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Lohn- und Sozialdumping – Welche Regelungen gelten für den inländischen Arbeitgeber?

Lesedauer: 8 Minuten

Seit 1.5.2011 wird die Einhaltung des „Grundlohns“ bei allen Arbeitnehmern (AN), die in Österreich tätig werden, geprüft. Diese Bestimmungen gelten sowohl für österreichische Arbeitgeber (AG) als auch solche aus dem EWR, die ihr Personal nach Österreich entsenden. Die Bestimmungen sind mit 1.1.2015 verschärft worden, weil seither nicht bloß die Bezahlung des Grundlohns, sondern des gesamten Mindestentgelts geprüft wird.

Was ist Lohn- und Sozialdumping? 

Die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers wurden weder durch die Einführung der Grundlohnkontrolle („Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz“, LSDB-G) noch durch die Ausweitung auf die Kontrolle aller Entgeltbestandteile („Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 2014“) geregelt. Die Ansprüche auf das Mindestentgelt ergeben sich – wie bisher – aus folgenden Rechtsquellen: 

  • Gesetz
  • Verordnung
  • Kollektivvertrag

Die für die Praxis mit Abstand wichtigste Rechtsquelle zur Regelung eines Entgeltanspruchs ist der Kollektivvertrag. Die Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung möchte sicherstellen, dass kein Arbeitnehmer ein geringeres Entgelt als jenes, das sich aus dem Kollektivvertrag ergibt, erhält.


Vorsicht!
Lohn- und Sozialdumping ist strafbar. Seit 1. 1. 2015 ist darunter jede (dh auch eine betragsmäßig geringe) Unterschreitung des Entgelts nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zu verstehen.


Die Prüfung des Lohn- und Sozialdumpings erfolgt in folgenden zwei Schritten: 

  1. Feststellung des Entgeltanspruchs, der sich aus Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag ergibt.
  2. Ermittlung jenes Betrags, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer tatsächlich bezahlt hat.

Lohn- und Sozialdumping liegt vor, wenn das tatsächliche bezahlte Entgelt das Mindestentgelt unterschreitet, oder um es mit den beiden genannten Prüfschritten auszudrücken: Der im hier zweiten Prüfschritt festgestellte Betrag, also das tatsächlich bezahlte Entgelt, muss mindestens den hier im ersten Prüfschritt ermittelten Betrag, den Mindestentgeltanspruch aus Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag, erreichen. Der Vergleich dieser beiden Beträge erfolgt auf Basis des Bruttoentgelts!


Vorsicht!
Die Kontrolle erfolgt anhand jenes Kollektivvertrags, der kraft Gesetzes anzuwenden ist. Wendet ein Arbeitgeber, der keinem Kollektivvertrag unterliegt, „freiwillig“ einen Kollektivvertrag an (darunter sind auch jene Fälle zu verstehen, in denen die Anwendung des Kollektivvertrags vertraglich vereinbart wurde), unterliegt er nicht der Mindestentgeltkontrolle. 

Allerdings muss der Arbeitgeber beachten, dass er durch die Vereinbarung eines Kollektivvertrags nicht einen anderen, gesetzlich anzuwendenden Kollektivvertrag beseitigt. Probleme entstehen daraus freilich nur dann, wenn der verdrängte Kollektivvertrag ein höheres Entgelt vorsieht.


Welche Entgeltbestandteile zählen zum „Mindestentgelt“? 

Zum Mindestentgelt zählen alle Entgeltbestandteile mit Ausnahme der sv-beitragsfreien Leistungen des Arbeitgebers, die nicht als Entgelt zu werten sind, wie Aufwandsersatz, zählen nicht zum Mindestentgelt. 

Zum Mindestentgelt zählen (jeweils nur soweit in einem Kollektivvertrag vorgesehen): 

  • Lohn / Gehalt
  • Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, soweit sie nicht beitragsfrei sind.
  • Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit.
  • Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld).
  • Wegzeitvergütungen.
  • Jubiläumsgelder (seit 1.1.2016 nicht mehr beitragsfrei!).

Zum Mindestentgelt zählen nicht

  • Dienstreisevergütungen, Diäten etc (das ist aber nur hinsichtlich der beitragsfreien Bestandteile unumstritten; bei pflichtigen Bestandteilen – das sind jene, die 26,40 € überschreiten – wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass dieser Teil zum Mindestentgelt zählt).
  • Schmutzzulagen, soweit sie beitragsfrei sind.
  • Fehlgeldentschädigungen.
  • Werkzeuggelder.
  • Abfertigungen (einschließlich Beiträge nach dem BMSVG).

Vorsicht!
Gelegentlich wird behauptet, dass jede Nachforderung im Zuge einer GPLA-Prüfung automatisch zu einer Anzeige wegen Lohn- und Sozialdumping führen muss. Diese Ansicht ist jedoch unrichtig! 

Die GPLA-Prüfung erfolgt hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge nach dem „Anspruchsprinzip“, was bedeutet, dass auch Entgeltbestandteile, deren Rechtsanspruch auf einem Arbeitsvertrag beruht und die das kollektivvertragliche Mindestniveau übersteigen, zu berücksichtigen sind. Die Mindestentgeltkontrolle erfolgt jedoch nach niedrigeren Parametern. Das bedeutet, dass eine Prüfung zwar zum Ergebnis kommen kann, dass der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge im Nachhinein entrichten muss, aber trotzdem kein Lohn- und Sozialdumping vorliegt.


Was wird verglichen? 

Der Mindestentgeltanspruch ist mit dem tatsächlich bezahlten Entgelt eines Lohnzahlungszeitraums (das ist in aller Regel der Kalendermonat) zu vergleichen. Bei den tatsächlich bezahlten Entgeltbestandteilen sind alle zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie über das Niveau, das der Kollektivvertrag verlangt, hinaus bezahlt werden. 


Beispiel: 
Der Arbeitgeber A beschäftigt den Arbeitnehmer X. Aus dem Kollektivvertrag und der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers X ergibt sich für ein bestimmtes Monat folgender Entgeltanspruch: 

  • Lohn 2.000 €
  • Zulagen 200 €

Tatsächlich bezahlt der Arbeitgeber A dem Arbeitnehmer X einen Betrag von 2.250 €, der in der Lohnabrechnung wie folgt gewidmet ist: 

  • Lohn 2.000 €
  • Prämie 250 €

Obwohl A hier keine Zulagen bezahlt, liegt kein Fall von Unterentlohnung vor, weil ein Vergleich der Summen ohne Berücksichtigung der Widmung erfolgt (solange es sich nicht um Aufwandsersatz handelt). 

Auch ist die Frage, ob eine solch Vorgangsweise arbeitsrechtlich halten würde, ohne Bedeutung. Das bedeutet, nach den hier vorliegenden Angaben könnte X in einem Arbeitsgerichtsverfahren wahrscheinlich mehr zugesprochen bekommen. Der Arbeitgeber A ist aber nicht wegen Unterentlohnung strafbar, weil X „unter dem Strich“ mehr bekommt, als ihm nach Kollektivvertrag zustehen würde.



Vorsicht!
Überzahlungen des kollektivvertraglichen Mindestlohns schützen aber nur dann vor Bestrafungen, wenn das Ausmaß der Überzahlung ausreicht, um nicht bezahlte kollektivvertragliche Entgeltbestandteile auszugleichen. 

Da Kollektivverträge üblicherweise einen Rechtsanspruch in Geld normieren, können Naturalleistungen in aller Regel nicht mit kollektivvertraglichen Ansprüchen „gegengerechnet“ werden.


Tipp! 

Überprüfen Sie regelmäßig die Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer, insbesondere, ob die Einstufung in ein kollektivvertragliches Entgeltschema noch aktuell ist. Auch bei Überstundenpauschalen sollte am Ende des Durchrechnungszeitraums von einem Jahr geprüft werden, ob damit alle tatsächlich geleisteten Überstunden abgegolten worden sind. 

Wer führt die Kontrolle durch? 

Für die Kontrolle des Lohn- und Sozialdumpings gibt es bei Sozialversicherung im Inland keine eigene Kontrolle (anders bei Entsendungen aus dem Ausland); die Kontrolle erfolgt vielmehr im Zuge der GPLA-Prüfung (gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben).


Vorsicht!
In der Bauwirtschaft führt auch die BUAK entsprechende Kontrollen durch.


Welche Rechtsfolgen drohen bei einer Unterentlohnung? 

Die seit Jahrzehnten „drohende“ Rechtsfolge der Unterentlohnung ist eine Klage des Arbeitnehmers beim Arbeitsgericht auf Zahlung der Entgeltdifferenz. Auch die GKK kann infolge des Anspruchsprinzips nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge einfordern. Diese Rechtsfolgen sind durch die gesetzlichen Änderungen zum Lohn- und Sozialdumping in keiner Weise geändert worden. 

Die wichtigste der neuen Rechtsfolgen ist die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe (§ 7i Abs 5 AVRAG), wobei die Strafsätze exorbitant hoch sind.

Erstmalige Begehung

Wiederholungsfall

bis inkl. drei betroffene Arbeitnehmer

1.000-10.000 €

2.000-20.000 €

ab vier oder mehr betroffenen Arbeitnehmern

2.000-20.000 €

4.000-50.000 €


Dabei ist zu beachten, dass der Strafsatz je unterentlohntem Arbeitnehmer verhängt werden kann. 

Die Unterentlohnung eines Arbeitnehmers wird jedoch als fortgesetztes Delikt gesehen und ist daher zwar je Arbeitnehmer strafbar, kumuliert aber nicht bei längerer Unterentlohnung.


Beispiel:
Ein Arbeitgeber bezahlt einem Arbeitnehmer infolge einer falschen Einstufung im kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppenschema ein ganzes Jahr lang ein zu niedriges Gehalt. Das Delikt der Unterentlohnung wird hier nur einmal begangen und nicht jeden Monat neu, sodass der Strafsatz auch nur einmal verhängt werden kann. Die regelmäßige Unterentlohnung hat allerdings für die Verjährung Bedeutung.


Die Bestrafungen werden zentral von der Wiener Gebietskrankenkasse (Kompetenzzentrum Lohn- und Sozialdumping, kurz „CC-LSDB“) in einer Evidenz geführt. In diesem Zusammenhang müssen Unternehmen, die sich bei öffentlichen Auftragsvergaben bewerben, besondere Vorsicht an den Tag legen, da Bestrafungen wegen Unterentlohnung den Ausschluss aus Vergabeverfahren nach sich ziehen können. 

  • Ist in der LSDB-Evidenz nur eine Bestrafung vermerkt, hat diese bei der Auskunft nicht berücksichtigt zu werden.
  • Sind in der LSDB-Evidenz zwei Bestrafungen vermerkt, hat eine Berücksichtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem beide Bestrafungen nicht älter als ein Jahr sind (dh, sind beide älter als ein Jahr, werden sie nicht mehr berücksichtigt).
  • Sind in der LSDB-Evidenz drei oder mehr Bestrafungen vermerkt, hat eine Berücksichtigung nur zu erfolgen, wenn die jüngste Bestrafung nicht älter als zwei Jahre ist.

Das gilt nicht nur für den Bieter selbst, sondern auch für alle im Vergabeverfahren zu nennenden Subunternehmer! 

Bieter, die nach diesen Bestimmungen auszuscheiden wären, können allerdings mit Reorganisationsmaßnahmen die Zuverlässigkeit wiederherstellen (§ 73 BVergG 2006). Ein Beispiel dafür wäre der Austausch des zuständigen Geschäftsführers. 

Welche Rolle spielt das Verschulden? 

Das Verschulden ist zwar Voraussetzung für die Strafbarkeit, zumindest Fahrlässigkeit wird aber immer vermutet, sodass die bloße Unterschreitung des Entgelts meist für die Strafbarkeit reicht. Nur in wenigen Fällen wird die Behörde mangels Verschulden von der Anzeige bzw. Strafe absehen, etwa wenn die Unterentlohnung nachweislich auf einer Auskunft von Kammern oder Gebietskrankenkassen, auf einem Urteil eines Höchstgerichts oder einer Vollzugspraxis der Behörden beruht.

Es gibt allerdings zwei weitere Möglichkeiten, die der Arbeitgeber in dieser Situation nutzen kann: Zum einen kann er das nicht entrichtete Entgelt nachträglich entrichten (dazu näher die nächste Frage), er kann aber auch bei strittigen Fragen die Einholung eines Gutachtens der Kollektivvertragsparteien anregen. Diesem gemeinsamen Gutachten beider Kollektivvertragsparteien gibt der Gesetzgeber insofern Vorrang, als deren Auslegung auch für die Behörde bindend ist. 

Die Unterentlohnung ist passiert. Was kann man tun, um diese Rechtsfolgen abzuwenden? 

In diesem Fall gibt es nur eine Empfehlung – das fehlende Entgelt sobald als möglich zu bezahlen. Bezahlt der Arbeitgeber die Entgeltdifferenz, so wirkt dies in manchen Fällen strafbefreiend, jedenfalls aber strafmildernd. 

Wichtigster Anknüpfungspunkt für die Nachzahlung ist die Frage, ob sie vor oder nach einer Kontrolle erfolgt, wobei unter Kontrolle nur die Prüfung der Entgeltunterlagen durch den GPLA-Prüfer (im Bereich der Bauwirtschaft auch durch die BUAK) zu verstehen ist. Nachzahlungen, die nach Intervention des Betriebsrats, der Arbeiterkammer oder einer Reklamation durch den Arbeitnehmer selbst erfolgen, sind eine Nachzahlung vor der Kontrolle. 

Nachzahlungen vor der Kontrolle führen stets zur Straffreiheit und zwar unabhängig vom Ausmaß der betroffenen Arbeitnehmer oder von der Höhe der Entgeltunterschreitung.

Tipp! 

Das Gesetz verlangt zwar keine ausdrückliche Widmung solcher Zahlungen, doch ist unklar, wie die Gerichte diese Bestimmung genau auslegen werden. Es empfiehlt sich daher bei Zahlungen, die der Arbeitgeber auch aus einem anderen Grund leistet (zB Zahlung von Jahresboni, freiwilliges Jubiläumsgeld), darauf hinzuweisen, dass diese Zahlung allenfalls auf das Mindestentgelt anzurechnen ist. 

Das hat überdies zur Folge, dass verspätete Zahlungen faktisch unbeachtlich sind. Zwar hat der Arbeitgeber mit der Fälligkeit den Tatbestand des Lohn- und Sozialdumpings erfüllt, doch führt die vollständige Nachzahlung zur völligen Straffreiheit, sodass der Arbeitgeber insgesamt bei einer bloß verspäteten Zahlung straffrei bleibt. 

Nachzahlungen nach der Kontrolle führen nur dann zur Straffreiheit, wenn der unterschrittene Betrag entweder 10% nicht übersteigt oder (!) den Arbeitgeber ein bloß geringes Verschulden trifft. Kommt der Arbeitgeber seiner Erkundigungspflicht nach handelt er grundsätzlich nicht schuldhaft. Übersteigt das Unterzahlungsausmaß jedoch die 10%-Grenze nicht, ist die Frage des Verschuldens nicht zu prüfen. 

Wer ist Adressat des Strafbescheids? 

Die Strafandrohung richtet sich gegen den arbeitsrechtlichen Arbeitgeber. Anderer Personen, die zum Teil ausgewählte Arbeitgeberpflichten treffen (z.B. Beschäftiger eines überlassenen Arbeitnehmers) sind davon nicht betroffen. 

Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, so richtet sich die Strafandrohung gegen die nach außen vertretungsbefugten Organe, z.B. gegen alle handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GmbH.

Tipp! 

Für diesen Fall empfiehlt sich die Bestellung eines Verantwortlichen Beauftragten, weil bei mehreren außenvertretungsbefugten Personen gegen jede der Strafsatz separat verhängt werden kann. Gibt es einen Verantwortlichen Beauftragten, so kann nur dieser bestraft werden. 

Verjährung 

Die Verjährung kann nach den besonderen Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) als auch nach den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) eintreten. Dabei genügt es, wenn die Handlung bereits nach einer der beiden Bestimmungen verjährt ist. 

Nach den besonderen Verjährungsbestimmungen des AVRAG beginn die Verjährung mit der Fälligkeit des Entgelts zu laufen. Die Frist beträgt in diesem Fall drei Jahre. 


Beispiel:
Ein Arbeitgeber bezahlt einem Arbeitnehmer infolge einer falschen Einstufung im kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppenschema ein zu niedriges Gehalt. Im Zuge einer internen Überprüfung stellt er den Fehler fest, stuft den Arbeitnehmer aber erst mit dem Folgemonat in die höhere Beschäftigungsgruppe um. 

Hier beginnt die Verjährung mit der Umstufung zu laufen. Wird sie erst drei Jahre danach festgestellt, ist die Unterentlohnung bereits verjährt.



Stand: 01.02.2016