Verschiedene Fahnenmasten mit unterschiedlichen Flaggen Europas wehen im Wind bei einem blauen Himmel
© judge75 | stock.adobe.com

Spannungsfelder der internationalen Konzernbesteuerung: Global und gerecht?

Übersicht zu den Neugestaltungsplänen

Lesedauer: 3 Minuten

22.08.2023

Die OECD/G20 (genauer das „Inclusive Framework“ von insgesamt 137 Staaten) arbeiten an der Neugestaltung der internationalen Konzernbesteuerungsregeln. Ein neues, globales Besteuerungskonzept für grenzüberschreitend tätige Unternehmen wird entwickelt, um dem weltweiten Ruf nach einem modernen Steuersystem für eine digitalisierte und globalisierte Wirtschaft zu entsprechen.

Das sogenannte „Zwei-Säulen-Modell“ sieht eine grundlegend neue Aufteilung von Besteuerungsrechten vor und stellt eine Absage an eine reine Digitalsteuer und das Modell einer „digitalen Betriebsstätte“ dar. Zu den im Oktober 2020 veröffentlichten „Blueprints“ der beiden Modelle - Neugestaltung der Gewinnzuteilungsregeln (Säule 1) und Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes (Säule 2) - hat die OECD bis 14. Dezember 2020 um Input aus Sicht der Wirtschaft aufgerufen. Beim Säule 1 Modell soll die Besteuerung von Unternehmensgewinnen nicht nur bei physischer Anwesenheit erfolgen, sondern Unternehmen sollen demnach dort auch Steuern zahlen, wo ihre Konsumenten (User) der Leistungen sitzen (Marktstaaten).

Manche sehen durch diese Entwicklung für die EU-Staaten eine historisch einmalige Chance effektive Schritte gegen die Steuertricks der Konzerne und den Steuerwettbewerb der Staaten zu setzen.

Positiv für die nach der Corona-Krise geschwächten öffentlichen Haushalte sind zweifelsohne die Steuermehreinnahmen, die durch die Umsetzung der beiden Modelle zu erwarten sind. Die OECD prognostiziert globale Mehreinnahmen an Körperschaftsteuer von US$ 50 bis 80 Milliarden pro Jahr – inklusive dem US GILTI-Regime US$ 60 bis 100 Milliarden pro Jahr, das sind ca. 4 % der globalen Körperschaftsteuereinnahmen.

Einige Stimmen sehen zudem auch eine Möglichkeit, europäische Steueroasen durch den Druck von außen zu überstimmen und den Steuerwettbewerb innerhalb der EU einzuschränken. 

Allerdings muss auch die Kehrseite der Pläne betrachtet werden, die weit über die Nachteile für große Unternehmensgruppen aufgrund von deutlich erhöhtem Verwaltungsaufwand und ansteigenden Steuerzahlungen hinausgeht.

Die geplanten Maßnahmen werden insbesondere weitreichende Auswirkungen für Staaten, Unternehmen und andere Betroffene haben. 

Österreich wird durch die Pläne der OECD in Bezug auf die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) betroffen sein. Durch FDI werden wichtige Faktoren wie die Anzahl der Arbeitsplätze, Innovationen, Produktionssteigerung und Wohlstandsgenerierung positiv beeinflusst. Eine erhöhte Investitionstätigkeit verbessert in der Regel die wirtschaftliche Situation.  Steuererhöhungen und zu erwartende Rechtsunsicherheiten bedeuten jedoch eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort und führen dementsprechend zu einem Rückgang der Direktinvestitionen und damit zu einem verringerten Wirtschaftswachstum.

Laut einer Studie der ECIPE (European Center for International Political Economy) - „Unintended and Undesired Consequences: The Impact of OECD Pillar I and II Proposals on Small Open Economies“ - wird die Attraktivität von kleinen, offenen Volkswirtschaften für ausländische Direktinvestitionen zurückgehen. Das wird vor allem für Investmenthubs gelten, aber auch Österreich wird mit negativen Konsequenzen zu rechnen haben. Profiteure in Bezug auf FDI werden demnach große Staaten wie China, Indien, Argentinien usw. mit den Potentialen ihrer großen Absatzmärkte sein.

Zudem werden die Steuermodelle indirekt auch Auswirkungen auf Personen, die hinter den Unternehmen stehen, haben.  Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung, Konsumenten und Investoren werden negativ betroffen sein.

Für bestehende Forschungscluster der Privatwirtschaft und Bildungssysteme in Europa könnten die Neuerungen, die die OECD-Modelle mitbringen, negative Auswirkungen haben.

Die Covid-19-Krise hat nun vieles verändert. Sie bringt nicht nur eindeutige Gewinner der Krise wie Streaming-Dienste und den Internethandel hervor, man kommt auch zu neuen Erkenntnissen. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Staaten in Bezug auf ihre Steuerpolitik flexibel bleiben können um ausreichend auf eine Krise zu reagieren. Direkte finanzielle Zuwendungen und Steuerbegünstigungen sollen den angeschlagenen Unternehmen helfen, die Krise zu überleben. Die Vorgabe von Mindeststeuersätzen kann die notwendige Flexibilität zum Nachteil der Wirtschaft einschränken.

Generell ist es wichtig auf zukünftige Entwicklungen flexibel zu reagieren. Die deutliche Ausweitung des Homeoffice beispielsweise macht es dringend notwendig, dass rechtliche und steuerrechtliche Konsequenzen an die neue Form des Arbeitens angepasst werden. Dabei wird auch im Internationalen Steuerrecht noch viel aufzuholen sein.

Jedenfalls muss abgewartet werden, ob sich die Staaten des Inclusive Framework auf beide Modelle im Jahr 2021 einigen. Ein Alleingang der EU wäre kontraproduktiv und schädlich für den Standort.


Das US GILTI System (Global Intangible Low-Taxed Income) wurde durch die US Steuerreform eingeführt und wird für Fiskaljahre ab 2018 angewendet. Bestimmte ausländische Einkommen, die über eine Routinerendite hinausgehen, werden in die US-Bemessungsgrundlage einbezogen und mit einem effektiven Steuersatz von 10,5 % versteuert.

Weitere interessante Artikel
  • Person mit geschlossenen Haaren und Brille sitzt an einem Schreibtisch und zeigt auf eine Statistikaufbereitung am Bildschirm sowie auf einem Tablet
    Maßnahmen zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung
    Weiterlesen
  • Person mit Brille sitzt an einem Schreibtisch und arbeitet mit einem Laptop
    Konsequenzen grenzüberschreitender unternehmerischer Tätigkeit
    Weiterlesen