Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachverband

Presseinformation: Nationale Herkunftskennzeichnung wird Teuerung bei Lebensmitteln weiter anheizen

Koßdorff: Alleingang der Bundesregierung gefährdet heimische Lebensmittelhersteller und schadet Konsumentinnen und Konsumenten

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(Wien, 6.5.2022) „Wir erleben die stärkste Teuerungswelle seit 40 Jahren. Die Kosten für Lebensmittel gehen durch die Decke. Gerade jetzt ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für neue Auflagen, welche die Kosten für die heimischen Hersteller noch weiter nach oben treiben. Das heizt die Teuerung bei Lebensmitteln weiter an. Wer übernimmt dafür die politische Verantwortung?“, kritisiert Mag. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, anlässlich des gestrigen Starts der Begutachtung zweier Verordnungen für eine rein nationale Regelung über die Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln. „In Zeiten, in denen wir aufgrund der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine mit volatilen Rohstoffmärkten, unterbrochenen Lieferketten und einer ungewissen Versorgung mit Erdgas zu kämpfen haben, fragen wir uns, ob die Prioritäten in der Agrar- und Lebensmittelpolitik richtig gesetzt werden“, rückt Koßdorff die Dinge zurecht.

 

Neue Auflagen gelten nur für heimische Lebensmittelhersteller und erhöhen die Kosten

Eine verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft der eingesetzten Rohwaren nach ihrem konkreten Herkunftsland oder ihrer Herkunftsregion erfordert bei verarbeiteten und verpackten Lebensmitteln einen enormen organisatorisch-technischen Aufwand und somit sehr hohe Kosten. Als nationaler Alleingang im Widerspruch zu geltendem EU-Recht trifft die geplante Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Milch und Eier als Primärzutat in verarbeiteten Lebensmitteln und der Gemeinschaftsverpflegung ausschließlich die heimischen Hersteller („Inländerdiskriminierung“). Importierte Lebensmittel von Unternehmen aus dem Ausland sind von den Regelungen nicht umfasst.

 

Das bedeutet, dass nur österreichische Produzenten künftig die Kosten für nach Herkunft getrennten Rohstoffeinkauf, getrennte Lagerung und Logistik, getrennte Verarbeitung und getrennte Etikettierung zu stemmen haben. Hinzu kommt der Aufwand für laufende Änderungen der Verpackungen, wenn durch mangelnde Qualität oder Mengen, unterbrochene Lieferketten oder einen Ausfall eines Lieferanten rasch auf Rohstoffe anderer Herkunft ausgewichen werden muss als auf dem Etikett vermerkt ist. Da die heimische Landwirtschaft keine ausreichenden Mengen an Agrarrohstoffen für eine vollständige Selbstversorgung Österreichs liefert, sind wir auf Importe angewiesen. Ändert sich somit die Herkunft der eingesetzten Zutat, ist die Kennzeichnung auf der Verpackung für den Inlandsmarkt und in allen Sprachen für sämtliche Exportmärkte laufend anzupassen. Bei Nichtbeachtung drohen Strafen durch die Behörde. Das Verpackungsmaterial darf nicht mehr verwendet und muss in der Regel entsorgt werden – in Zeiten der Nachhaltigkeit ein Verlust an Ressourcen. Neues Verpackungsmaterial ist aktuell erst nach mehrmonatiger Lieferzeit erhältlich. Mehr Informationen dazu finden Sie auf oesterreich-isst-informiert.at.

 

Ausländische Produzenten sparen sich diesen Mehraufwand, konkurrieren aber im Supermarktregal unmittelbar mit den heimischen Produkten. „In letzter Konsequenz bedeutet das, dass Importprodukte günstiger angeboten werden können als heimische Lebensmittel – was für ein Bärendienst an unserer heimischen Lebensmittelindustrie“, so Koßdorff.

 

EU präsentiert bereits im Herbst 2022 erweiterte Herkunftskennzeichnung – österreichischer Alleingang verursacht doppelten Aufwand und doppelte Kosten für Hersteller

Neben der Teuerungswelle spricht auch der Umstand gegen die Regelung der Bundesregierung, dass die EU bereits im Herbst 2022 (!) ihre Vorschläge für eine erweiterte, EU-weit einheitliche Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln wie Milch oder Fleisch vorlegen wird. Damit werden die bereits umfassend geltenden EU-Vorschriften zur Herkunftskennzeichnung weiter ausgedehnt. „Dass die Bundesregierung auf Betreiben des Landwirtschaftsressorts meint, jetzt noch vorpreschen zu müssen und eine verpflichtende nationale Herkunftskennzeichnung einzuführen, wo die EU in wenigen Monaten ihre Regelungen erweitern wird, ist mehr als unverständlich und wohl bloßer Klientelpolitik geschuldet. Damit sollen die Preise für österreichische Agrarrohstoffe weiter in die Höhe getrieben werden. In Zeiten der Kostenexplosion auf allen Ebenen und steigender Inflation ist das schlicht der falsche Weg. Dadurch werden die österreichischen Hersteller und ihre Lebensmittel ‚Made in Austria‘ gegenüber ihren internationalen Mitbewerbern bewusst geschwächt, welche diese Kosten nicht tragen müssen. Denn für unsere Betriebe bedeutet das, dass sie zuerst das geplante österreichische Kennzeichnungssystem und dann das neue europäische System umsetzen müssen - doppelter Aufwand, doppelte Kosten, kein in Relation dazu stehender erkennbarer Nutzen“, führt Koßdorff aus.

 

Unterschiedliche Standards für Konsumentinnen und Konsumenten

Auch für Konsumentinnen und Konsumenten bringt der nationale Alleingang für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei gleichzeitiger Verteuerung der Produkte keinen Vorteil, weil Kennzeichnungen auf verpackten Lebensmitteln dann nicht mehr vergleichbar sein werden. Im Supermarktregal würden importierte, nach EU-Vorgaben gekennzeichnete Waren neben Produkten liegen, die nach den österreichischen Vorgaben deklariert sind. Das führt zu unterschiedlichen Standards an Information für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

 

Wer „österreichisch“ kaufen will, findet bereits ein überwältigendes und sichtbares Lebensmittelangebot vor. Ein Beispiel für freiwillige Herkunftskennzeichnung ist das AMA-Gütesiegel. Es bietet seit mehr als 20 Jahren alles, was politisch gewünscht wird.

 

Weitere Teuerung bei Lebensmitteln vermeiden: Politik muss Branche entlasten statt belasten 

Derzeit werden Maßnahmen gegen die Teuerungswelle bei Lebensmitteln und für eine gesicherte Lebensmittelversorgung öffentlich diskutiert. Für die Lebensmittelindustrie ist eines gewiss: „Erfolgreiche Agrar- und Lebensmittelpolitik für leistbare und ausreichende Lebensmittel ist nicht mit nationalen Alleingängen bei der Lebensmittelkennzeichnung zu machen. Im Gegenteil. Nur gleiche Spielregeln für alle Hersteller und gleiche Informations-Standards für Verbraucherinnen und Verbraucher in einem funktionierenden EU-Binnenmarkt schaffen Stabilität und Vertrauen auf den Märkten. Unsere Lebensmittelindustrie ist daher gerade jetzt, in der andauernden Wirtschaftskrise und unsicheren Erdgas-Versorgung bei den Herstellungskosten dringend zu entlasten und nicht mit weiteren Auflagen zu belasten. Denn nur eine starke Lebensmittelindustrie im eigenen Land kann die Versorgung der Bevölkerung mit guten, ausreichenden und vor allem leistbaren Lebensmitteln verlässlich absichern. Darauf sollten politische Entscheidungsträger gut achten“, so Koßdorff abschließend.

 

Stellenwert der Lebensmittelindustrie in Österreich

Die Lebensmittelindustrie ist eine der größten Branchen Österreichs. Sie sichert im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten tagtäglich die Versorgung mit sicheren, qualitativen und leistbaren Lebensmitteln. Die rund 200 Unternehmen mit ihren 27.000 direkt Beschäftigten erwirtschaften jährlich ein Produktionsvolumen von deutlich über 9,5 Mrd. Euro. Rund 8 Mrd. Euro davon werden in Form von Erzeugnissen der Lebensmittelindustrie im Export in über 180 Länder abgesetzt. Der Fachverband unterstützt seine Mitglieder durch Information, Beratung und internationale Vernetzung.



Rückfragehinweise:
Mag. Katharina Koßdorff
Geschäftsführerin im Fachverband der Lebensmittelindustrie
Tel.: +43 1 712 21 21 – 14
k.kossdorff@dielebensmittel.at

DI Oskar Wawschinek MAS MBA
Food Business Consult
Pressesprecher für den Fachverband der Lebensmittelindustrie
Mobil: +43 664 545 63 50 
office@foodbusiness.at


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Stand: 06.05.2022