Person hält einen weißen Stift in der Hand auf dem sich eine Weltkugel mit Personen-Icons, die vernetzt sind in der Farbe weiß visualisieren, daneben steht ein Laptop auf einem Tisch
© Teerasan

Italien: die Arbeit der Zukunft – neue Wege im Personalrecruiting

Chancen für österreichische Investoren und Exporteure in Zeiten von Fachkräfteengpässen, Überalterung und KI am Beispiel Italien

Lesedauer: 5 Minuten

Italien Umwelttechnologie Design Bildung

Italien ist zweitgrößter Handelspartner für Österreich und nicht nur ein wichtiger Absatz-, sondern eben auch ein wesentlicher Beschaffungsmarkt, wozu vor allem auch die Personalbeschaffung zählt. Das betrifft nicht nur die Abgänger der führenden ital. Universitäten, wie die TU Mailand, mit der die WKÖ ein Kooperationsabkommen hat, sondern auch Fachkräfte aus Handwerks- und Dienstleistungsberufen. Brain Drain und Geburtenrückgang bei gleichzeitiger Überalterung stellen unser südliches Nachbarland vor einige Herausforderungen. Neben fiskalischen und förderrechtlichen Maßnahmen sind innovative Lösungen gefragt, die qualifizierte Arbeitskräfte für Unternehmen nicht nur möglichst früh finden, sondern auch möglichst lang halten. KI, flexible hybride Arbeitsplätze mit smarten Mobilitätskonzepten einhergehend mit einem Zuwanderungsmanagement, das die Bedürfnisse der Wirtschaft inkludiert, eröffnen hier einige Chancen sowohl für Österreich als auch für Italien. 

Die jüngste CENSIS Studie beschäftigt sich mit dem Paradoxon der Arbeitswelt in Italien, bei dem der Wunsch nach weniger Arbeit und gleichzeitig ein dynamischer Arbeitsmarkt im Mittelpunkt stehen. Laut Censis streben 67,7% der italienischen Beschäftigten in Zukunft eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit an. Dieser Wunsch ist bei jungen Menschen (65,5%), Erwachsenen (66,9%) und Menschen über 50 Jahren (69,6%) gleichermaßen vorhanden. Bereits heute geben 30,5% der Beschäftigten (34,7% bei den Jüngeren) an, nur das Nötigste zu tun. Sie lehnen Überstunden ab, ignorieren Anrufe oder E-Mails außerhalb der Arbeitszeiten und erledigen nur die Aufgaben, die zu ihrer Position gehören. Für 52,1% der Beschäftigten hat die Arbeit heute weniger Einfluss auf ihr Privatleben als in der Vergangenheit. Sie widmen sich anderen Aktivitäten und Werten, die sie als wichtiger erachten. Fast 28% der Beschäftigten haben bereits ein besseres Jobangebot abgelehnt, weil der Arbeitsort zu weit von ihrem Zuhause entfernt war. Der Bericht zeigt, dass der Beschäftigungsgrad von Frauen mit Kindern bei 58,6% liegt, während er bei Männern mit Kindern 89,3% beträgt. Dieser Unterschied zugunsten der Männer ist in Italien größer als in anderen europäischen Ländern. Unternehmen achten zwar auf spezifische Bedürfnisse von Arbeitnehmern, jedoch weniger auf ihr allgemeines Wohlbefinden.

Um dem nicht nur Fachkräfte-, sondern Personalmangel Rechnung zu tragen, sah sich auch der italienische Gesetzgeber in der Pflicht, die Familien-, Abgaben- und Sozialpolitik neu zu justieren.

Die Steuerbegünstigung „lavoratori impatriati e rimpatriati“ besteht für Personen, die ihren Wohnsitz nach Italien verlegen und bestimmte Voraussetzungen erfüllen, sowohl für Personen, die bereits einmal in Italien ansässig waren („rimpatriati“), als auch auch für jene, die ihren Wohnsitz zum ersten Mal in Italien begründen („impatriati“).

Die Vertrauenskanzlei des AußenwirtschaftsCenters Mailand bureauPlattner führt aus, dass die neue Regelung für Zuwanderer eine Steuerbefreiung in Höhe von 50 % des zu versteuernden Einkommens bis einem jährlichen Höchstbetrag von 600.000 Euro vorsieht, mit der Möglichkeit, den Prozentsatz auf 60 %, im Falle von minderjährigen Kindern, zu erhöhen. Die Steuerbegünstigung gilt für insgesamt fünf Steuerzeiträume unter Einhaltung folgender Voraussetzungen:

  • ArbeitnehmerInnen waren vor Zuzug drei Steuerzeiträume lang (sechs oder sieben Steuerzeiträume, bei Arbeitsverhältnissen, die denselben Arbeitgeber oder einen Arbeitgeber derselben Gruppe haben) in Italien steuerlich nicht ansässig und verpflichten sich, vier Jahre in Italien zu wohnen.
  • Steuerpflichtig sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Einkünfte aus Gewerbebetrieben sind ausgeschlossen).
  • Die Arbeitstätigkeit muss während des größten Teils des Steuerzeitraums in Italien ausgeübt werden
  • Die Person muss hoch qualifiziert sein.

Daneben ist beim betrieblichen Welfare bei kinderlosen MitarbeiterInnen ein Fringe Benefit Freibetrag in Höhe von 1.000,00 Euro vorgesehen – zuvor 258,23 Euro für MitarbeiterInnen mit Kindern 2.000,00 Euro. Hinzu kommt ein niedrigerer Satz i.H.v. 5 % für Produktionsprämien (Deckelung 3.000,00 Euro).

Schließlich hat Italien das europäische multilaterale Abkommen mit der Ausnahmeregelung für jene Mitarbeitende unterzeichnet, welche in mehr als einem EU-Land arbeiten und dabei in Telearbeit tätig sind. Dies erleichtert den Verbleib im Sozialversicherungssystem des Landes, in dem sich der Arbeitgeber befindet.

Hinzu kommt, dass die grüne und die digitale Wende die Geschäftsstrategien verändern und neue Rollen hervorbringen, wie bspw. den bzw. die NachhaltigkeitsmanagerIn, wie aus einem Artikel des Sole 24 Ore vom 21. Februar 2024 hervorgeht. Die Nachfrage nach diesen Fachleuten wird durch die zunehmende Anzahl hochspezialisierter Schulungsprogramme im Bereich Nachhaltigkeit bestätigt. Die Luiss Business School in Rom wird im nächsten Studienjahr zusätzliche vertikale Programme zu Themen wie Energie, Mobilität, Tourismus und nachhaltigem Management anbieten. In Mailand wurde der Master in Transformative Sustainability ins Leben gerufen, der sich auf die Verknüpfung von Technologien für Nachhaltigkeit und Geschäftsprozesse konzentriert. Darüber hinaus gibt es ein europäisches Projekt namens CirCler, das darauf abzielt, den Übergang der Möbelindustrie zu einem zirkulären und nachhaltigen Wirtschaftsmodell zu erleichtern. Dieses Projekt wurde von 16 Partnern aus acht Ländern ins Leben gerufen und zielt darauf ab, den Beruf des Circular Economy Transition Managers zu etablieren.

Im Hinblick auf die digitale Wenn äußerte sich die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni besorgt über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz (KI) auf den Arbeitsmarkt. Giorgia Meloni betont, dass die Balance zwischen technologischem Fortschritt und sozialer Verantwortung gefunden werden muss. KI kann Potenziale freisetzen, aber es ist wichtig, die sozialen Auswirkungen zu berücksichtigen und Lösungen zu finden, die sowohl wirtschaftlichen Fortschritt als auch menschliches Wohlbefinden fördern.

Auch Valerie Schena Ehrenberger, eine Vertrauensexpertin des AußenwirtschaftsCenters im Bereich Personalrecruiting und Präsidentin vom ECSSA sowie Vizepräsidentin von Confindustria Assoconsult identifiziert den “Mismatch” als zentrales Thema – sowohl in Bezug auf die Anzahl der verfügbaren Arbeitskräfte als auch auf deren Fähigkeiten und Erwartungen. Es gehe nicht nur um die fachliche Qualifikation, sondern auch um das menschliche Miteinander. Die KI kann dabei unterstützen, aber der menschliche Faktor bleibe unverzichtbar und nennt folgende Chancen der KI für die Personalbeschaffung:

  • Effizienz und Automatisierung: KI kann den Rekrutierungsprozess effizienter gestalten, indem sie Aufgaben wie das Durchsuchen von Lebensläufen, das Identifizieren von Talenten und das Filtern von Bewerbern übernimmt. Dies ermöglicht den Personalverantwortlichen, sich auf strategische Aspekte zu konzentrieren.
  • Datenbasierte Entscheidungen: KI analysiert große Datenmengen, um Trends und Muster zu erkennen. Dies hilft bei der Vorhersage von zukünftigen Personalbedürfnissen und der Identifizierung von vielversprechenden Kandidaten.
  • Bias-Reduktion: KI kann dazu beitragen, unbewusste Vorurteile zu minimieren, indem sie objektive Kriterien anwendet und menschliche Voreingenommenheit ausschließt.
  • Personalisierung: KI ermöglicht personalisierte Kommunikation mit Bewerbern. Chatbots und automatisierte E-Mails können individuelle Fragen beantworten und den Bewerbungsprozess angenehmer gestalten.
  • Skill-Matching: KI kann Fähigkeiten und Qualifikationen von Kandidaten mit den Anforderungen von Stellenangeboten abgleichen. Dies erleichtert die Suche nach dem richtigen Mitarbeiter.

Für österreichische Unternehmen, die Personal in Italien suchen und beschäftigen, heißt dies konkret, nicht nur gesetzlichen Rahmenbedingungen und technologischen Möglichkeiten zu kennen, sondern sich diese auch auch zu Nutzen zu machen.

Das AußenwirtschaftsCenter Mailand unterstützt Ihr Unternehmen mit dem ExpertInnennetzwerk vor Ort, bei der Personalbeschaffung, arbeits- und steuerrechtlichen Fragestellungen und Förderungen bis hin zur richtigen Kombination Mensch Maschine.  

Sie wollen wissen, welche Möglichkeiten es für Ihr Unternehmen gibt? Dann kontaktieren Sie das AußenwirtschaftsCenter Mailand. Wir freuen uns auf Sie!

Stand: 26.02.2024

Weitere interessante Artikel
  • Grafik einer Pipeline, auf der mit blauer Schrift H2 geschrieben ist und die auf einer Wiese steht

    14.02.2024

    Irak will grünes Wasserstoffprojekt aufbauen
    Weiterlesen
  • Vogelperspektive einer Wasseraufbereitungsanlage: Runde und viereckige Wasserbecken nebeneinander in grüner Landschaft mit Bäumen

    20.02.2024

    Kroatische Wasser-/Abwasserprojekte | Kompakte Übersicht
    Weiterlesen
  • Detailaufnahme von Solarpanele

    30.01.2024

    VAE: Branchenreport Erneuerbare Energien – Solar Energy
    Weiterlesen