
"Lehre war für mich der bessere Weg"
Rauchfangkehrermeisterin, Akademikerin und angehende Unternehmerin. Janine Petermann zeigt, was mit Ehrgeiz, Fleiß, Willensstärke und Unterstützung möglich ist. Und mit der Lehre als solides und tragfähiges Fundament.
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"Ich war immer der burschikose Typ“, sagt Janine Petermann und fährt sich lachend durch das Pony ihres Kurzhaarschnittes. Auf Bäume kraxeln, sich dreckig machen, mit den Händen werken zog sie dem Spiel mit Puppen vor. „Eigentlich wollte ich Sportlehrerin werden. Ich war, auch wenn man das heute nicht mehr sieht, sportlich super unterwegs“, erzählt sie grinsend. Doch bald hat die Mostviertlerin erkannt, dass eine weiterführende Schule doch nicht das richtige ist. „Ich habe abgebrochen. Die Lehre war für mich der bessere Weg.“
„Die Chemie hat sofort gepasst“
Also hat sie mit ihren Eltern nach Lehrstellen in der Umgebung geschaut. „Ich bin recht ein ,Hoamerl‘, ich wollt nicht allzu weit weg.“ Bei den Recherchen stieß Familie Petermann auf Jandl Energietechnik in Hainfeld. „Ich bin zum Vorstellungsgespräch. Die Chemie hat gepasst. Ich habe unterschrieben und angefangen“, erinnert sich Petermann an die Anfänge vor 17 Jahren.
Um halb 5 ist sie aufgestanden. Dann gings mit dem Bus von Türnitz nach Lilienfeld. Weiter mit dem Zug nach Traisen. Umsteigen Richtung Rohrbach. Dann Zweikilometer-Marsch vom Bahnhof zum Betrieb. Arbeitsbeginn 6 Uhr. „Sicher habe ich ab und an mit dem Gedanken gespielt, hinzuschmeißen. Aber das liegt nicht in meiner Natur. Was ich anfange, ziehe ich durch. Manche meinen, ich hätte einen ausgeprägten Sturkopf“, merkt sie fröhlich an.
Nach dem Lehrabschluss folgte die Meisterprüfung – mit 21 Jahren. „Seit 2010 müssen in NÖ verpflichtende feuerpolizeiliche Beschauen durchgeführt werden. Das dürfen nur Meister machen“, erklärt Petermann. „Es ist eine große Verantwortung, vor allem in so jungen Jahren.“ Doch davor, Verantwortung zu übernehmen, hat sich die ehrgeizige Hafnerbacherin noch nie gescheut. Nach ein paar Jahren im Job hatte sie das Gefühl, „dass ich mich innerhalb der Branche weiterentwickeln und weiterbilden muss.“ So hat sie berufsbegleitend Firesafety-Management an der Donau-Universität Krems studiert und nach zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen. Und so folgte auf den Meister auch noch der Master. Und seit 2018 nimmt Petermann für die WKNÖ-Meisterprüfungen ab.
„Der Beruf verändert sich ständig. In den letzten Jahren ging die Entwicklung vom Kehrer immer stärker hin zum Techniker. Die Branche ist vielseitiger geworden, es sind neue Tätigkeiten dazugekommen, etwa die Luftverbundmessungen. Und die Kommunikation mit dem Kunden wird immer wichtiger.“ Die Grundlagen aber seien die gleichen wie noch vor 100 Jahren. „Es wird noch immer gekehrt, man macht sich noch immer dreckig. Man braucht körperliche Fitness und sollte schwindelfrei sein“, ist sie überzeugt.
Gestalten und Visionen umsetzen
Mit 31. 12. 2022 hat Petermann ihren Ausbildungsbetrieb verlassen. „Es war Zeit für eine Veränderung, für eine neue Herausforderung. Ich wollte schon immer meinen eigenen Rauchfangkehrerbetrieb. Und bei Huber in Scheibbs habe ich die Option, den Betrieb zu übernehmen.“ Was sie am Unternehmertum reizt: „In deinem eigenen Betrieb kannst du deine Visionen umsetzen, so gestalten, wie du es für richtig hältst. Außerdem komme ich aus einer Unternehmerfamilie“, sagt sie bestimmt. „Meine Mama hatte ein Hotel, mein Papa führt ein Restauant. Aber der Tourismus war nie meine Branche. Meine Leidenschaft gehört dem Handwerk.“ Mit Erfahrung in der Lehrlingsausbildung will die angehende Unternehmerin auch selbst Fachkräfte schulen. „Wichtig ist es, Jugendliche und Eltern direkt anzusprechen, in Schulen, bei Bildungsmessen.“ Dass die Branche auch für Frauen zunehmend interessant wird, zeigt die wachsende Zahl an Rauchfangkehrerinnen. „Die Grenzen zwischen Männer- und Frauenberufen verschieben sich allmählich – zum Glück.“ Auch als Chefin greift Petermann ab und an selbst zum Kehrbesen. „Dafür werd‘ ich mir nie zu schade sein“, lacht die Trainerin der 20-köpfigen Hafnerbacher Nachwuchsfußballmannschaft (U9) und gesteht: „Eineinhalb Stunden Training mit den Buben schafft mich mehr als Kaminkehren.“ Doch was wäre das Leben von Petermann ohne immer neue Herausforderungen.
Lehre stärken - Maßnahmen der Wirtschaftskammer NÖ
Die Wirtschaftskammer Niederösterreich setzt viele Maßnahmen, um für die Lehre zu begeistern. Die Ferialpraktika- und Schnupperlandkarte zeigt offene Plätze, die App „BO to go“ unterstützt bei der Berufswahl. Es werden neue Zielgruppen angesprochen (Lehre nach Matura, Duale Akademie), es gibt Qualifikationsmaßnahmen für Umsteiger und viele Angebote der Branchen.