kommt der heimischen historischen Gebäudestruktur sehr entgegen, denn diese Flächen sind in Innsbruck ebenso wie in vielen anderen Orten häufig vorzufinden.

Chance 4: Tendenz zur Regionalität

Viele Kundinnen und Kunden wollen bewusst nachhaltig einkaufen. Dafür sind besonders regionale Handelsstrukturen geeignet. Hier gibt es kurze Wege, Angebote von heimischen Produzenten und fachkundige Beratung. Lebendige Stadtkerne kommen diesem Trend entgegen und schaffen ein buntes und authentisches Angebot.

Chance 5: Professionalisierung der Ortsmarketings

Mehr und mehr Gemeinden setzen auf ein eigenes Stadt- beziehungsweise Ortsmarketing. Mittlerweile vernetzen sich diese Organisationen zusehends, was zu einer gegenseitigen Befruchtung führt. Die Sparte Handel der WK Tirol unterstützt diese Entwicklung, etwa durch die alljährliche Organisation des Orts- und Stadtmarketingtages (siehe nebenstehender Artikel). Auch die öffentliche Hand setzt Impulse: Bei der Lebensraum Holding bzw. der Standortagentur wird gerade eine Koordinierungsstelle für das Stadt- und Ortsmarketing eingerichtet, um eine noch engere Zusammenarbeit der Organisationen zu gewährleisten. Und in der Stadt Innsbruck ist ein ähnliches Angebot in Entstehung.

Jetzt oder nie

Der „Wandel im Handel“ bietet die Möglichkeit, diese aktuellen Chancen beim Schopf zu packen. Die Zukunft des Handels liegt in der Verknüpfung von Offline- und Online-Handel und in einer zentralen Eigenschaft, die digital nicht erreichbar ist: Einkaufs­erlebnis. Belebte Ortskerne können dieses Erlebnis bieten, wenn sie, ebenso wie große Einkaufszentren, gelenkt und gemanagt werden. „Es gibt somit keine bessere Zeit für die Gemeindeführungen, als diesen Schwung jetzt mitzunehmen und darauf zu schauen, dass der Ortskern lebt“, betont Martin Wetscher.

„Es ist wie bei Erster Hilfe: Der einzige Fehler besteht darin, nichts zu tun.“ Die Sparte Handel der WK Tirol steht mit Beratung, Checklisten für Gemeinden, Ortsmarketings und Händler:innen unterstützend zur Verfügung. Darüber hinaus hilft das „Vergabehandbuch“ dabei, die legalen Spielräume bei Vergaben auszuschöpfen. Das belebt den ländlichen Raum, stärkt mittelständische Betriebe und sichert Arbeitsplätze vor Ort. „Wir wollen als verlässlicher Partner aller Beteiligten unseren Beitrag dazu leisten, dass die Tiroler Ortskerne weiterhin lebendig bleiben“, erklärt Wetscher.

Weitere Informationen:

Die Sparte Handel der Wirtschaftskammer bietet Beratung und Unterstützung bei der Stadt- und Ortskernentwicklung.
Ihre Ansprechpartner finden Sie unter:
WKO.at/tirol/handel