Selbstständig in mehreren Staaten - wo ist man sozialversichert?
Ist man in mehreren Staaten selbstständig tätig, stellt sich die Frage, in welchem Staat müssen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden? Dabei ist vor allem zu unterscheiden, ob man innerhalb oder außerhalb der EU/EWR-Staaten tätig ist
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf eine Erwerbstätigkeit, die nicht nur vorübergehend im Ausland ausgeübt wird, sondern auf Dauer ausgerichtet ist – mit eigenem Büro, Firmensitz, Produktionsstätte oder Ähnlichem.
Selbstständigkeit in nur einem Staat
Ist man nur in einem Staat selbstständig erwerbstätig, richtet sich die Sozialversicherungspflicht nach den gesetzlichen Bestimmungen in diesem Staat. Staatsbürgerschaft oder Wohnort bleiben außer Betracht.
Selbstständigkeit in mehreren EU/EWR-Staaten
Ist man gleichzeitig in mehreren Staaten selbstständig tätig, dann ist der Wohnortstaat entscheidend. Die Versicherungspflicht richtet sich ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Wohnortstaates, vorausgesetzt ein wesentlicher Teil der Tätigkeit wird auch im Wohnortstaat ausgeübt.
Definition von wesentlicher Teil: Ob ein wesentlicher Teil vorliegt, hängt von der Arbeitszeit und/oder dem Einkommen ab. Werden zumindest in einem der beiden genannten Bereiche 25 Prozent erzielt, sind die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates anzuwenden.
Wird die wesentliche Tätigkeit nicht am Wohnortstaat erbracht, dann richtet sich die Sozialversicherungspflicht nach den gesetzlichen Bestimmungen des Staates, in welchem sich der Mittelpunkt der selbstständigen Erwerbstätigkeit befindet. Im Wohnortstaat herrscht in diesem Fall jedenfalls Versicherungsfreiheit, ob es eine Versicherungspflicht auch in jenem gibt, in dem der unternehmerische Mittelpunkt liegt, hängt von den dort geltenden nationalen Bestimmungen ab.
Es ist aber immer der Wohnortstaat verantwortlich dafür, welcher Staat zuständig ist; sogar dann, wenn im Wohnsitzstaat gar keine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Ermittlung der Beitragsgrundlage
Bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage sind alle Einkünfte zu berücksichtigen, nicht nur jene, die im Staat der Versicherungspflicht erzielt werden.
Selbstständigkeit in anderen Vertragsstaaten (außerhalb der EU/EWR)
Bei gleichzeitiger Ausübung in Österreich und in einem anderen Vertragsstaat herrscht häufig Versicherungspflicht in beiden Staaten. Österreich hat zwar mit einigen Drittstaaten eigene bilaterale Abkommen geschlossen, aber darin wird zumeist nichts über die Zuständigkeit der Versicherungspflicht geregelt, sondern beispielsweise die Anerkennung von Versicherungszeiten für den Pensionsanspruch.
Bilaterale Abkommen wurden mit Albanien, Australien Bosnien/Herzegowina, Chile, Indien, Israel, Kanada, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, den Philippinen, Serbien, Tunesien, Südkorea, der Türkei, Uruguay und den USA geschlossen.
Selbstständigkeit in Nicht-Vertragsstaaten
Es sind die Rechtsvorschriften beider Länder zu beachten. Meistens besteht eine Sozialversicherungs- und Beitragspflicht in beiden Ländern.
Gleichzeitige selbstständige und unselbstständige Erwerbstätigkeit in unterschiedlichen EU/EWR-Staaten
Ist man gleichzeitig in einem EU-Staat unselbstständig und in einem anderen EU-Staat selbstständig tätig, richtet sich die Versicherungspflicht ausschließlich nach den Rechtsvorschriften jenes Staates, in dem die unselbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Der Wohnortstaat ist dabei nicht von Bedeutung.
Ist man in Österreich selbstständig und in einem anderen EU-Staat unselbstständig erwerbstätig, müssen in Österreich keine Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden. Die Versicherungspflicht richtet sich ausschließlich nach den ausländischen Rechtsvorschriften und Beiträge müssen auch nur im Ausland abgeführt werden.
Anders ist der Fall, wenn man in Österreich unselbstständig und in einem anderen EU-Land selbstständig tätig ist. Dann kann es neben der Pflichtversicherung nach dem ASVG für die unselbstständige Tätigkeit auch zu einer Pflichtversicherung nach dem GSVG in Österreich kommen, weil man als Selbstständiger im Ausland tätig ist.
Expertentipp von Dr. Ursula Gidl, Arbeits- und Sozialrecht in der WK Tirol
Wenn man in mehreren Staaten erwerbstätig ist, sollte immer mit der Sozialversicherungsanstalt im Vorfeld abgeklärt werden, in welchem Staat die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind – ansonsten bezahlt man vielleicht sogar zu viel Beiträge. Für ausführliche Informationen zum Thema Sozialversicherung bei Erwerbstätigkeit in mehreren Staaten wenden Sie sich bitte an die Experten der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht der Tiroler Wirtschaftskammer.
Will ein österreichischer Dienstgeber einen Mitarbeiter ausschließlich im Ausland beschäftigen, ist es ratsam, sich mit dem jeweiligen AußenwirtschaftsCenter der Wirtschaftskammern in Verbindung zu setzen und mit diesem die rechtlichen Erfordernisse abzuklären.
Weitere Informationen unter: www.WKO.at/aussenwirtschaft/aussenwirtschaftscenter