
WKÖ EU-Wirtschaftspanorama 33/2022
Ausgabe 14. Oktober 2022
Lesedauer: 8 Minuten
Inhaltsübersicht
Im Brennpunkt
Unternehmertum & Industriepolitik
Innovation / Digitalisierung
Nachhaltigkeit
Im Brennpunkt
Erweiterung: EU-Kommission empfiehlt Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina

Die Europäische Kommission hat ihr Erweiterungspaket 2022 vorgestellt. Es bewertet die Fortschritte der Westbalkan-Staaten und der Türkei auf dem Weg in die Europäische Union. Die Empfehlung der EU-Kommission, Bosnien-Herzegowina den Kandidatenstatus zu verleihen, ist ein positiver Schritt und gerade aus Sicht der WKÖ zu begrüßen. Neben dieser Empfehlung betont die Kommission, die Integration des Westbalkans insgesamt beschleunigen zu wollen. Auch wenn die Einschätzungen insgesamt wenige Überraschungen bieten, ist dies ein deutliches und wichtiges Signal an die Länder des Westbalkan.
Um Bosnien und Herzegowina den Kandidatenstatus zu verleihen, muss das Land laut Kommission eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen unter anderem die Stärkung der Demokratie beziehungsweise der Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung von Korruption sowie die Gewährleistung der Medienfreiheit und Steuerung der Migration. Erwartungsgemäß kritisch fällt die Einschätzung zur Türkei aus. Die Türkei muss vor allem in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte den negativen Trend umkehren und gegen die Schwächung der „Checks and Balances“ im politischen System vorgehen. Außerdem hat sich die Lage im östlichen Mittelmeerraum erneut verschärft.
Die Förderung der Entwicklung Südosteuropas zu einem Raum der Stabilität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist für ganz Europa wesentlich. Das Paket als ein klares europäisches Signal an diese Staaten ist daher positiv. Die österreichische Wirtschaft ist wirtschaftlich eng mit allen Beitrittskandidaten des Westbalkans verbunden und zählt zu den größten Investoren in der Region. In weiterer Folge wird sich der Rat nun mit den Empfehlungen der Kommission auseinandersetzen und gegebenenfalls Entscheidungen über die nächsten Schritte treffen.
Ansprechpartner: Paul Ploberger
Unternehmertum & Industriepolitik
EU-Bericht zeigt: Handelsabkommen nützen Europas Unternehmen

EU-Handelsabkommen bedeuten mehr Exporte, stabilere Wirtschaftsbeziehungen und sicheren Zugang zu Ressourcen, wie ein neuer EU-Bericht zeigt. Laut dem 2. Jahresbericht der EU-Kommission über die Umsetzung und Durchsetzung von EU-Handelsabkommen überstiegen die EU-Exporte an Präferenzpartner im Jahr 2021 erstmals 1 Billion Euro. Der Abbau von Handelshemmnissen nützt den europäischen Unternehmen und fördert somit Arbeitsplätze. Als kleines, exportorientiertes Land profitiert Österreich ganz besonders von der Reduktion von Handelshürden und verlässlichen Rahmenbedingungen.
Die Umsetzung von Handelsabkommen wird laut Bericht immer wichtiger: 44 % des Handels der EU fand im Jahr 2021 im Rahmen präferenzieller Handelsabkommen statt. Dieser Anteil dürfte auf 47,4 Prozent steigen, wenn derzeit verhandelte Abkommen ratifiziert werden. EU-Handelsabkommen erleichtern auch die Einfuhr von Rohstoffen. Beispielsweise importiert die EU derzeit 24 Prozent ihrer kritischen Rohstoffe von bevorzugten Handelspartnern. Dieser Anteil wird auf 46 Prozent steigen, sobald ein Handelsabkommen mit Australien, über das derzeit verhandelt wird, in Kraft tritt.
Ein möglichst ungehinderter Zugang zu Auslandsmärkten ist für Konsumenten und Unternehmen gleichermaßen von entscheidender Bedeutung. Gerade in Krisensituationen ist es essenziell, über alle Kanäle Wachstumsimpulse zu erzeugen. Märkte müssen offengehalten und die Umsetzung von Regeln garantiert werden. Dazu tragen die EU-Handelsabkommen bei, indem sie helfen, Resilienz aufzubauen und Lieferketten zu diversifizieren.
Ansprechpartner: Sebastian Köberl
Innovation / Digitalisierung
WKÖ-Fachverband Finanzdienstleister begrüßt neues europäisches Regelwerk für Kryptowerte

Nach der politischen Einigung im Juni sind nun auch die technischen Verhandlungen zur europäischen Verordnung über Kryptowerte (MiCA-Verordnung) abgeschlossen. Damit soll - voraussichtlich mit 2024 - Rechtssicherheit für Anleger wie auch anbietende Unternehmen geschaffen werden. Mit einem einheitlichen Regelungsrahmen für Kryptowerte, Emittenten von Kryptowerten und Anbietern von Krypto-Dienstleistungen wird die Grundlage für einen einheitlichen, grenzüberschreitenden Kryptomarkt gelegt.
„Wir hoffen, dass durch den EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen zusätzliches Vertrauen unter Anlegern und Verbrauchern geschaffen wird“, erklärte Hannes Dolzer, Obmann des Fachverbands Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Im Kern sieht die MiCA vor, die unterschiedlichsten Arten von Marktmissbrauch - wie insbesondere Marktmanipulation oder Insidergeschäfte - zu bestrafen. Ergänzend dazu soll ein öffentliches Register der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde nicht konforme Anbieter von Krypto-Dienstleistungen anführen.
Von der Verordnung umfasste Kryptodienstleistungen sind unter anderem die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte, der Betrieb einer Handelsplattform sowie die Beratung. Diese Tätigkeiten bedürfen künftig im gesamten EU-Raum einer Zulassung. Die MiCA-Verordnung wird vom Fachverband Finanzdienstleister und insbesondere den bereits bei der FMA registrierten Dienstleistern in Bezug auf virtuelle Währungen begrüßt.
Ansprechpartnerin: Olimpia Caetani
Nachhaltigkeit
EU-Energierat berät Lösungen zur Energiekrise

Im Zentrum des informellen EU-Energierates in Prag standen neben den steigenden Energiepreisen und der Vorbereitung auf den Winter auch mögliche Reformen des europäischen Elektrizitätsmarktes. Aus Sicht der Wirtschaft braucht es ein koordiniertes europäisches Vorgehen und keine Alleingänge. Europäische Herausforderungen brauchen europäische Lösungen für die Senkung von Energiepreisen.
Bereits nächste Woche will die Kommission ein weiteres Gas-Paket vorstellen. Zu den wichtigsten Elementen dieses Pakets soll eine Ausweitung der gemeinsamen Gaseinkäufe gehören. Wichtig sind zudem die Erhöhung der Transparenz des Preisindexes und die Stärkung seiner Widerstandsfähigkeit gegen spekulatives Verhalten sowie die Förderung von Energieeinsparungen und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. WKÖ und IV schlagen die Anwendung eines Extreme-Peak-Modells vor, bei dem lediglich Extremspitzen beim Gaspreis subventioniert werden. Dieses Modell würde akut betroffene Betriebe rasch entlasten und für die dringend notwendige Planungssicherheit sorgen.
Die Minister:innen diskutierten auch die allgemeine Funktionsweise des europäischen Strommarktes. Ziel ist, den Markt fit für die Krisensituation zu machen und gleichzeitig auf den künftigen Energiemix vorzubereiten. Dieser wird kohlenstoffarm sein und sich stärker auf erneuerbare Energiequellen stützen.
Ansprechpartner: Paul Ploberger
Kurz & bündig
Europäische Kommission gibt Startschuss für das Europäische Jahr der Kompetenzen 2023
Mehr Investitionen in die Aus- und Weiterbildung, Erwerb von arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen, Anwerbung von Drittstaatsangehörigen: Die Europäische Kommission will mit dem Europäischen Jahr der Kompetenzen 2023 dem Fachkräftemangel in Europa den Kampf ansagen. Drei Viertel der Unternehmen in der EU berichten über Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften und nur 37 Prozent der Erwachsenen bilden sich regelmäßig weiter. Vier von zehn Erwachsenen und jede dritte Arbeitskraft in Europa verfügen nicht über die grundlegenden digitalen Kompetenzen. Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Impulsgeber und Treiber für den heimischen Wirtschaftsstandort. Mitarbeiter:innen mit diesen und weiteren Skills werden daher dringend gesucht.
Mitgliedstaaten vereinbaren vorübergehende Aussetzung der Zeitnischenregeln auf EU-Flughäfen
Eine Aussetzung der Zeitnischenvorschriften auf den EU-Flughäfen soll dem Luftverkehr helfen, sich an die Auswirkungen der multiplen Krisen anzupassen. Die Einigung der EU-Staaten sieht befristete Maßnahmen vor. Der Luftverkehr kehrt langsam wieder zum Volumen vor der Pandemie zurück. Mit dieser neuen Verordnung soll eine schrittweise Rückkehr zur Normalität entsprechend diesem Trend sichergestellt werden. Sie soll Flughäfen und Luftfahrtunternehmen mehr Planungssicherheit bieten, die Vernetzung in ganz Europa verbessern und das Fliegen generell erleichtern.
Jobs+Jobs+Jobs
IHI sucht Financial Officer
Das Gemeinsame Unternehmen „Innovative Health Initiative“ (IHI) mit Sitz in Brüssel sucht:
- Financial Officer (m/w)
Temporary Agent, Grade: AD 5, Reference: IHI/2022/TA/001, Deadline for applications: 14/11/2022
Weitere Informationen sind online abrufbar.
EU-Agenda
Sitzung der Europäischen Kommission
18. Oktober
- Arbeitsprogramm 2023
Plenum des Europäischen Parlaments
17. Oktober
- Klimaschutzkonferenz 2022 der Vereinten Nationen (COP27) in Scharm El-Scheich (Ägypten)
- Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe
- Leitlinien für die beschäftigungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten
18. Oktober
- Geistige Gesundheit
- Der Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum Schengen-Raum
- Arbeitsprogramm der Kommission für 2023
Ausgewählte Ausschüsse des Europäischen Parlaments
17. Oktober – Ausschuss für konstitutionelle Fragen
- Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses (EU, Euratom) 2020/2053 über das System der Eigenmittel der Europäischen Union
- Umsetzung der Gemeinsamen:
- Außen- und Sicherheitspolitik - Jahresbericht 2022
- Sicherheits- und Verteidigungspolitik - Jahresbericht 2022
Ausgewählte Tagungen des Rates
17. Oktober
- Rat „Auswärtige Angelegenheiten“
- Russische Aggression gegen die Ukraine
- China
17./18. Oktober
- Rat „Landwirtschaft und Fischerei“
- Handelsbezogene landwirtschaftliche Fragen
18. Oktober
- Rat „Allgemeine Angelegenheiten“
- Schlussfolgerungen zur Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 20. und 21. Oktober 2022
- Folgemaßnahmen zur Konferenz über die Zukunft Europas: Zeitplan für die Unterbreitung der Vorschläge des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 48(2) EUV
- Rechtsstaatlichkeit in Polen/Artikel 7 Absatz 1 EUV Begründeter Vorschlag, Stand der Dinge
19. Oktober
20./21. Oktober
- Europäischer Rat
- Ukraine
- Energie
- Fragen der Wirtschaft
- Außenbeziehungen
- Informelle Ministertagung „Verkehr“
Ausgewählte Fälle des Europäischen Gerichtshofes
Donnerstag, 20. Oktober 2022
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C111/21 Laudamotion
Haften Fluglinien auch für psychische Unfallfolgen?
Der österreichische Oberste Gerichtshof möchte vom EuGH wissen, ob eine durch einen Unfall verursachte psychische Beeinträchtigung eines Reisenden, die Krankheitswert erreicht, eine „Körperverletzung“ im Sinne des Übereinkommens von Montreal ist, für die die Fluglinie womöglich haftet.
Generalanwalt Richard de la Tour hat in seinen Schlussanträgen vom 24. März 2022 die Ansicht vertreten, dass der Begriff „körperlich verletzt“ unabhängig vom Vorliegen einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit eines Reisenden eine infolge eines Unfalls erlittene Beeinträchtigung seiner psychischen Unversehrtheit umfasst, wenn sie durch ein ärztliches Gutachten festgestellt wird und eine medizinische Behandlung erfordert.
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑77/21 Digi
Speicherung von Kundendaten in zusätzlicher Datenbank wegen Serverstörung
Das ungarische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, unter welchen Bedingungen ein Internet- und TV-Anbieter die rechtmäßig erhobenen und bereits gespeicherten personenbezogenen Daten seiner Kunden auf einem zusätzlichen internen Datenträger ohne deren ausdrückliche Einwilligung, aber zur Überbrückung einer technischen Störung speichern darf.
Generalanwalt Pikamäe hat in seinen Schlussanträgen vom 31. März 2022 u.a. die Ansicht vertreten, dass der in der Datenschutzgrundverordnung verankerte Grundsatz der Speicherbegrenzung der Speicherung der personenbezogenen Daten in der zusätzlichen Datenbank über den zur Fehlerbeseitigung erforderlichen Zeitraum hinaus entgegenstehe.
Ausgewählte laufende Konsultationen
Lebensmittelsicherheit
- Überarbeitung der EU-Vorschriften für Lebensmittelkontaktmaterial
05.10.2022 – 11.01.2023
Statistiken
- Zukunftsvorbereitungen im Europäischen Statistischen System
19.07.2022 – 25.10.2022
Binnenmarkt
- Energieverbrauchskennzeichnungen – Europäische Kommission prüft Notwendigkeit neuer Vorschriften über die Umweltauswirkungen von Photovoltaik
23.09.2022 – 16.12.2022 - Europäisches Gesetz über kritische Rohstoffe
30.09.2022 – 25.11.2022 - Ökodesign - Europäische Kommission prüft Notwendigkeit neuer Vorschriften über die Umweltauswirkungen von Photovoltaik
23.09.2022 – 16.12.2022 - Binnenmarkt – Vorschlag für eine Gesetzgebungsinitiative zu grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Vereinen
05.08.2022 – 28.10.2022
Wettbewerb
- Vorschriften für die beihilferechtliche Würdigung staatlicher Darlehensgarantien – Bewertung
29.08.2022 – 21.11.2022
Verbraucherschutz
- Verbraucherrechte – Anpassung der außergerichtlichen Streitbeilegung an digitale Märkte
28.09.2022 – 21.12.2022 - Verbraucherschutz – verstärkte Zusammenarbeit bei der Durchsetzung
28.09.2022 – 21.12.2022
Verkehr
- Reisen – besserer Schutz für Reisende und ihre Rechte
14.09.2022 – 07.12.2022 - Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der EU – Überprüfung der Vorschriften
29.08.2022 – 21.11.2022 - Binnenschifffahrtsinformationsdienste – Überarbeitung der EU-Vorschriften
16.08.2022 – 22.11.2022 - Zählung der verkehrsbedingten Emissionen – „CountEmissions EU“
25.07.2022 – 17.10.2022
Umwelt
- Wälder in der EU – neuer EU-Rahmen für die Waldüberwachung und Strategiepläne
25.08.2022 – 17.11.2022 - Bodengesundheit – Schutz, nachhaltige Bewirtschaftung und Wiederherstellung von Böden in der EU
01.08.2022 – 24.10.2022
REDAKTION:
Franziska Annerl, Franziska.Annerl@eu.austria.be, EU Representation der WKÖ
Wenn Sie das EU-Wirtschaftspanorama regelmäßig zugeschickt bekommen wollen oder sich vom Verteiler streichen lassen möchten, mailen Sie an: eu@eu.austria.be
MEDIENINHABER:
Wirtschaftskammer Österreich, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien
Offenlegung nach § 25 Mediengesetz/Copyright/Haftung