Die Pflegefreistellung

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04.08.2023

Für plötzlich schwere Erkrankungen naher Angehöriger oder Betreuungsbedarf innerhalb der Familie sieht § 16 UrlG die Pflegefreistellung vor. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Freistellung vom Dienst von insgesamt einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit. Beträgt diese beispielsweise 20 Stunden pro Woche, stehen dem Arbeitnehmer auch 20 Stunden Pflegefreistellung pro Arbeitsjahr zu. Dieser Anspruch verlängert sich unter gewissen Voraussetzungen um eine weitere Wochenarbeitszeit. Die Stunden, die dem Arbeitnehmer aus der Pflegefreistellung zur Verfügung stehen, muss dieser nicht auf einmal in Anspruch nehmen, sondern kann auch in Teilen, sogar stundenmäßig verbraucht werden.

Die Inanspruchnahme der Pflegefreistellung erfordert keine vorherige schriftliche Vereinbarung. Jedoch hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig zu verständigen und falls nötig auch die erforderlichen Nachweise für die Voraussetzungen der Pflegefreistellung darzulegen.

Grundsätzlich besteht der Anspruch in 3 Fällen: Zur Krankenpflege von nahen Angehörigen, des eigenen Kindes und Stiefkindes. Die Betreuung eigener Kinder bei Ausfall der sonst zuständigen Betreuungsperson und die Begleitung eines eigenen erkrankten Kindes oder Stiefkindes zum stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus.

Jede Fallgruppe ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Der erste Fall ist die Freistellung zur Pflege naher Angehöriger, welcher in § 16 Abs 1 Z 1 UrlG geregelt ist. Die Voraussetzungen dafür liegen in der notwendigen Pflege eines nahen Angehörigen (Ehegatten, Lebensgefährten, Eltern, Großeltern, Enkelkinder, leibliches Kind, Wahl-, Pflege- und Stiefkind, usw.), welcher mit dem Arbeitnehmer im gemeinsamen Haushalt lebt. Dafür sieht das Gesetz keine Mindestdauer vor, erforderlich ist, dass der gemeinsame Haushalt auf längere Zeit angelegt ist. Bei der Pflege des Kindes durch die leiblichen Eltern ist die Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts gem. § 16 Abs 4 UrlG nicht zu erfüllen. Beide Elternteile haben also Anspruch auf Pflegefreistellung für die Pflege des erkrankten Kindes unabhängig vom gemeinsamen Haushalt (zum Beispiel bei geschiedenen Ehepartnern). Die Pflege muss tatsächlich und notwendig durch den Arbeitnehmer vorgenommen werden, was bedeutet, dass der Anspruch auf Freistellung nicht besteht, wenn der oder die Erkrankte anderweitig versorgt werden kann. Zudem muss eine gewisse Pflegebedürftigkeit vorliegen. Die Freistellung zur Pflege der erkrankten Ehefrau, die mit 37° Fieber zu Hause ist, stellt keine Bedürftigkeit dar, da Erwachsene sich in solchen Situationen selbst helfen können. Es muss also eine Notwendigkeit in der Hinsicht vorliegen, dass der erkrankte Erwachsene nicht sich selbst überlassen werden kann.

Die zweite Fallgruppe umfasst die Freistellung zur Betreuung des leiblichen Kindes, Wahl-, Pflege-, oder Stiefkindes, wenn die sonst zur Verfügung stehende Betreuungsperson ausfällt. Voraussetzungen für die Freistellung sind, dass das Kind ständig (also nicht nur aushilfsweise) von der ausfallenden Person betreut wird. Zudem muss der Grund des Ausfalls in § 15d Abs 2 Z 1 bis 5 MSchG aufgelistet sein. Dazu gehören beispielsweise Krankenhausaufenthalte, schwere Erkrankungen der Betreuungsperson, Tod oder Haft. Auch wenn so ein Grund vorliegt, trifft den Arbeitnehmer immer noch die Pflicht sich zu bemühen, dass der Hinderungsgrund anderweitig bewältigt werden kann, sodass die Arbeitspflicht nicht darunter leidet. Wenn es zumutbar ist, dass die Betreuung anderweitig organisiert werden kann, besteht der Anspruch auf Pflegefreistellung nicht. 

Die dritte und letzte Fallgruppe ist die Freistellung zur Begleitung des erkrankten eigenen Kindes, Wahl- oder Pflegekindes bei einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus. Voraussetzung ist, dass das Kind das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Haushaltsangehörigkeit ist bei der Begleitung des eigenen Kindes keine Voraussetzung. Bei der Begleitung des Stiefkindes, muss jedoch ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind und dem leiblichen Elternteil des Kindes bestehen.

Wenn nun der erste Anspruch auf Freistellung für eine Wochenarbeitszeit aufgebraucht wurde, hat der Arbeitnehmer wie bereits erwähnt unter gewissen Voraussetzungen den Anspruch auf eine zweite Woche (auch hier regelmäßige Wochenarbeitszeit) Pflegefreistellung pro Arbeitsjahr. Dies gebührt dem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen, dass eine notwendige Pflege des eigenen erkrankten Kindes, Wahl- oder Pflegekindes vorliegt. Auch besteht der Anspruch für die Pflege des Stiefkindes, mit diesem aber im Gegensatz zum Anspruch für das eigene Kind, ein gemeinsamer Haushalt bestehen muss. Zudem darf das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Dieser Anspruch besteht jedoch nur, wenn der Grundanspruch bereits verbraucht ist und der Arbeitnehmer auch sonst keinen Anspruch auf anderweitige bezahlte Freistellung hat (etwa ein Dienstverhinderungsgrund gem. § 8 Abs 3 AngG). 

Ist der Anspruch auf Pflegefreistellung innerhalb eines Arbeitsjahres erschöpft, hat der Arbeitnehmer dann immer noch die Möglichkeit einen Urlaub anzutreten, auch ohne vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Diese Inanspruchnahme des Urlaubs wird auf den Jahresurlaub angerechnet. Wenn auch der bezahlte Jahresurlaub ausgeschöpft ist, kann der Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub nehmen.

Werden also die Voraussetzungen einer Fallgruppe der Pflegefreistellung erfüllt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung. Zur Vermeidung von Streitigkeiten ist zu empfehlen, dass klar kommuniziert wird, wie die Information über die Inanspruchnahme der Freistellung seitens des Arbeitnehmers zu erfolgen hat und mögliche Forderungen von ärztlichen Attesten im Vorhinein abzuklären.

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