Erlagscheinschwindel, betrügerische E-Mails: Immer mehr Betriebe betroffen
Um Schäden zu vermeiden: Nichts einzahlen oder unterschrieben, was nicht eindeutig zugeordnet werden kann
Was versteht man unter Erlagscheinschwindel?
Beim sogenannten „Erlagscheinschwindel“ (auch unter dem Begriff „Branchenverzeichnisse“ bekannt) werden Eintragungen in Branchen-, Telefon- oder ähnliche Register bzw. entgeltliche Inseratschaltungen in der Form angeboten, dass irreführende Angebote, Erlagscheine, Rechnungen, Korrekturabzüge oder dergleichen versandt werden. Dabei wird häufig der Eindruck erweckt, es wäre eine Pflichteinschaltung in ein amtliches Register (z.B.: „Firmenregister“, „Register für Gewerbe, Handel und Industrie“, „Allgemeines Gewerberegister“) oder ein Vertrag sei längst abgeschlossen. Tatsächlich wird mit der Überweisung oder unterfertigten Rücksendung eines Formulars aber erst der „Vertrag“ abgeschlossen. Das ist oft nur im
Kleingedruckten ersichtlich und zudem meist missverständlich formuliert.
Vorgehensweisen der „Schwindelfirmen“:
In vielen Fällen werden tatsächlich geschaltete Inserate schlicht kopiert und um Korrektur ersucht, sodass der Eindruck entsteht, es handle sich um eine bereits bestehende Einschaltung. In Wahrheit liegt dann aber bei genauer Durchsicht ein neues Angebot eines anderen Verlages vor. Die Unterzeichnung eines ungewollten Vertrages wird oft auch mit dem Trick erreicht, dass durch ein vorhergehendes Telefonat ein Fax angekündigt wird, das zum Zweck der „Kündigung“ umgehend unterschrieben zurückgeschickt werden soll. Auf dem Formular steht dann der Hinweis „läuft mit dem letzten Druck aus“, aber in Wahrheit handelt es sich um ein neues Angebot. Wurde ein derartiges Angebot unterschrieben und retourniert, werden die meisten Unternehmer erst bei Einlangen der Rechnung auf den Irrtum aufmerksam. Auf diese Art zustande gekommene „Verträge“ gelten üblicherweise gleich für mehrere Jahre und müssen noch fristgerecht gekündigt werden, wenn eine automatische Vertragsverlängerung nicht gewollt ist.
Unzulässige Kontaktaufnahme per Fax oder Telefon:
Anrufe oder Faxe zu Werbezwecken sind ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn nicht schon eine Geschäftsbeziehung besteht. Unter Werbezweck wird jede Äußerung eines Unternehmens verstanden, die den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen fördern soll. Das geht von der Anfrage, ob ein E-Mail zugesendet werden darf, bis zu kompletten Angeboten. Diese Geschäftsanbahnung stellt eine unzulässige Kontaktaufnahme dar und ist damit unlauter im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Darüber hinaus stellt ein Verstoß eine Verwaltungsübertretung dar, die mit bis zu 100.000 Euro bestraft werden kann.
Was kann ich tun, wenn ich einen solchen „Vertrag“ unterschrieben habe?
Solche „Verträge“ können wegen Irrtums angefochten und das Geld zurückgefordert werden. Wurde der Rechnungsbetrag nicht bezahlt und von der „Schwindelfirma“ eine Klage eingebracht, kann eine Irrtumseinwendung („arglistige Täuschung“) entgegengehalten werden. Tatsächlich klagen solche Verlage aber selten, weil sie von denjenigen, die irrtümlich zahlen oder sich durch Androhungen von Klagen und teuren Eintreibungsmaßnahmen (Inkassospesen, Verzugszinsen, etc.) einschüchtern lassen, sehr gut leben. Umgekehrt ist es allerdings meist zwecklos, auf Rückzahlung zu klagen, da solche Firmen häufig im Ausland angesiedelt sind und vermögenslose Strohmänner und Gesellschaften vorschieben, und daher das Prozesskostenrisiko zu hoch ist. Wettbewerbsrechtlich können andere Werbeunternehmen bzw. seriöse Verlage sowie Verbände auf Unterlassung solcher Praktiken sowie Urteilsveröffentlichung klagen.
Die Wirtschaftskammer Tirol geht sehr energisch und erfolgreich gegen solche „Schwindelfirmen“ vor. In manchen Fällen kommt es auch zu Anklagen wegen gewerbsmäßigem Betrug oder anderen strafrechtlich relevanten Delikten.
Expertinnentipp von Mag. Catharina Jahn
Abteilung Wirtschaftsrecht, Steuerrecht und Umwelt in der Tiroler Wirtschaftskammer
Unbekannten Werbe- oder Eintragungsangeboten sollte man von vornherein immer kritisch gegenüberstehen, auch wenn mit karitativen oder im öffentlichen Interesse liegenden Absichten geworben wird.
Weisen Sie Ihre Dienstnehmer:innen laufend darauf hin, dass sie keine Überweisungen oder Unterschriften tätigen sollen, wenn sie den Geschäftsfall nicht eindeutig zuordnen können oder Zweifel haben.
Lassen Sie sich auch nicht von vermeintlich, auf den ersten Blick, sehr verlockenden Angeboten zu einer sofortigen Unterschrift überreden und überrumpeln.
Auch Ihre Dienstnehmer:innen sollten nicht ohne Rücksprache mit Ihnen derartige Angebote sofort unterschreiben.
Fordern Sie immer Bedenkzeit an und lesen Sie sich die Angebote und Unterlagen in Ruhe durch, vor allem auch das Kleingedruckte!
Werbeanrufe sind ohne Ihre vorherige Einwilligung unzulässig und strafbar, wenn nicht schon eine Geschäftsbeziehung mit Ihnen besteht.
Klären Sie derartige Fälle zur Sicherheit vorher immer ab und fragen Sie bei der Wirtschaftskammer nach, bevor Sie etwas unterschreiben oder bezahlen!