Sparte Industrie

Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) passiert Ministerrat

Das EAG-Paket soll den Ausbau erneuerbarer Energie auf neue Beine stellen. Strom steht dabei im Vordergrund, Grünes Gas und Fernwärme fehlen weitgehend.

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11.03.2023

Nach der medialen Präsentation des EAG am 11.3.2021 durch Vizekanzler Werner Kogler, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Staatssekretär Magnus Brunner wurde die Regierungsvorlage am 17.3.2021 im Ministerrat beschlossen und wird nun als Regierungsvorlage in den Nationalrat eingebracht. Nun kann die parlamentarische Diskussion beginnen. Das vom BMK als „Gesetz für die österreichische Energiewende und wesentlicher Baustein im Kampf gegen die Klimakrise, sowie riesiger Schritt in Richtung Klimaneutralität“ gepriesene Gesetz soll sicherstellen, dass die Stromversorgung, wie im Regierungsprogramm verankert, bis 2030 auf 100 % (national bilanziell) Strom aus erneuerbaren Quellen umgestellt wird. Das bedeutet konkret, dass die erneuerbare Stromproduktion in den kommenden Jahren um rund 27 Terawattstunden, das sind 50% der bisherigen Kapazität an Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft und Biomasse, erhöht werden muss. Dazu wird der Rahmen für die Förderung von Ökostromanlagen im dreijährigen Durchrechnungszeitraum um etwa 25% auf bis zu einer Milliarde Euro jährlich erhöht und der Förderzeitraum von 13 auf 20 Jahre verlängert. Damit sollen Investitionen von 30 Milliarden Euro ausgelöst und 100.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. 

Das EAG-Paket umfasst 10 Artikel:

  • Artikel 1: Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG)
  • Artikel 2: Änderung des Ökostromgesetzes 2012
  • Artikel 3: Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetzes 2010
  • Artikel 4: Änderung des Gaswirtschaftsgesetzes 2011
  • Artikel 5: Änderung des Energielenkungsgesetzes 2012
  • Artikel 6: Änderung des Energie-Control-Gesetzes
  • Artikel 7: Änderung des Bundesgesetzes zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastrukturaufbau für alternative Kraftstoffe
  • Artikel 8: Änderung des Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetzes
  • Artikel 9: Änderung des Starkstromwegegesetzes 1968
  • Artikel 10: Änderung des Bundesgesetzes vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken 

Zielverfehlung Energieautarkie? 

Die aus dem Regierungsprogramm übernommene Zielsetzung, die Stromversorgung bis 2030 (national bilanziell) zu 100% auf erneuerbare Energie umzustellen, steigert zwar den Grad der Eigenversorgung – aber zu enormen Kosten, die alle Stromverbraucher bezahlen. Insbesondere für Unternehmen wird es zu weiteren Kostensteigerungen um bis zu 30% auf ihren Stromrechnungen kommen – und das in der Zeit der wirtschaftlichen Erholung. Ob der mit einer Milliarde im 3-Jahres-Durchschnitt festgelegte Kostendeckel ausreicht, um die zur Zielerreichung notwendige Menge an erneuerbarem Strom herzustellen, wird nicht zuletzt von der Entwicklung der Strompreise abhängen. Und hat nicht gerade der Beinahe-Blackout am 8.1.2021 gezeigt, wie wichtig in Zeiten von Versorgungsengpässen international abgestimmte Korrekturmechanismen und Netzprotokolle sowie entsprechend rasch und witterungsunabhängig verfügbare Backup-Kapazitäten sind? Der Beitrag, der aufgrund ihrer Witterungsabhängigkeit sehr volatilen Erneuerbaren, insbesondere PV, Wind und Kleinwasserkraft, zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität, ist zweischneidig – einerseits stärkt der EE-Ausbau die inländische Verfügbarkeit der Stromproduktion, andererseits bleibt die Versorgungssicherheit auf der Strecke, wenn nicht der Netzausbau umgehend beschleunigt und von äußeren Bedingungen unabhängige Backup-Kapazitäten, wie vor allem auch Gaskraftwerke, in ausreichender Menge verfügbar gehalten werden. 

Versorgungssicherheit im Fokus 

Ein zentrales Thema der Industrie ist die Versorgungssicherheit. Hier belegt Österreich weltweit einen Spitzenplatz, den es auch während der Transformation des Energiesystems uneingeschränkt beizubehalten gilt. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist eine verlässliche Stromversorgung ein wichtiger Standortfaktor. Die Förderungen im Bereich der erneuerbaren Erzeugung werden aufgrund der geänderten EU-rechtlichen Vorgaben neu strukturiert. Mit Marktprämien und Investitionszuschüssen stehen den Investoren und Anlagenbetreibern künftig zwei Instrumente zur Verfügung. Eine Reihe von Fragen, die die BSI im Rahmen der Begutachtung des EAG aufgeworfen hat, bleiben allerdings weiterhin aufrecht – etwa die nur sehr eingeschränkte Nutzung wettbewerblicher Ausschreibungen, die im Detail noch unklare Standortdifferenzierung bei Windkraft, die Sinnhaftigkeit des Freiflächenabschlags bei größeren Photovoltaikanlagen oder die tatsächliche Relevanz der Bestandssicherung für Biomasseanlagen mit Förderungen bis ins 30. Bestandsjahr. 

Grünes Gas nur ansatzweise geregelt 

Das EAG soll auch dazu beitragen, ein weiteres Ziel des Regierungsprogramms zu erreichen, nämlich den Anteil von grünem Gas im österreichischen Gasnetz bis 2030 auf 5 TWh zu erhöhen. Als erste Eckpunkte enthält das EAG Investitionsförderungen in Höhe von EUR 50 Mio. pro Jahr für die Einspeisung von Biogas – einerseits durch Umrüstung bestehender Biogasanlagen (EUR 20 Mio./a), andererseits durch Neuerrichtung solcher Anlagen (EUR 30 Mio./a). Vorerst werden Förderungen zur Verstromung von Biogas aber um zumindest zwei Jahre verlängert – erst wenn das ergänzende Grüngas-Paket die rechtlichen Voraussetzungen schafft, können Anlagenbetreiber von der Verstromung zur Einspeisung ins Gasnetz wechseln. In Anlagen, die über 10 km vom Gasnetz entfernt sind, soll die Verstromung sogar bis zum 30. Betriebsjahr gefördert werden. Die Förderung der Verstromung von Biogas soll also nur mehr dann erfolgen, wenn ein Anschluss an das Gasnetz aufgrund der Entfernung technisch und wirtschaftlich nicht vertretbar ist. 

Gamechanger Wasserstoff 

Auch die Errichtung von Elektrolyseanlagen zur Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder synthetisches Gas kann künftig durch einen Investitionszuschuss gefördert werden, und

zwar als Investitionsförderung in der Höhe von bis zu 45 % für Anlagen zur Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder synthetisches Gas. Diese Anlagen wandeln elektrische Energie mittels Elektrolyse in gasförmige molekular gebundene Energie um. Vorgesehen sind hier insgesamt EUR 500 Mio., verteilt auf zehn Jahre. Die BSI begrüßt diese Regelung, da grüner Wasserstoff künftig eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung von Industrieprozessen, die nicht direkt elektrifizierbar sind, spielen wird und entscheidend zur Flexibilisierung des Stromsystems beitragen kann. Wichtig ist es daher, dass in der Hochlaufphase die richtigen Anreize gesetzt werden. Finanziert werden sollen diese über einen Grüngas-Förderbeitrag als Aufschlag zu den Netznutzungsentgelten. Der Grüngas-Förderbeitrag ist, ähnlich wie der Erneuerbaren-Förderbeitrag, von allen an das öffentliche Gas-Verteilernetz angeschlossenen Endverbrauchern im Verhältnis zum jeweilig zu entrichtenden Netznutzungsentgelt zu leisten. Aus den eingehobenen Mitteln sollen die Förderungen im Bereich erneuerbares Gas sowie die Tätigkeit der Servicestelle für erneuerbare Gase finanziert werden. Kosten für Gasanschluss, Qualitätskontrolle, Odorierung und Kompression erneuerbarer Gase sollen von den Gasnetzbetreibern übernommen werden. Elektrolyseanlagen werden von stromseitigen Endverbraucherentgelten und Netzbereitstellungsentgelten befreit. Weiters sieht das EAG die Einführung eines umfassenden Systems von Herkunftsnachweisen vor – nicht handelbare Grüngas-Zertifikate (für die Off-Grid-Nutzung) und handelbare, auf das EE-Ziel anrechenbare Grüngas-Siegel. Die Eigennutzung von Grünem Gas darf aber aus Sicht der BSI nicht benachteiligt werden. 

Netzausbau erfolgskritisch 

Der Ausbau erneuerbarer Energien und der notwendigen Infrastruktur (insb. Speicher- und präventiver Netzausbau) gilt in der aktuell schwierigen Erholungsphase der Wirtschaft als Job- und Konjunkturtreiber. Die Förderung von Investitionen in neue grüne Anlagen und Komponenten kann die heimische Technologieentwicklung maßgeblich ankurbeln. Daneben ist der kontinuierliche Ausbau der Übertragungs- und Verteilernetze eine zentrale Voraussetzung für den raschen Ausbau der erneuerbaren Erzeugung - ohne leistungsfähige Netze können weder PV-Anlagen noch Windparks in die Energieinfrastruktur eingebunden werden. Da der Netzausbau keinen Kernbestandteil des EAG-Pakets bildet, muss er an anderer Stelle rasch vorangetrieben werden. Hier ist zu erwähnen, dass die geplante Durchführung Strategischer Umweltprüfungen zu Verzögerungen in Genehmigungsverfahren führen kann; auch fehlen entsprechende Limits für Verfahrensdauern.  

Rechtssicherheit bei Energielenkung 

Im Artikel 5 des EAG-Pakets, der Novelle des Energielenkungsgesetzes, findet sich eine wichtige von der BSI geforderte Verbesserung – Rechtssicherheit für Erdgasunternehmen und Endverbraucher im Falle der Gas-Solidaritätslieferung an Nachbarstaaten: entstehende Forderungen von Erdgasunternehmen oder Endverbrauchern sind nach Einlangen der Entschädigungszahlungen des um Solidarität ersuchenden Staates durch den zuständigen Bilanzgruppenkoordinator zu begleichen. Als Basis dafür hat die Regulierungsbehörde anhand einer Methode den Wert der Zahlungsbereitschaft für die Aufrechterhaltung der Gasversorgung (Cost of Disruption of Gas Supply) in EUR/MWh zu ermitteln. 

Parlamentarischer Prozess beginnt 

Vom Ende der Begutachtungsfrist im Oktober 2020 bis zur Beschlussfassung im Ministerrat sind 140 Tage vergangen. Auch bis zur endgültigen Beschlussfassung des EAG im Nationalrat, die bis zum Sommer angestrebt wird, ist es noch ein weiter Weg – insbesondere die aufgrund der verfassungsrechtlichen Relevanz des Gesetzespakets benötigten Erreichung der 2/3 Mehrheit erfordert sicherlich zähe Verhandlungen mit der Opposition. Diese beklagt, dass sie bisher nicht eingebunden war und legt medial bereits die Latte zur Zustimmung hoch: eine Kostendeckelung für Haushalte und eine Kostenbremse für Kleinstunternehmen stehen hier seitens der SPÖ ebenso im Raum wie die Ausnahme des Förderbeitrags und der Förderpauschale von der Umsatzsteuer. Parallel zu den Verhandlungen gehen die Arbeiten an einem eigenen Gesetz zum Thema Grünes Gas weiter, dessen Begutachtung im Sommer erfolgen soll. Kritische Themen werden dort insbesondere der vom BMK geplante Ausbaustopp des Gasnetzes sowie eine voraussichtlich verpflichtende Versorgerquote sein. 

Autor:
DI Oliver Dworak
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