Panoramablick auf Casablanca, der Turm der Hassan II Moschee ragt hervor, unter blauem Himmel am Meer gelegen.
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Marokko: Recht, Steuern, Investitionen

Von Entsendung bis Firmengründung: Lokales Fachwissen – unbürokratisch und verlässlich

Lesedauer: 9 Minuten

Beratung in Rechtsfragen

Andere Länder, andere Regeln: Bei Export, Import und Firmengründung müssen lokale Gesetze beachtet werden. Damit Sie nicht in teure Verfahren verwickelt werden, gilt: Besser vorher abklären, was die Spielregeln sind.

Für eine fachliche Erstberatung ist das AußenwirtschaftsCenter Casablanca die richtige Adresse. Wenn rechtsanwaltliche Expertise gefragt ist, vermitteln wir vertrauenswürdige Kanzleien aus unserem lokalen Netzwerk. 

Sie wollen eine Niederlassung gründen? Rechtsform, Standortwahl, Steuern, Arbeitsrecht, Entsendung von Personal, Versicherungen, Finanzierungen – wir bereiten Sie vor und helfen Ihnen durch.

Dazu gibt es Startgeld für Mutige: Das Förderprogramm go-international erleichtert Ihnen Markteintritt, Marktbearbeitung und die Gründung einer Niederlassung im Ausland und ist Teil der Internationalisierungsoffensive des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft und der Wirtschaftskammer Österreich. 

Recht und Steuern in Marokko 

Marokko ist für österreichische Exportunternehmen ein kleiner aber durchaus interessanter Markt. Die kulturellen Unterschiede manifestieren sich auch im Bereich Zahlungswesen und rechtlicher Handhabe von Forderungen. Insofern können die vertrauten österreichischen Standards nicht eins zu eins umgesetzt werden. Viele Bereiche weisen nach wie vor große Gesetzeslücken auf, weshalb sich marokkanische Gerichte bei fehlendem Regelwerk in Auslegungen und Interpretationen oft an die französische Rechtsprechung anlehnen. 

Arbeitsrecht und Entsendung

Das marokkanische Arbeitsrecht ist im Wesentlichen im Code du Travail ( loi n° 65-99) geregelt.

Arbeitsverträge können befristet, unbefristet oder für die Dauer von bestimmten Projekten abgeschlossen werden. Befristete Verträge sind nur bei sachlichen Gründen zulässig (z.B. Saisonarbeit, vorübergehend erhöhtes Arbeitsaufkommen). Die Vereinbarung einer Probezeit ist möglich. Diese darf im Falle eines unbefristeten Arbeitsvertrags für Führungskräfte nicht mehr als drei Monate und für Angestellte nicht mehr als sechs Wochen betragen, wobei eine einmalige Verlängerung um den gleichen Zeitraum zulässig ist. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 44 Stunden, außer in der Landwirtschaft, wo die wöchentliche Stundenzahl je nach Jahreszeit und Bedarf festgelegt wird. Kündigungen sind aus verhaltensbedingten (z.B. Beleidigungen, Drogenkonsum, unentschuldigte Abwesenheit) oder betriebsbedingten Gründen möglich. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung haben Arbeitehmer Anspruch auf eine Abfindung.

Grundsätzlich ist es österreichischen Staatsangehörigen gestattet, in Marokko zu arbeiten. Mit einem gültigen Reisepass könnnen EU-Staatsbürger:innen maximal drei Monate im marokkanischen Hoheitsgebiet bleiben. Nach diesem Zeitraum benötigt man eine Aufenthaltsgenehmigung. Ist im Vorhinein abzusehen, dass man länger als drei Monate in Marokko bleiben wird, um dort zu arbeiten, sollte innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft bei der örtlichen Polizeibehörde (Préfecture de Police) der Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung eingeleitet werden. Die Aufenthaltserlaubnis ist für alle weiteren administrativen Schritte in Marokko notwendig. Dazu zählen Eröffnung eines Bankkontos, Fahrzeugregistrierung oder Telefonabonnements.

In jedem Fall müssen ausländische Arbeitnehmer:innen für eine Arbeitsbewilligung in Marokko in einem Vertragsverhältnis mit einer marokkanischen Einrichtung stehen - unabhängig davon, ob es sich um einen Ortvertrag oder um eine Entsendung aus Österreich handelt. Hierfür muss ein speziell für Ausländer:innen konzipierter Arbeitsvertrag (contract de travail d’étranger) abgeschlossen und bei den Behörden zum Erhalt der Arbeitserlaubnis vorgelegt werden.

Werden ausländische Arbeitnehmer:innen von einem in Marokko ansässigen Unternehmen eingestellt, müssen eine Reihe von Unterlagen vorgelegt werden. Die Besonderheit hierbei ist, dass auch ein Zertifikat vorlegt werden muss, das das Fehlen nationaler Kandidat:innen für die Besetzung der angebotene Stelle bestätigt, von einigen Ausnahmen abgesehen. Dieses Zertifikat wird von der Nationalen Agentur zur Förderung der Beschäftigung und Qualifikationen (ANAPEC) ausgestellt und unterliegt einer bestimmten Beantragungsprozedur. 

Werden Arbeitnehmer:innen eines österreichischen Unternehmens für maximal sechs Monate nach Marokko entsandt, muss auch ein Arbeitsvertrag für Ausländer:innen vorgelegt werden. Allerdings entfällt hier die ANAPEC-Prozedur, da dieses Zertifikat nur bei lokalen Ortverträgen notwendig ist. Außerdem besetzen entsandte Mitarbeiter:innen meist verantwortungsvolle Positionen, die ohnehin von der ANAPEC-Prozedur ausgenommen sind. In der Praxis haben entsandte Mitarbeiter:innen meist zwei Arbeitsverträge: einen Arbeitsvertrag mit der österreichischen Muttergesellschaft sowie einen marokkanischen Ausländervertrag mit dem lokalen Partnerunternehmen, der zur Arbeitserlaubnis und zur Aufenthaltsbewilligung notwendig ist. 

Auch kurzfristige Montagearbeiten gelten als Entsendung. Das bedeutet auch, dass ausländische Montagearbeiter:innen mit einem Arbeitsverhältnis in Österreich für maximal sechs Monate nach Marokko entsandt werden dürfen.

Es besteht kein Sozialversicherungsabkommen mit Österreich. 

Weitere Informationen zum Thema Arbeitsrecht und Mitarbeiterentsendung erhalten Sie beim AußenwirtschaftsCenter Casablanca

Steuerliche Rahmenbedingungen

In Marokko wird das Steuerrecht nach französischem Vorbild durch jährliche Haushaltsgesetze (Loi de Finances) definiert. Die wichtigsten Steuerrechtsbereiche wie Körperschaftssteuer (10 % - 37 %), Einkommenssteuer (0 % - 38 %) und Mehrwertsteuer (Regelsatz 20 %) sind im Code Général des Impôts (CGI) geregelt.

Für Dienstleistungen, die von ausländischen "nicht in Marokko ansässigen" Firmen für "in Marokko ansässige Firmen" (oder die ihre Aktivitäten in Marokko ausüben), erbracht werden, wird eine Quellsteuer von 10% eingehoben. Diese 10%-ige Quellsteuer befreit von allen anderen Steuern. Die Quellsteuer wird vom Auftraggeber in Marokko direkt abgeführt. Es besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und Marokko: der in Marokko abgeführte Betrag kann beim österreichischen Finanzministerium geltend gemacht werden.

Doppelbesteuerungsabkommen

Österreich hat mit zahlreichen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Diese verhindern eine doppelte Besteuerung bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. Das Bundesministerium für Finanzen stellt wichtige Informationen sowie eine Liste aller österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen zur Verfügung. 

Firmengründung und Investition 

Entsprechend der gesetzten Aufgaben und Ziele einer geschäftlichen Aktivität in Marokko bieten sich verschiedenste rechtlichen Formen an: Unterschieden werden etwa die bloße Geschäftstransaktion ohne rechtliche Präsenz in Marokko, eine Betriebsstätte, eine Repräsentanz oder ein eigener Rechtsträger nach marokkanischem Recht.

Die in den 1990er-Jahren erfolgten großen strukturellen Reformen haben eine Homogenisierung der Gesetzgebung mit sich gebracht. Drei Gesetztestexte regeln im Großen und Ganzen die unterschiedlichen Gesellschaftsformen Marokkos: Das Handelsgesetz, das Gesetz über die Aktiengesellschaft und das Gesetz über die anderen Gesellschaftsformen. 

Positive Faktoren einer Unternehmensgründung in Marokko:

  • Gute Anbindung an Europa, Tor und Hub nach Westafrika, Drehscheibe für Handel
  • EU- Assoziierungsabkommen (statut avancé), Zollabbau, Zollfreizonen
  • Staatliche Investitionen: Infrastruktur, Bildung, Gesundheit
  • Politische Stabilität, milder Arabischer Frühling
  • Modernisierung und Nachholbedarf
  • Geringe Lohnkosten, geringer Urlaubsanspruch und Fehlzeiten von Arbeitern
  • 44-Stunden-Woche, viele billige Arbeitskräfte, zum Teil auch gut qualifiziert
  • Hohe Wirtschaftsfreiheit für Unternehmen
  • Gute Verkehrsinfrastruktur
  • Ausbau der verarbeitenden Industrie, IKT, Offshoring
  • Große Unternehmen (beispielsweise Tanger Med, Renault) locken Investoren

Herausforderungen bei einer Firmengründung in Marokko:

  • Einseitige Ausrichtung der Wirtschaft, der nationale Markt ist relativ klein und kaufkraftschwach
  • Anbindung an den deutschsprachigen Raum ist noch nicht ausreichend
  • Hohe Arbeitslosen-, Armuts- und Analphabetenrate und Ausbildungsprobleme
  • Abhängigkeit von Konjunkturentwicklung in Europa
  • Abhängigkeit von Energieimporten und volatiler Einkommen (Landwirtschaft, Tourismus)
  • Wettbewerbsdruck aus Asien und Türkei
  • Schwerfällige Bürokratie, schwierige Durchsetzung von Rechtsansprüchen mangels effizienter Rechtsprechung

Investitionsschutz

Über 60 bilaterale Investitionsschutzabkommen schützen österreichische Unternehmen mit Auslandsinvestitionen vor Benachteiligung und entschädigungsloser Enteignung. Wir geben Ihnen einen Überblick über die Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Drittstaaten. Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft veröffentlicht eine Liste aller bilateralen österreichischen Investitionsschutzabkommen

Vertretungsvergabe

Wie in allen afrikanischen Ländern ist auch in Marokko der persönliche Geschäftskontakt und die wiederholte Präsenz vor Ort unumgänglich. Für eine gute und umfassende Marktbearbeitung reicht eine bloße Betreuung des Marktes vom Ausland aus nicht aus. Die Erfahrung zeigt, dass im Besonderen das Beziehungsnetzwerk für den Geschäftserfolg ausschlaggebend ist. Hinzu kommt, dass es sowohl Mentalitätsunterschiede als auch unterschiedliche Geschäftsgepflogenheiten gibt, die man mitunter als Österreicher nicht kennt. Wenn auch die marokkanische Wirtschaft zunehmend transparenter wird, so spielen Beziehungsgeflechte immer noch eine bedeutende Rolle. Vor allem bei den öffentlichen Ausschreibungen von Großprojekten fallen die wahren Entscheidungen im Hintergrund, oft schon vor Ausschreibungsbeginn. Besonders in diesem Bereich ist die Wahl des geeigneten Vertreters ausschlaggebend. Der Suche eines geeigneten Handelsvertreters kann daher in Marokko nicht genügend Bedeutung beigemessen werden. Ein guter Vertreter muss sehr gut eingeführt sein und über entsprechende Kontakte in der Branche und den zuständigen Behörden verfügen.

Prinzipiell wird zwischen Importeur, Konzessionär und Repräsentant unterschieden. Oftmals kommen Mischformen zur Anwendung, wenn etwa ein marokkanischer Unternehmer als offizieller Repräsentant eingesetzt wird, dieser aber in fremdem Namen importiert und selbst als Großhändler mit einem Verteilungsnetz auftritt. Gerne wird vom marokkanischen Partner die Forderung nach einer Exklusivvertretung gestellt. Wenn diese Forderung auch verständlich ist, so ist bei der Vergabe von exklusiven Vertriebsrechten Vorsicht geboten.

Die Entscheidung über die Art der Vertretung und die damit zusammenhängende bestmögliche Marktbearbeitung hängt im Wesentlichen vom erwarteten Geschäftsvolumen ab. Der Großteil der österreichischen Lieferungen nach Marokko wird über Handelsvertreter vertrieben.

Die Handelsvertretung ist in Absatz II, Artikel 393 bis 404 Code de Commerce geregelt. Das marokkanische Handelsvertreterrecht lehnt sich stark an die EU-Richtlinie über selbständige Handelsvertreter an und zieht dieses Rechtswerk – mit einigen wenigen Abänderungen – als Grundlage heran. Hervorzuheben ist dabei, dass bei einer Handelsvertretung in Marokko zwingend marokkanisches Recht zur Anwendung kommt. Ebenso sieht das Vertreterrecht vor, dass Vertretungsverträge sowie Nebenabreden schriftlich abgefasst sein müssen.

In Artikel 393 wird der Handelsvertreter als jemand definiert, der, ohne durch einen Arbeitsvertrag gebunden zu sein, im Namen und auf Rechnung des Prinzipals Verhandlungen führen und Verträge abschließen kann. Prinzipiell kann der Vertreter auch mehrere Unternehmen vertreten, welche jedoch zueinander nicht in unmittelbarer Konkurrenz stehen dürfen (Artikel 393 Absatz 2).

Von dieser Definition nicht erfasst ist etwa der Vertragshändler, da dieser im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird. Das Vertragshändlerrecht ist im marokkanischen Handelsgesetzbuch nicht geregelt.

Bei einem Vertragshändler handelt es sich um einen selbständigen Gewerbetreibenden, der Waren einkauft und diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreibt. Die Besonderheit des Vertragshändlers liegt – im Gegensatz zu einem schlichten Importeur – darin, dass der Vertragshändler in die Vertriebsstruktur des Herstellers eingebunden ist.

Der Makler hat im Gegensatz zum Handelsvertreter niemals Vertragsabschlussvollmacht, sondern vermittelt diese nur (Artikel 405).

Der Kommissionär schließt zwar selbst Verträge, tut dies jedoch im Gegensatz zum Handelsvertreter im eigenen Namen auf Rechnung des Prinzipals (Artikel 422). 

Die meisten marokkanischen Unternehmen sind noch sehr patriarchalisch aufgebaut. Die Entscheidungen werden auf der Ebene des Top-Managements gefällt, Arbeitskräfte in der zweiten oder dritten Führungsebene haben nur einen sehr geringen Entscheidungsspielraum oder wollen, aus Furcht vor Fehlentscheidungen, keine treffen. Das Schlüsselwort im Umgang mit Geschäftspartnern in Marokko ist wohl das Vertrauen, das eine konstante Kontaktpflege voraussetzt. Historisch bedingt genießen europäische Unternehmen einen Vertrauensvorschuss. Ihnen werden Attribute wie Verlässlichkeit, Korrektheit und Ehrlichkeit zugewiesen. Die marokkanischen Unternehmer dagegen begegnen sich untereinander mitunter latent misstrauisch.

Bei der Suche nach Handelsvertretern steht das AußenwirtschaftsCenter Casablanca unterstützend zur Verfügung. Nach einer ersten Selektion potentieller Handelspartner über lokale Firmendatenbanken, Interessensvereinigungen und Verbände, wird das allgemeine Interesse der marokkanischen Firma an den zu vertretenden Produkten abgeklärt. In weiterer Folge kann in persönlichen Gesprächen vor Ort der geeignete Vertreter gewählt werden.

Der Weg über Anzeigen in Fachmedien kann zwar hilfreich sein, führt jedoch zumeist zu einer Fülle von Anfragen von vollkommen branchenfremden Kleinstunternehmern, die auf der Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten sind. Die Überprüfung und die Nachselektion dieser Interessenten nimmt viel Zeit in Anspruch.

Auch Fachmessen eignen sich durchaus zur Vertretersuche. Bis vor wenigen Jahren hatte die staatliche Messeorganisation „Office des Foires et Expositions de Casablanca“ die Monopolstellung für die Organisation inne. Nunmehr treten verschiedene private Messeveranstalter auf, die eine Fülle von Fachmessen organisieren. Oftmals sind diese jedoch sehr klein und besucherschwach, weshalb es sich empfiehlt, vor einer Teilnahme Rücksprache mit dem AussenwirtschaftsCenter zu halten. Sehr gut besucht werden von den marokkanischen Fachleuten die Fachmessen in Europa. 

Stand: 19.09.2023