Sparte Industrie

Transformation der Industrie: Impuls mit vielen Fragezeichen

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 2 Minuten

04.08.2023

Der neue Gesetzesvorschlag der Europäischen Union zur Stärkung einer nachhaltigen Industrie ist ein Schritt in die richtige Richtung, lässt aber noch viel Luft nach oben.

Am 16. März 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission den sogenannten Net-Zero Industry Act als Teil des neuen European Green Deal Industrial Plan. Dieser wurde als Reaktion auf den us-amerikanischen Inflation Reduction Act konzipiert und wird vor dem Hintergrund steigender geopolitischer Spannungen und dem europäischen Ziel einer stärkeren Autonomie allgemein als ein Wiedererwachen einer EU-weiten Industriepolitik interpretiert.

Der Verordnungsvorschlag soll die gezielte Förderung von Schlüsseltechnologien ermöglichen, um die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben. Bestimmte „grüne“ Technologien, darunter Wärme- und Stromspeicher, on- und off-shore Windkraft, Solarkraft, CC(U)S, Wärmepumpen, grüner Wasserstoff und Biomethan, alternative Kraftstoffe und gewisse Nuklearanwendungen sollen insbesondere von Verfahrensvereinfachungen profitieren. Ein Teil dieser Technologien wird als strategisch und damit besonders förderungswürdig eingeschätzt. Für diese sollen Maximalfristen in den Genehmigungsverfahren gelten, womit diese massiv beschleunigt werden. Dies soll sowohl für die Endanwendung (sprich zB die Windkraftanlage), als auch für die Herstellung von Komponenten und Maschinen gelten, die hauptsächlich für die Erzeugung dieser Technologien verwendet werden. Damit soll bis 2030 mindestens 40% der diesbezüglichen Produktionskapazität in der EU angesiedelt sein. Daneben soll es CO2-Einspeicherungsziele für Gas- und Ölunternehmen geben, wodurch diese Technologie (carbon capture and storage) einen entscheidenden Impuls erhalten soll. Sogenannte ‚Net-Zero Academies‘ sollen passende, harmonisierte Ausbildungsprogramme entwickeln und ein Expertengremium, die  ‚Net-Zero Europe Plattform‘, soll alle Maßnahmen koordinierend begleiten.

Der Vorschlag wird von der Bundessparte Industrie (BSI) prinzipiell begrüßt. Jede Verwaltungsvereinfachung, insbesondere im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es darf jedoch nicht nur bei Bekenntnissen auf Papier bleiben, sondern dies muss sich auch tatsächlich in effizienteren Verfahren konkretisieren. Dafür muss noch eine Vielzahl an Fragen bezüglich Kompetenzverteilung und Verhältnis zu bestehendem Materienrecht, etwa im Bereich des UVP-Gs, frühestmöglich geklärt werden. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass tatsächlich die gesamten Wertschöpfungsketten der genannten Technologien umfasst sind und davon profitieren. Die Liste der als strategisch angesehenen Technologien ist aus Sicht der BSI zu eng gefasst und bildet nicht die Zielsetzungen der Europäischen Union ab. Abschließend muss auch betont werden, dass ein langfristiger Subventionswettlauf nicht im Interesse der Industrie sein kann, kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen, auch finanzieller Natur, aber unabdingbar sind.

Das Europäische Parlament und der Ministerrat haben ihre Arbeiten an dem Dossier aufgenommen und werden bereits im Juni erste Ergebnisse präsentieren. Es gibt starken politischen Druck, das neue Gesetz noch in diesem Jahr abzuschließen. Die BSI bringt sich mit konkreten Änderungsvorschlägen an die Parlamentarier und ans Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft ein und wird den Gesetzgebungsprozess eingehend mitverfolgen.

Oberstes Ziel, neben der Erreichung der Klimaneutralität, muss der Erhalt und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen und europäischen Industrie sein. Ohne Industrie wird die Transformation zu einer dekarbonisierten Wirtschaft nicht erfolgreich sein. Im Kontext eines dynamischen internationalen Umfelds, in dem sich die Schlüsselakteure, allen voran die USA und China frühzeitig positioniert haben, muss das die Messlatte für den Net-Zero Industry Act sein.

Autor:
Clemens Rosenmayr
E-Mail: clemens.rosenmayr@wko.at