Person lehnt an einem Einkaufswagen in einem Lebensmittelmarkt und hält eine Packung in der Hand
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Offener Brief des WKÖ-Bundesgremiums Lebensmittelhandel an Bundesministerin Gewessler

Obmann Christian Prauchner kritisiert Verstöße gegen Datenschutz und bewusst irreführende Angaben zu Lebensmittelentsorgung und -spenden

Lesedauer: 2 Minuten

Aktualisiert am 01.03.2024

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Gewessler,

ich bin tief besorgt und gleichermaßen erstaunt darüber, dass Ihr Ministerium unter Missachtung des Datenschutzes irreführende Daten veröffentlicht, um den Lebensmittelhandel im Misskredit zu bringen.

Das BMK veröffentlichte kürzlich Daten zu Mengen an entsorgten Lebensmitteln sowie die gespendeten Lebensmittel samt zugehöriger Unternehmernamen auf Grundlage von § 11a AWG (Überschrift: Transparenz zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung). Nicht nur, dass diese Veröffentlichung das Grundrecht auf Datenschutz verletzt - wir haben auf diesen Umstand schon seit langem aufmerksam gemacht und Ihnen auch ein Gutachten unabhängiger Datenschutzexperten übermittelt. Diese Daten wurden auch in einer Form veröffentlicht, die entweder zeigt, dass Ihnen die Zusammenhänge dieser Zahlen nicht bekannt sind, oder dass Sie diese bewusst irreführend veröffentlichen, um dem Lebensmittelhandel zu schaden. Aufschluss über den Anteil tatsächlich verschwendeter Lebensmittel geben diese Daten jedenfalls nicht.

Als Bundesobmann des Lebensmittelhandels, als selbständiger Nahversorger, aber auch als Bürger mit Persönlichkeitsrechten kann ich das nicht unkommentiert lassen. Wie jeder andere Bürger haben auch Händlerinnen und Händler das Recht auf den Schutz ihrer Daten. Es ist auch äußerst beunruhigend, dass zahlreiche Unternehmen bereits im Vorfeld Presseanfragen zu den nun veröffentlichten Zahlen erhalten haben, was Raum zur Spekulation darüber lässt, wie in Ihrem Haus mit dem Thema Datenschutz umgegangen wird.

Dies ist auch insofern besonders ärgerlich, da die Daten, die Sie veröffentlichen, das Bild eines Lebensmittelhandels zeichnen, der verschwenderisch mit Lebensmitteln umgeht. Denn Sie haben diese Zahlen nicht bereinigt und in keinerlei Verhältnis zu den Gesamtmengen gesetzt. So melden wir dem BMK auch Bestandteile als Lebensmittelabfall, die nie zum Verzehr gedacht waren, wie Knochen, Kerne und Schalen. Auch Lebensmittelanteile, die bei der Weiterverarbeitung im Markt anfallen, werden in die Statistik einbezogen. In unseren Märkten verarbeiten wir beispielsweise Obst und Gemüse zu Suppen und Chutneys oder altes Brot zu Semmelbröseln. Zudem kooperieren viele Unternehmen in der Branche erfolgreich mit Initiativen wie "Too Good To Go" oder "Lebensmittel sind kostbar". Ein beträchtlicher Teil der entsorgten Ware entfällt auf Produktrückrufe oder beschädigte Verpackungen, die nicht weitergegeben werden dürfen. Was darüber hinausgeht, wird gespendet. Berücksichtigt man die gespendete Ware, befinden wir uns wohl in einer Größenordnung von etwa einem Prozent des Gesamtumsatzes. Im Vergleich zu den mehr als 50 %, die in den Haushalten entsorgt werden, wird deutlich, welche Anstrengungen wir jeden Tag zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung unternehmen.

Daher ersuche ich Sie dringend, die Form der Veröffentlichung der Daten im Rahmen der Vorgaben des Datenschutzes durchzuführen. In Hinblick darauf behalten wir uns auch rechtliche Schritte vor. Abschließend lade ich Sie, Frau Ministerin Gewessler, aber auch herzlich ein, einen Tag mit mir in meinem Markt zu verbringen, um Ihnen einen Einblick zu gewähren, wie intensiv wir gegen Lebensmittelverschwendung kämpfen. Nicht nur aus persönlicher Überzeugung, sondern auch aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Schließlich leben wir davon, Ware zu verkaufen und nicht zu entsorgen.

Freundliche Grüße,
Christian Prauchner
Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich