Begünstigte behinderte Arbeitnehmer: Arbeitgeberkündigung
Alte Rechtslage - neue Rechtslage - nachträgliche Zustimmung zur Kündigung - Kündigungsgründe
Ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem begünstigt behinderten Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice erfolgen kann, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Ein Kriterium ist, ob das Arbeitsverhältnis mit einem begünstigt behinderten Arbeitnehmer bis zum 31.12.2010 oder ab dem 1.1.2011 abgeschlossen wurde.
Rechtslage für bis zum 31.12.2010 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse
Wurde das Arbeitsverhältnis vor dem 1.1.2011 begründet, so ist die Kündigung eines begünstigt behinderten Arbeitnehmers nur nach Zustimmung des Behindertenausschusses möglich.
Rechtslage für seit dem 1.1.2011 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse
Die Zustimmung des Behindertenausschusses ist nicht erforderlich, wenn
- zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Behinderteneigenschaft bereits festgestellt ist und der Ausspruch der Kündigung innerhalb der ersten vier Jahre des Arbeitsverhältnisses erfolgt oder
- die Behinderteneigenschaft des Arbeitnehmers nach Beginn des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird und der Ausspruch der Kündigung während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses erfolgt
Beispiel 1:
Beginn des Arbeitsverhältnisses: 01.06.2019
Ausspruch der Kündigung: 05.03.2023
War bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Behinderteneigenschaft festgestellt, so kann der Ausspruch der Kündigung ohne Zustimmung des Behindertenausschusses erfolgen, da sie innerhalb der ersten 4 Jahre erfolgte.
Die Zustimmung des Behindertenausschusses ist erforderlich, wenn
- die Behinderteneigenschaft innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses wegen eines Arbeitsunfalls festgestellt wird oder
- die Behinderteneigenschaft des Arbeitnehmers nach Ablauf von sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird.
Beispiel 2:
Beginn des Arbeitsverhältnisses: 01.04.2023
Ausspruch der Kündigung: 05.08.2023
Antrag auf Feststellung der Behinderteneigenschaft: 04.06.2023
Der Ausspruch der Kündigung ist, auch ohne Zustimmung des Behindertenausschusses, rechtswirksam, da er innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses erfolgte.
Wird die Kündigung beispielsweise erst am 05.12.2023 ausgesprochen, ist diese rechtsunwirksam, da nach 6 Monaten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Behindertenausschusses hätte eingeholt werden müssen.
Bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Konzerns sind die Zeiten im anderen Unternehmen mitzuberücksichtigen!
Vorsicht!
Es sind die „Feststellung der Begünstigteneigenschaft“ und das „Wirksamwerden der Begünstigung“ voneinander zu unterscheiden.
Festgestellt wird die Begünstigteneigenschaft mittels rechtskräftigen Bescheid. Wirksam wird die Begünstigung jedoch (rückwirkend) mit dem Tag des Einlangens des Antrags beim Sozialministeriumservice. Wird der Antrag unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung gestellt ist die Begünstigung schon ab dem Monatsersten wirksam.
Zusammenfassend bedeutet dies für einen von einer Behinderung betroffenen Arbeitnehmer:
- Wird die Feststellung der Begünstigteneigenschaft vor Beginn des Arbeitsverhältnisses beantragt, diese erst nach Arbeitsantritt festgestellt, besteht der Bestandsschutz ab dem siebten Monat.
- Es besteht kein besonderer Kündigungsschutz, wenn eine Kündigung, nach Antragstellung, innerhalb der ersten vier Arbeitsjahre erfolgt, die Begünstigteneigenschaft aber erst im fünften Arbeitsjahr festgestellt wird.
Nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung?
Nur in Ausnahmefällen erteilt der Behindertenausschuss nachträglich die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung. Ein solcher Ausnahmefall ist dann gegeben, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Arbeitnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehört.
Vorsicht!
Die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung kann aber nicht erteilt werden, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Kündigungsgründe
Der Behindertenausschuss hat bei seiner Entscheidung die besondere Schutzbedürftigkeit des begünstigt behinderten Arbeitnehmers zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob dem Arbeitnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.
Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber insbesondere nicht zugemutet werden können bei:
- Wegfall des ursprünglichen Tätigkeitsbereiches des Behinderten und Nachweis, dass keine Weiterbeschäftigung an einem anderen vom Behinderten akzeptierten Arbeitsplatz möglich ist,
- Arbeitsunfähigkeit des Behinderten und Fehlen eines vom Behinderten akzeptierten Ersatzarbeitsplatzes,
- beharrlicher Pflichtenverletzung, wenn der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.