Leitfaden zum Normungsprozess

Vorgaben und Vorgehensweise bei Normungen

Lesedauer: 14 Minuten

Normung lebt vom zeitgerechten, aktiven und dauerhaften Mitgestalten. Nur wer die Mechanismen der Normung genau kennt, kann sie beeinflussen.

Es ist Ziel der WKÖ, gemäß ihren Aufgaben als gesetzliche Interessenvertretung, die Normung im Sinne eines attraktiven Wirtschaftsstandortes zu gestalten, die Chancen für Unternehmen zu erkennen und diese zu nützen. Dies verlangt die Einbringung und Teilnahme von Experten im Dienste der Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und/oder ihrer Interessenvertretung zu dem frühest möglichen Zeitpunkt und begleitend im Verlauf eines Normungsprozesses.

Austrian Standards International (A.S.I.) ist als nationale Normungsorganisation "Bereitsteller" der Infrastruktur für die Entwicklung von nationalen Normen und die Mitwirkung am europäischen und internationalen Normungsprozess. Die Geschäftsordnung des A.S.I. sowie die Direktiven der europäischen und internationalen Normungsorganisationen beinhalten die konkreten und sehr komplexen Vorgaben dieser Normungsprozesse. Die Prozessabläufe werden im Leitfaden gestrafft dargestellt und die wesentlichen Änderungen aus der Geschäftsordnung des A.S.I. 2018 erläutert. Der Leitfaden dient als Servicedokument für Normungsverantwortliche in der WKO und in den Mitgliedsfirmen.

Die Geschäftsordnung des A.S.I. 2018 berücksichtigt die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates zur europäischen Normung, die mit 1. Jänner 2013 in Kraft getreten ist, und des Normengesetzes 2016, das zur Gänze mit 1.1.2018 in Kraft getreten ist.

Inhalt

1. Normungsprozess nach der Geschäftsordnung 2018

2. Europäische und Internationale Normung

3. Links


1. Normungsprozess nach der Geschäftsordnung 2018

Nach der Geschäftsordnung 2018 (die Geschäftsordnung 2014 über ON-Regeln (ONR) ist – noch – unverändert in Geltung; ONR sind jedoch aufgrund der kostenpflichtigen Antragstellung in der Praxis kaum mehr relevant) stellt sich der Normungsprozess in Grundzügen wie folgt dar:

Neue ÖNORM/ONR-Vorhaben und Überarbeitung von Normen 

I. Neue ÖNORM/ONR-Vorhaben – bestehendes Komitee bzw. bestehender Workshop

Den Projektantrag, eine neue ÖNORM bzw. ONR zu entwickeln oder eine bestehende Norm zu überarbeiten, kann jede Person – unter Nennung von Gründen – stellen. Für die Einbringung des Projektantrags steht auf der Website des A.S.I. ein Online-Formular zur Verfügung. Die Ausarbeitung einer ONR ist kostenpflichtig. (Wurde zum selben Thema der beantragten ONR zuvor ein rein österreichisches Normprojekt abgebrochen, z. B. weil der notwendige Konsens nicht erzielt wurde, ist die Umwandlung in ein ONR-Projekt nicht zulässig).

Gibt es zu dem Themenbereich bereits ein Komitee bzw. einen Workshop bei A.S.I., so übernimmt dieses/dieser die Aufgabe, gemeinsam mit dem Antragsteller den Projektantrag für die Neuentwicklung/Überarbeitung zu prüfen. 

Dabei wird erhoben, ob zu diesem Thema auf europäischer Ebene bereits vergleichbare Normungsarbeiten laufen. Wenn ja, müssen nationale Entwicklungen aufgrund der „Stillhalteverpflichtung“ unterbleiben. (Ausgenommen: Die Überarbeitung bestehender nationaler ÖNORMEN, für die eine Ausnahme von der Stillhalteverpflichtung beim Europäischen Komitee für Normung CEN beantragt wird.) 

Weiters werden relevante Rechtsvorschriften, mögliche Patente und Markenrechte, allfällige internationale und ausländische Normen ermittelt und die am Thema interessierten Kreise (Stakeholder) erhoben. 

Nach dieser Prüfung im Komitee wird der Projektantrag für vier Wochen hindurch der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt.

Auf Grundlage der eingelangten Stellungnahmen und der vorherigen Prüfung entscheidet das zuständige Komitee über die Aufnahme des Projektantrags in sein Arbeitsprogramm (¾-Mehrheit). Bei besonderer Dringlichkeit (Beschluss über die Dringlichkeit durch ¾-Mehrheit) erfolgt die Aufnahme in das Arbeitsprogramm sofort, liegt keine besondere Dringlichkeit vor, wird die achtwöchige Stellungnahmefrist des Normungsbeirats abgewartet, bevor die Aufnahme in das Arbeitsprogramm umgesetzt wird. 

Wird ein Normungsantrag abgelehnt, ist dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mitzuteilen. Der Antragsteller kann einen Antrag auf Überprüfung an die Schlichtungsstelle stellen. 

Die Namen der Verfasser von Stellungnahmen, die Stellungnahmen und das Ergebnis der Beratung durch das Komitee werden auf der Website von A.S.I. veröffentlicht. 

Ein Interessenträger ist berechtigt, einen Antrag auf Überprüfung an die Schlichtungsstelle zu richten, wenn er der Meinung ist, dass der Normungsantrag ungerechtfertigt angenommen wurde. 

II. Neue ÖNORM/ONR-Vorhaben – es gibt noch kein Komitee bzw. keinen Workshop 

Gibt es zu dem Themenbereich noch kein Komitee bzw. keinen Workshop, prüft der Direktor von A.S.I., ob ein Antrag auf Konstituierung an das A.S.I.-Präsidium zu stellen ist. Dazu wird vom designierten Komiteemanager im Einvernehmen mit dem Antragsteller und den Vertretern der Interessenträger ein provisorischer Businessplan erstellt und vier Wochen hindurch der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt.

Parallel dazu wird der Projektantrag, für den die Komiteegründung beantragt wurde, vier Wochen hindurch der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt.

Das Präsidium von A.S.I. entscheidet auf Basis der zum Businessplan einlangenden Stellungnahmen über die Gründung des Komitees bzw. Workshops. Nach positiver Beschlussfassung sind die in der provisorischen Teilnehmerliste angeführten Personen zu einer konstituierenden Sitzung einzuladen.

In der konstituierenden Sitzung werden allfällige Stellungnahmen zum Projekt­antrag behandelt. 

Ist ein Interessenträger der Meinung, dass kein Komitee hätte gegründet werden sollen, kann dieser einen Antrag an die Schlichtungsstelle stellen. 

III. Weitere Verfahrensschritte / Verabschiedung als Entwurf zur öffentlichen Stellungnahme

ÖNORMEN:

Sobald das Komitee den Vorschlag zur Entwicklung einer nationalen ÖNORM angenommen hat, werden Öffentlichkeit und mögliche konkrete Interessenten über das Norm-Projekt und die Möglichkeit zur Teilnahme informiert. 

Außerdem wird das Projekt den anderen CEN-Mitgliedern (= nationale Normungsinstitute) gemeldet ("notifiziert").  

Nach Abschluss der Arbeiten entscheidet das Komitee, ob der Vorschlag als ÖNORM-Entwurf der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt werden kann.  

Entscheidet das Komitee ohne Gegenstimmen (Konsens) für die Herausgabe des ÖNORM-Entwurfs (oder wurde ein Mehrheitsbeschluss vom Präsidium zugelassen), kann die Öffentlichkeit über das Normen-Entwurf-Portal online, innerhalb einer (mindestens sechswöchigen) Frist, Kommentare zum Inhalt des ÖNORM-Entwurfs abgeben. Die Entwürfe können kostenlos von jeder­mann nach Registrierung eingesehen und kommentiert, aber nicht ausgedruckt werden.

Ein Interessenträger ist berechtigt, einen Antrag auf Überprüfung an die Schlichtungsstelle zu richten, wenn er der Meinung ist, dass der Normungsantrag ungerechtfertigt angenommen wurde.

Mehrheitsbeschluss:

Wird ein ÖNORM-Vorschlag zur Verabschiedung als ÖNORM-Entwurf zur öffentlichen Stellungnahme abgelehnt und betragen die Gegenstimmen weniger als ein Viertel der Anzahl der abgegebenen Stimmen, kann das Komitee mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließen, beim Präsidium des A.S.I. einen Antrag auf Zulassung eines Mehrheitsbeschlusses zu stellen. Wird ein Mehrheitsbeschluss zugelassen, so genügt bei neuerlicher Beschlussfassung für die Annahme zur Auflegung eines ÖNORM-Entwurfs einmalig eine Dreiviertelmehrheit.  

Ein Antrag auf Zulassung eines Mehrheitsbeschlusses darf nicht gestellt werden, wenn alle Teilnehmenden derselben Kategorie von Interessenträgern Gegenstimmen abgegeben haben.  

Die Kommentare, die aus dem Stellungnahme-Verfahren einlangen, werden im Komitee behandelt (möglichst unter Teilnahme derer, die Stellung genommen haben). D. h., die Kommentare werden entweder angenommen oder unter Nennung von Gründen abgelehnt.  

Der Verfasser einer Stellungnahme ist über das Ergebnis der Beratungen schriftlich zu informieren. Im Falle einer abgelehnten Berücksichtigung der Stellungnahme kann er hierzu einen Antrag auf Überprüfung an die Schlichtungsstelle stellen. Gibt der Verfasser der Stellungnahme dem Komitee-Manager bekannt, dass er die Schlichtungsstelle anrufen wird, hat der Komitee-Manager die Freigabe zum Druck für vier Wochen aufzuschieben.  

Die Namen der Verfasser von Stellungnahmen, die Stellungnahmen und das Ergebnis der Beratung durch das Komitee werden auf der Website von A.S.I. veröffentlicht. 

Je nach Art und Umfang der Änderungen, die sich aus dem Stellungnahme-Verfahren ergeben, entscheidet das Komitee, ob das Dokument als (fertige) ÖNORM veröffentlicht werden kann, der Entwurf überarbeitet und als „2. ÖNORM-Entwurf“ neuerlich zur Stellungnahme aufgelegt wird oder das Projekt aus dem Arbeitsprogramm gestrichen wird. 

Was ist bei der Entwicklung einer ONR zu beachten?

Die Teilnehmer müssen aus Vertretern von mindestens zwei Marktpartnern bestehen, wobei die Mitwirkung mehrerer Marktpartner anzustreben ist.  

Die ONR darf anderen ONR und bestehenden ÖNORMEN nicht widersprechen.  

Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Kann keine Einstimmigkeit erzielt werden, ist das Ergebnis als Minderheitsbericht in der ONR darzulegen.

Eine ONR muss als Entwurf zur Stellungnahme durch die Öffentlichkeit aufgelegt werden, wenn diese ONR Aspekte von Managementsystemen, der Konformitätsbeurteilung und/oder der Gesundheit und der Sicherheit behandelt. In allen anderen Fällen ist eine öffentliche Stellungnahme nicht erforderlich.

National Work Programme - neues Tool zur Information der Öffentlichkeit 

Die Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates zur europäischen Normung ist mit 1. Jänner 2013 in Kraft getreten. Sie verpflichtet die Normungsorganisationen – die europäischen ebenso wie die nationalen – zur Offenlegung ihrer Arbeitsprogramme. Damit informiert Austrian Standards über aktuelle Projekte nationaler ÖNORMEN und ONR sowie über Entwürfe zu ÖNORMEN und ONR, die aktuell zur öffentlichen Stellungnahme aufliegen.



2. Europäische und internationale Normung 

Was unterscheidet die Europäischen und Internationalen Normen voneinander?

  • Ziel der europäischen Normung ist die Vereinheitlichung aller in Europa geltenden Normen. Normen, die auf europäischer Ebene erarbeitet werden, müssen von den nationalen Normungsorganisationen aller europäischen Länder unverändert als nationale Normen übernommen werden (nationales Vorwort oder nationale Anhänge sind möglich, die Inhalte der Norm dürfen nicht abgeändert werden).
  • Die Übernahme Internationaler Normen in das nationale Normenwerk ist, im Gegensatz zur Übernahme Europäischer Normen, freiwillig. Ein Ziel der europäischen Normung ist es, Internationale Normen (ISO) den europäischen Dokumenten zugrunde zu legen und diese möglichst unverändert zu übernehmen.
  • Bestehen keine entsprechenden Internationalen Normen, so ist man bemüht, die Entwicklung im Rahmen des "Vienna Agreement" (Wiener Abkommen) zwischen dem Europäischen Komitee für Normung CEN und der Internationalen Organisation für Normung ISO möglichst nur auf einer der beiden Ebenen (international oder europäisch) durchzuführen.
  • In diesem Fall erfolgt ein paralleles Abstimmungsverfahren und die gleichzeitige Anerkennung sowohl als Internationale als auch als Europäische Norm (EN ISO).

Worin besteht der Unterschied zwischen einer Europäischen Norm und einer "harmonisierten" Europäischen Norm?

  • Eine harmonisierte Europäische Norm (hEN) unterscheidet sich von einer Europäischen Norm dadurch, dass sie mit einem Mandat der EU-Kommission zur Konkretisierung der grundlegenden Anforderungen einer oder mehrerer Richtlinien bzw. Verordnungen zustande kam und mit Bezug auf diese EU-Rechtsakte im Amtsblatt der EU gelistet ist.
  • Bei Konformität mit den Anforderungen einer hEN gehen die Behörden von der Vermutung aus, dass auch die wesentlichen Anforderungen der EU-Richtlinien bzw. -Verordnungen erfüllt sind, für die sie gelistet ist.

Wie kann sich ein Unternehmen an der Gestaltung der Inhalte Europäischer Normen beteiligen?

  • Eine effektive Möglichkeit, auf die Inhalte Europäischer Normen Einfluss zu nehmen, ist die Mitarbeit im zuständigen nationalen Gremium (Spiegelgremium).
  • Dieses entsendet Experten in die europäischen Normungsgremien, entscheidet national über Stellungnahmen zu Europäischen Norm-Entwürfen und begleitet das in mehreren Stufen ablaufende Normungsverfahren. 

Wie entsteht eine Europäische Norm?

  • Initiiert wird eine Europäische Norm über eine nationale Normungsorganisation, wie z. B. A.S.I., durch einen europäischen Wirtschafts-, Fach-, Berufs- oder Wissenschaftsverband, eine internationale Organisation oder durch die Europäische Kommission und/oder das Sekretariat der EFTA (zur Unterstützung von EU-Richtlinien).
  • Wenn das vorgeschlagene Projekt Zustimmung findet, ausreichend viele nationale Normungsorganisationen zur Mitarbeit bereit sind und die Mittel für die Sekretariatsführung zur Verfügung stehen, wird bei CEN unter der Federführung eines Technischen Komitees (CEN/TC) die Arbeit an eine Arbeitsgruppe (Working Group, WG) delegiert. Experten werden von den nationalen Normungsorganisationen in die Arbeitsgruppe nominiert.
  • Unter der Leitung eines Convenors wird in der Arbeitsgruppe die Norm entwickelt. Das Sekretariat des CEN/TC wird von einem CEN-Mitglied (nationale Normungsorganisation) übernommen. Die Arbeit der Arbeits­gruppe und ihres Convenors wird ebenfalls von einer nationalen Normungsorganisation unterstützt.
  • Eine Europäische Norm ist innerhalb eines zuvor festgelegten Zeitrahmens auszuarbeiten, der nicht mehr als  drei Jahre von der Annahme des Projekts bis zur Ratifizierung als Europäische Norm betragen darf. (Die durchschnittliche Entwicklungsdauer für eine Europäische Norm beträgt 30 Monate, wobei von CEN Maßnahmen gesetzt werden, diese Dauer auf 18 Monate zu verkürzen.)
  • Hat sich die Arbeitsgruppe auf einen Europäischen Norm-Entwurf (prEN) geeinigt, beginnt die öffentliche Umfrage. Die nationalen Normungsorganisationen haben dann 12 Wochen Zeit, eine nationale Stellung­nahme zu organisieren. In Österreich wird dazu ein „Entwurf ÖNORM EN“ veröffentlicht.
  • Innerhalb von mindestens sechs Wochen kann die Öffentlichkeit Stellungnahmen bei A.S.I. einbringen. Das nationale Spiegelgremium berät über diese Stellungnahmen.
  • Anschließend gibt das Spiegelgremium die akkordierte nationale Stellungnahme ab. Bei mandatierten Norm-Entwürfen – die künftige Norm ist als Unterstützung von EU-Richtlinien bzw. -Verordnungen vorgesehen – werden auf europäischer Ebene zusätzlich Empfehlungen von Consultants eingeholt. Sie überprüfen, ob die grundlegenden Anforderungen der EU-Richtlinien/-Verordnungen bzw. der Arbeitsauftrag (das Mandat bzw. der Standardization request) der Europäischen Kommission erfüllt sind.
  • Auf Basis der eingelangten Stellungnahmen erstellt das CEN/TC den Schlussentwurf. Die nationalen Normungsorganisationen entscheiden innerhalb von acht Wochen in einer gewichteten Schlussabstimmung über die Annahme der EN.
  • Inhaltliche Änderungen sind dabei nicht mehr möglich. Für eine Annahme müssen mindestens in Anlehnung an den Vertrag von Lissabon 55,00 % der abgegebenen Stimmen (Stimmenthaltungen zählen nicht) dafür sein, und die Bevölkerungsanzahl der Staaten jener CEN-Mitglieder, die positiv abgestimmt haben, mindestens 65 % der Bevölkerungsanzahl der Staaten aller CEN-Mitglieder, die abgestimmt haben (Stimmenthaltungen zählen nicht), betragen. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, werden die Abstimmung der CEN-Mitglieder des EWR getrennt gezählt mit denselben Kriterien wie oben. (Bei CENELEC, dem Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung, gilt hingegen, dass für eine Annahme in Anlehnung an den Vertrag von Nizza die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen dafür sein muss, und die gewichteten Stimmen jener CENELEC-Mitglieder, die positiv abgestimmt haben, mindestens 71 % beträgt. Stimmenthaltungen zählen jeweils nicht.)
  • Die Ratifizierung einer Europäischen Norm erfolgt automatisch einen Monat nach einem positiven Abstimmungsergebnis in deutscher, englischer und französischer Sprache.
  • Nach der Ratifizierung muss eine Europäische Norm innerhalb von sechs Monaten als nationale Norm übernommen werden – in Österreich als ÖNORM EN. Abweichende/widersprechende nationale Normen sind zurückzuziehen.
  • Bei mandatierten Normen beantragt CEN bei der Europäischen Kommission die Veröffentlichung der Fundstelle der EN im Amtsblatt der EU.
  • In regelmäßigen Abständen überprüft CEN, ob eine Überarbeitung einer EN erforderlich ist. Dies erfolgt in der Regel durch eine Umfrage in den nationalen zuständigen Komitees (Spiegelgremien). 

Wie entsteht eine Internationale Norm? 

  • Wie bei jeder Norm liegt auch bei einer Internationalen Norm ein konkreter Bedarf zugrunde, der in einem Vorschlag artikuliert wird.
  • Ein solcher Vorschlag kann über ein Mitglied der Internationalen Organisation für Normung ISO, wie z. B. A.S.I., vom Sekretariat eines Technischen Komitees (TC) der ISO oder Unterkomitees (Subcommitte, SC) oder von einer internationalen Fachorganisation mit Liaison-Status zur ISO eingebracht werden.
  • Stimmt die einfache Mehrheit der auf dem betreffenden Sachgebiet aktiven nationalen Normungsorganisationen (Participants = P-Member oder P-Mitglieder) dem Vorschlag zu und verpflichtet sich eine ausreichende Anzahl der P-Mitglieder zur aktiven Mitarbeit, wird der Vorschlag in das Arbeitsprogramm eines bestehenden, fachlich zuständigen TC oder SC aufgenommen oder es wird ein neues TC gegründet.
  • Das Sekretariat dieses ISO/TC bzw. SC wird von einem ISO-Mitglied geführt. Die Inhalte der Internationalen Norm werden in einer Arbeitsgruppe (Working Group, WG) von Experten entwickelt, die von ihren nationalen Normungsorganisationen nominiert werden.
  • Hat sich die Arbeitsgruppe des ISO/TC oder SC auf einen Komitee-Entwurf (Committee Draft, CD) geeinigt, nehmen die zuständigen Spiegelgremien der beteiligten nationalen Normungsorganisationen dazu innerhalb einer zuvor festgelegten Zeit (zwischen 8 bis 16 Wochen) schriftlich Stellung.
  • Wird Konsens darüber erreicht, einen Norm-Vorschlag öffentlich zur Diskussion zu stellen, so leitet ISO auf Basis eines Internationalen Norm-Entwurfs (Draft International Standard, DIS) eine öffentliche Umfrage ein. Die ISO-Mitglieder haben dann 12 Wochen Zeit, eine nationale Stellungnahme abzugeben.
  • Das nationale Spiegelgremium kann entscheiden, die künftige Internationale Norm – auf freiwilliger Basis – in das österreichische Normenwerk als ÖNORM ISO zu übernehmen. In diesem Fall ist möglichst frühzeitig über die Absicht zur Übernahme als ÖNORM zu beschließen. Erachtet das Komitee eine deutschsprachige Übersetzung für die Übernahmen notwendig, ist diese vom A.S.I. zu veranlassen.
  • Bei paralleler Umfrage gemäß „Vienna Agreement“ (Wiener Abkommen) zwischen dem Europäischen Komitee für Normung CEN und ISO wird der Entwurf als ÖNORM EN ISO zur Stellungnahme durch die Öffentlichkeit aufgelegt. Auf Basis der Stellungnahmen der Experten im nationalen Spiegelgremium und der Öffentlichkeit wird eine nationale Stellung­nahme zum Internationalen Norm-Entwurf abgegeben.
  • Auf Grundlage der nationalen Stellungnahmen erstellt die zuständige Arbeitsgruppe des ISO/TC bzw. SC einen Internationalen Schlussentwurf (Final Draft International Standard, FDIS). Die ISO-Mitglieder entscheiden in einer achtwöchigen Schlussabstimmung über die Annahme als Internationale Norm.
  • Der FDIS kann angenommen oder (unter Nennung von Gründen) abgelehnt werden. Ebenso ist Stimmenthaltung möglich. Für die Annahme ist die Zustimmung von zwei Drittel der an der Abstimmung teilnehmenden P-Mitglieder des zuständigen ISO/TC bzw. SC erforderlich. Nicht mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen darf negativ ausfallen.
  • Nach einem positiven Abstimmungsergebnis veröffentlicht ISO die Internationale Norm. Eine nationale Übernahmeverpflichtung (Ausnahme "Vienna Agreement" oder die Internationale Norm ist für die Anwendung einer ÖNORM zwingend erforderlich, z. B. infolge eines Normenverweises) besteht zwar nicht, eine Übernahme wird jedoch empfohlen. 

A.S.I. als Schnittstelle zur europäischen und internationalen Normung

Die nationalen Komitees sind nach Themen und Nummern mit ihrer Funktion als Spiegelkomitee europäischer und internationaler Komitees und den jeweiligen Projekten einsehbar.

Die GO 2018 enthält im Kapitel 3 Bestimmungen zur Antragstellung, Teilnahme und zum Stellungnahmeverfahren.

Für die europäische und internationale Normung gelten zudem die jeweiligen Bestimmungen dieser Organisationen.

Bezugsquellen:

Small Business Standards

Am 13. Dezember 2013 wurde in Brüssel die neue Small Business Standards (SBS) Organisation gegründet und die Wirtschaftskammer Österreich ist seit Anbeginn Mitglied und im Board vertreten. SBS vertritt schwerpunktmäßig KMU im Standardisierungsprozess auf europäischer und internationaler Ebene. Es werden gemeinsame Positionen erarbeitet und ausgewählte Experten in europäische und internationale Normungsgremien entsandt.

Die Mitgliedschaft der WKÖ bei SBS ermöglicht eine frühzeitige Information über neue Normprojekte und eine darauf abgestimmte gezielte Entsendung von Experten sowie das Einwirken auf das Entstehen von Normen auf europäischer Ebene.

Stand: 15.12.2023

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