Sparte Industrie

Novelle des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes (LSD-BG)

Die am 7. Juli 2021 im Nationalrat beschlossene Novelle des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes (LSD-BG) wurde nunmehr im BGBl. kundgemacht.  

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11.03.2023

Die neue Novelle des LSD-BG - und der Begleitbestimmungen im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) und Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) dient zum einen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 (Änderungsrichtlinie zur Entsende-RL), zum anderen werden infolge der EuGH-Rechtsprechung Maksimovic ua, C-64/18 sowie Cepelnik, C-33/17 die Verwaltungsstrafbestimmungen der §§ 26 bis 29 LSD-BG überarbeitet und die Sicherheitsleistung nach § 34 LSD-BG neu geregelt. Die Änderungen sind mit 1. September 2021 rückwirkend in Kraft getreten und auf Entsendungen und Überlassungen anzuwenden, die nach dem 31. August  2021 begonnen haben.

Die ursprüngliche Entsende-RL 96/71/EG, die die Dienstleistungsfreiheit spezifiziert, hatte zum Ziel, einerseits die Förderung der Dienstleistungsfreiheit und Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen und andererseits den Schutz der entsandten Arbeitnehmer vor einer unfairen Behandlung sowie die Verhinderung der Schaffung eines kostengünstigen Arbeitskräftepools  in ein regulatorisches Gleichgewicht zu bringen.

Im Zusammenhang mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für zahlreiche osteuropäische Staaten wurde mit 1. Mai 2011 im Rahmen eines Sammelgesetzes, des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSDB-G), erstmals eine Verwaltungsstrafe für Unterentlohnungen eingeführt.  Durch das mit 1. Jänner  2017 in Kraft getretene LSD-BG wurden die davor im AVRAG enthaltenen Regelungen herausgelöst, um im Rahmen dieses formal neuen Gesetzes eine klare und übersichtliche Struktur zu schaffen. Bei dieser Neukodifizierung blieb das materiellrechtliche Regelungskonzept zwar im Wesentlichen unverändert, Änderungen ergaben sich aber vor allem hinsichtlich der Verschärfung der Strafbestimmungen.

Der Standpunkt der Bundessparte Industrie zur Entsende-RL und zum LSD-BG war immer klar ablehnend. Die LSD-BG-Beschränkungen, die eine starke Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit darstellen, gefährden die stark exportorientierte Industrie Österreichs im internationalen Wettbewerb. Bei grenzüberschreitenden Entsendungen treffen Unternehmen auf eine Vielzahl von Problemen und bürokratischen Hürden. Gleichzeitig kritisierte die Bundessparte Industrie seit jeher die unverhältnismäßig hohen Strafen aufgrund des Kumulationsprinzips (Kumulation je Arbeitnehmer), was im sogenannten „Fall Andritz“ schließlich seinen Höhepunkt fand.

Die nunmehrige Novelle des LSD-BG bringt insbesondere für Fälle des Hereinarbeitens nach Österreich zahlreiche Änderungen. Dies betrifft die längst fällige Harmonisierung des Entsendebegriffs des LSD-BG mit dem Anwendungsbereich der Entsende-RL, der grundsätzlich auf den Einsatz von Arbeitnehmern im Rahmen von grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen zugeschnitten ist. Darüber hinaus wird entsprechend der letzten Adaption der Entsende-RL festgelegt, dass bei längerfristigen Entsendungen nach Österreich nicht nur die hier geltenden Eingriffsnormen, sondern das gesamte zwingende Arbeitsrecht beachtlich ist und entsendete Arbeitnehmer auch einen Rechtsanspruch auf kollektivvertraglich verankerte Aufwandersätze für Dienstreisen im Inland haben. Schließlich kommt es zu einer erfreulichen Neugestaltung des Ausnahmekatalogs im LSD-BG, womit auch eine generelle Ausnahme für besserverdienende Arbeitnehmer verankert sowie das Konzernprivileg erheblich ausgeweitet wird. Außerdem erfolgte die Festlegung einer Toleranzregelung für Fälle der irrtümlichen Erstattung der ZKO-Meldung. Letztlich wird mit der aktuellen Änderung das Sanktionsregime auf neue Beine gestellt. Nachdem die Höchstgerichte die gleichermaßen für die Verletzung von formalen Verpflichtungen und auch für Unterentlohnungen verankerte Strafkumulation (Strafe pro Arbeitnehmer) ohne Obergrenzen als unverhältnismäßig erkannt haben, wird damit ein relativ langer Zeitraum der rechtlichen Ungewissheit beendet. Unterm Strich werden mit der Novelle zahlreiche Forderungen der Bundessparte Industrie, insbesondere die Abschaffung des Kumulationsprinzips und eine Ausweitung des Konzernprivilegs (Totalausnahme im Anwendungsbereich des LSD-BG), gesetzgeberisch umgesetzt.

Die Eckpunkte der Gesetzesnovelle im Detail:

  • Neugestaltung des Ausnahmenregimes
    • Die Bestimmungen des § 1 Abs 5 und Abs 7 bis 9 der Novelle ersetzen die bisherige Auflistung der Ausnahmetatbestände in § 1 Abs 5 LSD-BG. Die Entgeltgrenze in § 1 Abs 8 Z 2 und Z 3 wird von 125 auf 120 % gesenkt.
    • Konzernprivileg § 1 Abs 6: Die Regelung des § 1 Abs 6 LSD-BG wird künftig auch Anwendung auf vorübergehende konzerninterne Entsendungen oder Überlassung einer besonderen Fachkraft finden, wenn diese Einsätze für Arbeiten bei Lieferung, Inbetriebnahme (und damit verbundenen Schulungen), Wartung, Servicearbeiten sowie bei der Reparatur von Maschinen, Anlagen und EDV-Systemen erfolgen. Eine besondere Fachkraft ist ein Arbeitnehmer, der innerhalb des Konzerns tätig ist, über unerlässliche Spezialkenntnisse für die Tätigkeitsbereiche im Sinne des Abs 6 und über eine angemessene Berufserfahrung verfügt.
    • Schulungsausnahme § 1 Abs 7: Keine Anwendung des LSD-BG auf nach Österreich für längere Dauer zu Schulungs- oder Weiterbildungszwecken auf der Grundlage eines Schulungs- oder Weiterbildungsprogrammes entsandte Arbeitnehmer oder überlassene Arbeitskräfte, was bisher nur im Erlass verankert war.
    • Neue Ausnahmen, insbesondere Werkverkehr: Vom LSD-BG ausgenommen sind die Lieferung oder das Abholen von Waren durch entsandte Arbeitnehmer des Verkäufers bzw. Käufers oder Vermieters bzw. Mieters (§ 1 Abs. 8 Z 5 LSD-BG) sowie Tätigkeiten, die für die Inbetriebnahme und Nutzung von gelieferten Gütern unerlässlich sind und von entsandten Arbeitnehmern des Verkäufers bzw. Käufers oder Vermieters bzw. Mieters mit geringem Zeitaufwand durchgeführt werden (§ 1 Abs 8 Z 6 LSD-BG).
  • Zeitliche Einschränkung von Langzeitentsendungen (Entsendung länger als 12 bzw. 18 Monate)
    • Die ÄnderungsRL sieht vor, dass entsandte/überlassene Arbeitnehmer grundsätzlich nach einer Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich von zwölf Monaten, jedenfalls aber nach 18 Monaten, in Bezug auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen inländischen Arbeitnehmern gleich zu stellen sind, soweit dies für Beschäftigungszeiten im Rahmen der Entsendung/Überlassung davor nicht erfolgt ist (§ 2 Abs 3 LSD-BG neue Fassung). Bei der Berechnung der Entsendungsdauer ist die Dauer einer Entsendung eines ersetzten Arbeitnehmers zu berücksichtigen.
    • Diese Gleichstellung hat damit etwa Relevanz in Bezug auf die Anwendung der allgemeinen Dienstverhinderungsregelung des § 8 Abs 3 AngG und § 1154 b Abs. 5 ABGB oder auf kollektivvertraglich vorgesehene Ansprüche auf Dienstfreistellung (Sonderurlaub). Von der Gleichstellung nicht erfasst sind jedoch Verfahren, Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrages einschließlich von Wettbewerbsverboten sowie die Regelungen des BMSVG und BPG.
  • Aufwandersatz für angemessene Unterkünfte
    • § 3 Abs 7: Ein entsandter Arbeitnehmer hat künftig unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf zumindest jenen gesetzlichen, durch Verordnung festgelegten oder kollektivvertraglichen Aufwandersatz für Reise-, Unterbringungs- oder Verpflegungskosten, der während der Entsendung in Österreich anfällt und der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt. Dieser Aufwandersatz erfasst Kosten anlässlich von Reisebewegungen, wenn der Arbeitnehmer von einem regelmäßigen Arbeitsplatz im Inland zu einem anderen Arbeitsplatz im Inland reist.
  • Bestimmungen zu den Meldungen und Lohnunterlagen §§ 19ff
    • Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen einer Entsendung und einer grenzüberschreitenden Überlassung und die damit verbundenen unterschiedlichen Rechtsfolgen wird leider weiterhin an der formalen Differenzierung zwischen einer ZKO-3 und einer ZKO-4 Meldung festgehalten. Allerdings wird im Hinblick auf die nicht immer leicht anzustellende Klärung der Rechtsfrage „Entsendung oder Überlassung“ bzw. im Hinblick auf die zwischenzeitigen Erfahrungen aus der Praxis in § 26 Abs 1a LSD-BG klargestellt, dass die Meldung als vollständig erstattet gilt, wenn bei einer Meldung nach § 19 Abs 1 LSD-BG irrtümlich anstelle eines ZKO-3-Formulars ein ZKO-4-Formular oder umgekehrt verwendet wird, sofern das irrtümlich verwendete Formular vollständig ausgefüllt ist.
    • Im Bereich der so genannten „Sammelmeldung“ nach § 19 Abs 6 LSD-BG erfolgt im Hinblick auf eine effizientere Handhabung dieser Möglichkeit sowie aus Gründen der Rechtssicherheit eine Präzisierung des zeitlichen Zusammenhangs. Voraussetzung ist künftig, dass die mit mehreren Auftraggebern geschlossenen gleichartigen Dienstleistungsverträge bei durchgehendem Aufenthalt des Arbeitnehmers im Bundesgebiet innerhalb einer Woche erfolgen.
    • Künftig ist die Vorlage sämtlicher Dokumente auch in englischer Sprache zulässig. Bisher war dies nur in Bezug auf den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel iSd Nachweisrichtlinie vorgesehen.
    • Aus Gründen der Rechtssicherheit wird nunmehr zudem gesetzlich klargestellt, dass als gleichwertige Unterlagen auch der Antrag des Arbeitgebers auf Ausstellung des Sozialversicherungsdokuments E 101 oder A1 und Dokumente gelten, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer für die Dauer der Entsendung der ausländischen Sozialversicherung unterliegt, und verwendet werden können.
    • § 22: Zwecks leichterer Lesbarkeit werden die nach § 22 Abs 1 LSD-BG bereitzuhaltenden Lohnunterlagen nunmehr gegliedert in den Z 1 bis 3 dieses Absatzes angeführt. Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege müssen nur dann in deutscher oder englischer Sprache bereitgehalten werden, wenn anhand des in einer Fremdsprache vorgelegten Belegs die jeweilige Lohnzahlungsperiode oder das Entgelt oder der Empfänger nicht nachweislich festgestellt werden können.
    • § 22 Abs 1 b: Bei Entsendungen von Arbeitnehmern, die nicht länger als 48 Stunden dauern und nicht mobile Arbeitnehmer betreffen, sind während des Zeitraums der Entsendung nur der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen bereitzuhalten oder diese den Kontrollorganen unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen.
  • Neues Sanktionsregime (Neugestaltung der Strafbestimmungen)
    • § 25a: Fehlende Informationen auf der nach Art 5 der Richtlinie 2014/67/EU einzurichtenden Website (konkret: www.entsendeplattform.at) über die im Fall einer Entsendung/Überlassung anzuwendenden österreichischen Normen in Verwaltungsstrafverfahren nach diesem Bundesgesetz sind als Milderungsgrund im Sinne des § 19 VStG zu werten. Von dieser Bestimmung unberührt bleibt das für eine Strafbarkeit erforderliche Verschulden nach § 5
    • VStG; fehlt dieses, kommt es von vornherein zu keiner Bestrafung.
    • Nach dem Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic ua, C-64/18 ua sind die österreichischen Strafbestimmungen zu den formalen Verpflichtungen nach den §§ 26 bis 28 unverhältnismäßig und damit unionsrechtswidrig. Im Einklang mit der vorgenannten Judikatur soll die Verhältnismäßigkeit durch Entfall der Kumulation und Schaffung eines Strafrahmens ohne Mindeststrafe, deren oberes Ende zugleich die Höchstgrenze im Sinne des Urteils Maksimovic ua bildet, hergestellt werden.
    • Konkrete Umsetzung bei den Formaldelikten (§§ 26-28): Die Bestrafung erfolgt unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer.
      • § 26 (Verstoß gegen Melde- und Bereithaltungspflichten):  Geldstrafe bis zu 20.000 €
      • § 27 (Vereitelungshandlungen): Geldstrafe bis zu 40.000 €
      • § 28 (Nichtbereithalten der Lohnunterlagen): Geldstrafe bis zu 20.000 €, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 €
    • Konkrete Umsetzung beim Delikt der Unterentlohnung: Auch § 29 (Unterentlohnung) wird im Lichte dieser Judikatur neugestaltet. Es wird vom bisherigen Modell der Bestrafung pro Arbeitnehmer abgegangen und anstelle dessen ein fünfstufiger Strafrahmen vorgesehen:
      • Der neue Grundstrafrahmen liegt bei 50.000 EUR.
      • Ist im Erstfall bei Arbeitgebern mit bis zu neun Arbeitnehmern die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als 20.000 Euro, beträgt die Geldstrafe bis zu 20.000 Euro.
      • Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 50.000 Euro, beträgt die Geldstrafe bis zu 100.000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100.000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 250.000 Euro.
      • Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100.000 Euro und wurde das Entgelt vorsätzlich um durchschnittlich mehr als 40 Prozent des Entgelts vorenthalten, beträgt die Geldstrafe bis zu 400.000 Euro.
      • Wirkt der Arbeitgeber bei der Aufklärung zur Wahrheitsfindung unverzüglich und vollständig mit, ist der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen für einen Strafrahmen von bis zu 400.000 Euro vorliegen. Für die im Einzelfall vorzunehmende Strafbemessung gilt § 19 VStG.
    • § 72 Übergangsregime: §§ 26-29 in neuer Fassung sind auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle anhängigen Verfahren anzuwenden.
  • Sicherungsinstrumente/Sicherungsleistung:
    • § 33 (Vorläufige Sicherheit) und § 34 (Zahlungsstopp – Sicherungsleistung): Mit den vorgeschlagenen Änderungen werden insbesondere dem Urteil des EuGH vom 14. November 2018, Rs C-33/17, Cepelnik, sowie dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2018, G260/2017, Rechnung getragen.
  • Änderungen im AÜG:
    • Neue Informationspflichten des Beschäftigers gemäß § 12a AÜG aufgrund der ÄnderungsRL zur Entsende-RL.
    • Bedauerlicherweise politisch nicht umgesetzt wurde die im Lichte der EuGH-Judikatur sachlich gebotene Einschränkung des überschießenden Überlassungsbegriffs (Entfall oder zumindest Einschränkung § 4 Abs 2 AÜG).
  • Änderungen im AVRAG: Klarstellung in § 11 Abs 2 AVRAG, dass Zeiten einer Bildungskarenz bei Rechtsansprüchen des Arbeitnehmers, die sich nach der Dienstzeit richten, außer Betracht bleiben.

Autor: Mag. Thomas STEGMÜLLER
E-Mail: thomas.stegmueller@wko.at