Luftqualität: Vorschlag für neue Richtlinie ist da
Informationen der Bundessparte Industrie
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Kommission will nicht nur strengere Grenzwerte, sondern auch umfassende Einklagbarkeit und Schadensersatz einführen.
Was Statistik Austria kürzlich in einer Publikation für den November zusammenfasste, ist nichts weniger als erfolgreiche österreichische Umweltpolitik in Zahlen gegossen:
Seit 1995 konnten die heimischen Schwefeldioxid-Emissionen (SO2) um minus 76,0 % reduziert werden, Kohlenmonoxid halbierte sich und Feinstaub in Form von besonders lungengängigem PM2.5 wurde um minus 44,5 % reduziert. Weitere Zahlen: Methan (CH4) -38,0 %, Stickoxide (NOX) -34,8 %, Feinstaub PM10 (-32,9 %).
Geht es nach den Vorstellungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, so befinden sich auch Industrieländer mit guter Luftqualität noch nicht dort, wo sie sein sollten. Neue Standards wurden im September 2021 publiziert, die Europäische Kommission veröffentlichte Ende Oktober 2022 ihre Vorschläge für die Überarbeitung der EU Luftqualitäts-RL, die ursprünglich aus dem Jahr 2008 stammt.
Was die Industrie und andere Sektoren erwartet
Nun aber zu den politischen Inhalten und hier zuerst das Lob: Beim Monitoring der Luftschadstoffe gab es seit Jahren Verbesserungspotenzial, zu willkürlich und uneinheitlich waren die Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten, auch in Österreich. Die WKO hatte jahrelang eine verbindliche Einhaltung der Vorgaben aus der RL eingefordert, nun ist sie tatsächlich gekommen.
Ebenso soll künftig der Maßnahmenfokus auf Gesundheitseffekte gerichtet werden, was eine exaktere Modellierung der lokalen Luftbelastung erfordert. Immerhin sind erhöhte Werte im dichten Siedlungsgebiet, rund um Krankenhäuser, Schulen oder Altenheime anders zu bewerten als in Gewerbegebieten. Auch das soll nun Einzug halten. Bei den künftigen Grenzwerten setzt die Kommission zwar nicht auf die ambitioniertesten Empfehlungen der WHO (sie sind wohl erst in einer low-carbon-economy bzw. -society erreichbar), dafür aber auf eine rasche Einhaltung bis 2030, womit wir nun zu den herausfordernden Themen der Novelle kommen:
Zielerreichung heute: Eher nicht. Zielerreichung 2030: Fraglich
In den vergangenen Monaten hat Joanneum Research (Graz) für die BSI (in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der WKÖ) die nationalen Luftmessdaten zwischen 2018 und 2021 mit den stufenweisen Empfehlungen der WHO verglichen, Belastungskarten erstellt und die Anzahl der potenziell betroffenen Produktionsbetriebe ermittelt. So ist es nun möglich, erste Aussagen zu treffen, wo Österreich im Hinblick auf die Grenzwertvorschläge der EK (Einhaltung 2030) aktuell steht. Ein Klick auf folgende Links öffnet die Karten für Feinstaub und Stickstoffdioxid:
Ob diese Werte 2030 erreicht werden können, hängt letztendlich auch davon ab, wie sich angesichts der Energie-Krise die Zusammensetzung der Energieträger in den Sektoren weiterentwickeln. Verstärkter Hausbrand durch Holzöfen statt Gas und intensivere Festbrennstoffnutzung (Gassubstitution) in den Sektoren Energie und Industrie könnten die Belastungen steigen lassen. Umgekehrt würden umfassende Wärmekonzepte (Ausbau der Wärmenetze, saisonale Speicher) oder ein nun endlich forcierter Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion (Wärmepumpe, schrittweise Elektrifizierung der Industrie) Positives bewirken. Im Verkehrssektor ist vieles abhängig vom raschen Flottentausch hin zu den aktuellen EURO-Klassen. Feinstaub-Hauptemittent ist in Ballungsräumen mittlerweile nicht mehr der Auspuff, sondern Reifenabrieb, Bremsstaub und Wiederaufwirbelung – auch von E-Fahrzeugen übrigens.
Fazit: Österreich hat ausgezeichnete Fortschritte gemacht – in den vergangenen Jahren gab es nur minimale Überschreitungen von Schadstoffgrenzwerten. Die meisten aktuellen Sanierungsgebiete in Österreich sind prinzipiell nicht mehr erforderlich. Doch nun sollen Grenzwerte nachgeschärft werden – damit beginnen auch neue Defizite.
Einklagbarkeit und Schadensersatz
Eine Besonderheit des Kommissionsvorschlages zuletzt: Mitglieder der Öffentlichkeit und NGOs sollen künftig erweiterte Nachprüfungsmöglichkeiten vor Gericht in Bezug auf Luftqualitätspläne („Entscheidungen, Handlungen, Unterlassungen“) haben, auch wenn sie nicht in die Beteiligungsphase der Entscheidungsverfahren eingebunden waren.
Doch das ist noch nicht alles: Personen, die durch Verstöße gegen die RL einen Gesundheitsschaden erleiden, sollen eine Entschädigung gegenüber der zuständigen Behörde einklagen können. NGOs dürfen diese natürlichen Personen künftig vertreten und Sammelklagen auf Schadensersatz erheben.
Ob unter diesen Rahmenbedingungen Behörden künftig bei Anlagengenehmigungen mit Bezug zu Luftemissionen noch positive Entscheidungen für den Wirtschaftsstandort Österreich und Europa fällen können, wird national und EU-weit im weiteren Gesetzgebungsprozess zu diskutieren sein.
Autor:
Mag. Richard Guhsl
E-Mail: Richard.Guhsl@wko.at