Gewährleistung nach Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) beim Warenkauf – Anwendungsbereich, Ausnahmen, Definitionen

Regelungen ab 1.1.2022

Lesedauer: 9 Minuten

Das Verbrauchergewährleistungsgesetz, kurz VGG sieht für Verbraucherverträge über den Kauf beweglicher Sachen und über die Bereitstellung digitaler Leistungen, die ab 1.1.2022 abgeschlossen werden, besondere Gewährleistungsbestimmungen vor. Die Bestimmungen des VGG sind zwingend und können mit wenigen Ausnahmen nicht abweichend vereinbart werden. 

Für Verträge zwischen Unternehmern („Business to Business“ oder kurz „B2B“) gilt das VGG mit Ausnahme der Aktualisierungspflicht nicht. 

Außerhalb des Anwendungsbereichs des VGG gelten die Gewährleistungsbestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) und des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG).  

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Warenkauf. Für Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen (z. B. Downloads oder Software) gelten zum Teil abweichende Bestimmungen.  

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1. Zeitlicher Anwendungsbereich 

Das VGG gilt für Warenkaufverträge, die ab dem 1.1.2022 geschlossen werden. Für bis 31.12.2021 geschlossene Verträge gelten die bisherigen Gewährleistungsbestimmungen.

2. Für welche Verträge bzw. Leistungen gilt das VGG? 

2.1 Persönlicher Anwendungsbereich 

Das VGG gilt für Verbraucherverträge, also für Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Im Geltungsbereich des VGG muss der Unternehmer als Anbieter und der Verbraucher als Nachfrager auftreten („Business to Consumer“ oder kurz „B2C“). 

Die Unternehmer- bzw. Verbrauchereigenschaft richtet sich nach dem KSchG. Hinzuweisen ist auf sog. Vorbereitungsgeschäfte (Gründungsgeschäfte): Tätigt eine natürliche Person Geschäfte, die zur Aufnahme ihrer unternehmerischen Tätigkeit dienen, gilt diese Person als Verbraucher.

Das VGG gilt daher nicht für Verträge

  • bei denen (ausnahmsweise) der Verbraucher als Anbieter und der Unternehmer als Nachfrager auftritt („C2B“),
  • zwischen Unternehmern („B2B“) und
  • zwischen Verbrauchern („C2C“). 

In diesen Fällen kommen die Gewährleistungsbestimmungen des ABGB zur Anwendung.

Grundsätzlich kommt das VGG auf Verträge zwischen Unternehmern also nicht zur Anwendung. Eine Ausnahme besteht allerdings für die Aktualisierungspflicht (Lieferung von Updates): Diese gilt auch, wenn der Vertrag zwischen zwei Unternehmern geschlossen wird. Dies ermöglicht für den Händler/Erbringer einer digitalen Leistung einen Rückgriff (Regress), der sonst in Bezug auf die Aktualisierungspflicht nicht möglich wäre, würde die Aktualisierungspflicht im Vertragsverhältnis zwischen Händler/Erbringer einer digitalen Leistung und Vorlieferanten (B2B) nicht gelten.

Achtung: 
Zwischen Unternehmern (B2B) kann die Aktualisierungspflicht vertraglich geändert und auch ausgeschlossen werden. B2C ist eine für den Verbraucher verschlechternde Änderung nicht zulässig.

2.2 Sachlicher Anwendungsbereich

Die Gewährleistungsbestimmungen des VGG gelten für Verbraucherverträge über

2.2.1 Was sind „Waren“? 

„Waren“ sind bewegliche körperliche Sachen (§ 1 Abs. 1 Z 1 VGG), also etwa ein Auto, ein Buch, ein Kleidungsstück, ein Kanister Benzin. Ob die Ware bereits existiert oder erst hergestellt werden muss, ist für die Frage der Anwendbarkeit des VGG unerheblich. 

Wasser, Gas und Strom gelten dann als bewegliche körperliche Sachen, wenn sie in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge verkauft werden (z.B. Kauf einer Wasserflasche oder einer Gaskartusche). Damit unterliegen leitungsbezogene Bezugsverträge nicht dem VGG. 

Auch sogenannte „Waren mit digitalen Elementen“ (§ 2 Z 4 VGG) sind „Waren“, nämlich bewegliche körperliche Sachen, die ohne digitale Leistung (z.B. Software) nicht oder nicht vollständig einwandfrei funktionieren, also z.B. ein Smartphone mit vorinstallierten Anwendungen, eine intelligente Fitnessuhr, ein Smart-TV oder ein smarter Kühlschrank („smart products“, „smart goods“). Eine Verbindung mit dem Internet ist dabei nicht zwingend erforderlich. Eine Ware mit digitalen Elementen funktioniert dann vollständig einwandfrei, wenn sie in all ihren Funktionen einwandfrei funktioniert, also sowohl in ihren Haupt- als auch in ihren Nebenfunktionen. Funktioniert die Ware nicht vollständig einwandfrei, hat der Verbraucher Anspruch auf Gewährleistung. 

Ob eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, ist nach dem Vertragsinhalt zu beurteilen, im Zweifel ist davon auszugehen, dass die digitale Leistung vom Vertrag umfasst ist (§ 9 Abs. 2 VGG). Wird etwa ein TV-Gerät damit beworben, dass es eine bestimmte Video-Anwendung hat, ist die Video-Anwendung als Teil des Vertrags über das TV-Gerät anzusehen; insgesamt ist damit das TV-Gerät eine „Ware mit digitalen Elementen“.  

Nicht zwingend erforderlich ist es, dass die digitale Leistung (z.B. Software) vom Verkäufer auf das smart product eingespielt wird, sodass auch dann eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, wenn gemäß dem Vertrag der Verbraucher die Software erst auf das smart product herunterladen muss.

Ist die Bereitstellung der digitalen Leistung (also z.B. der Software) vertraglich nicht geschuldet, muss der Verbraucher einen separaten Vertrag über die Bereitstellung der z.B. Software abschließen. Dieser Vertrag betreffend die Software ist dann kein „Vertrag über den Kauf von Waren“, sondern ein „Vertrag über die Bereitstellung digitaler Leistungen“ − das sind einerseits digitale Inhalte (z.B. Downloads, Software, Musik- oder Audiodateien, E-Books) und andererseits digitale Dienstleistungen (z.B. Cloud-Dienste, Social Media), wofür das VGG von für den Warenkauf zum Teil abweichende Gewährleistungsregelungen vorsieht.  

Beispiel zur Abgrenzung von „Ware“ und „Ware mit digitalen Elementen“:

Kauft der Verbraucher einen Laptop mit einem vorinstallierten Betriebssystem, ist der Laptop eine „Ware mit digitalen Elementen“. Aber auch dann, wenn das Betriebssystem noch nicht vorinstalliert ist, der Kunde das Betriebssystem aber mit demselben Vertrag kauft, mit dem er den Laptop kauft, ist der Laptop eine „Ware mit digitalen Elementen“. Nicht zwingend erforderlich ist es, dass das Betriebssystem vom Verkäufer auf den Laptop eingespielt wird, sodass auch dann eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, wenn gemäß dem Vertrag der Verbraucher das Betriebssystem erst auf den Laptop herunterladen muss.

Kauft der Verbraucher hingegen einen Laptop ohne vorinstalliertes Betriebssystem und ist der Kauf des Betriebssystems auch nicht Teil des Kaufvertrages, ist der Laptop keine „Ware mit digitalen Elementen“, sondern eine „Ware“ (= Sache). Kauft der Verbraucher in der Folge mit einem separaten Vertrag ein Betriebssystem, mit dem er den Laptop bespielt, ist der Vertrag über die Bereitstellung des Betriebssystems ein „Vertrag über die Bereitstellung einer digitalen Leistung“.

Es können auch „analoge“ Sachen, die an sich auch ohne Software verwendet werden können, „Waren mit digitalen Elementen“ sein. So etwa ein Sprach- oder Musiklehrbuch, welches gemeinsam mit einem Datenträger (z.B. CD) geliefert wird, auf der sich Hörbeispiele und Übungen befinden. Bei den auf dem Datenträger (also z.B. der CD) gelieferten Inhalten handelt es sich nämlich um wesentliche Ergänzungen des Lehrbuchs, ohne die das Lehrbuch seine Funktion nicht vollständig erfüllen kann.

Bei einer Gebrauchsanleitung hingegen handelt es sich lediglich um Zubehör. Der Umstand, dass eine solche Anleitung auf einem Datenträger mitgeliefert wird, macht eine Sache nicht zu einer „Ware mit digitalen Elementen“. 

Dient ein körperlicher Datenträger, etwa ein USB-Stick, eine CD oder eine DVD, lediglich zur Bereitstellung einer digitalen Leistung (z.B. Computerprogramm, Musik, Film), gilt dies insgesamt als digitale Leistung. Folge: Es sind nicht die Bestimmungen über den Warenkauf anzuwenden, sondern die Bestimmungen über die Bereitstellung digitaler Leistungen

2.2.2 Was ist ein „Vertrag über den Kauf von Waren“? 

Unter „Vertrag über den Kauf von Waren“ sind die im Folgenden aufgezählten Arten von Verträgen über bewegliche Sachen zu verstehen. Ob der Vertrag in Anwesenheit beider Vertragsteile oder unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird, ist dabei unerheblich.  

  • Kaufverträge im Sinne der §§ 1053 ff. ABGB, also Verträge, bei denen sich
    • der Verkäufer zur Übergabe der Sache und
    • der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.
    • Beispiel: Kauf eines Konfektionsanzuges.
    • Tauschverträge, also Verträge bei denen eine Sache gegen eine andere Sache, die nicht Geld ist, hingegeben wird, unterliegen nicht dem VGG.
  • Werklieferungsverträge im Sinne der §§ 1151 ff. ABGB, also Verträge, bei dem sich
    • der Werkunternehmer zur Herstellung eines Werkes verpflichtet,
    • wobei der Werkunternehmer auch das Material zur Verfügung stellt.
    • Werklieferungsverträge enthalten Elemente von Kauf- und Werkvertrag.
    • Ob Kaufvertrags- oder Werkvertragsrecht anwendbar ist, ist im Einzelfall je nach Überwiegen der Kaufvertrags- oder Werkvertragselemente zu beurteilen, im Zweifel gilt Kaufvertragsrecht (§ 1166 ABGB).  

Klassische Werkverträge, also Verträge, bei denen der Werkunternehmer (Auftragnehmer) einen Erfolg schuldet, unterliegen nicht dem VGG. Ein solch klassischer Werkvertrag liegt etwa dann vor, wenn der Werkunternehmer aus dem vom Kunden (Werkbesteller) beigestellten Stoff einen Maßanzug anfertigt. Vom VGG ausgenommen sind auch Werkverträge, bei denen das Material zwar der Werkunternehmer beistellt, das Material bei einer wertenden Betrachtung aber deutlich hinter das Dienstleistungselement, das den Kern der Leistung ausmacht, zurücktritt (also etwa das Material des Installateurs für die Reparatur des tropfenden Wasserhahns). 

3. Ausnahmen vom Anwendungsbereich des VGG

Das VGG gilt nicht für Verträge über (§ 1 Abs. 2 VGG):

  • unbewegliche Sachen,
  • den Kauf lebender Tiere,
  • analoge Dienstleistungen: Das sind „klassische“ Dienstleistungen, bei denen sich der Dienstleister verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, ohne dass er einen bestimmten Erfolg schuldet. Für sie gilt das VGG auch dann nicht, wenn der Dienstleister digitale Mittel einsetzt, um das Ergebnis der Dienstleistung zu erzeugen oder es dem Verbraucher zu liefern oder zu übermitteln. Zu denken ist dabei z.B. an einen Unternehmensberater, der eine Analyse unter Zuhilfenahme von digitalen Datenbanken vornimmt und das Resultat seiner Recherche dem Verbraucher anschließend elektronisch übermittelt, oder an den Baumeister, der mithilfe eines elektronischen Zeichenprogramms Pläne erstellt, oder an den Mitarbeiter eines Reisebüros, der mittels einer Buchungssoftware ein Reiseangebot für einen Kunden zusammenstellt.
  • Sachen, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen gekauft werden. Das VGG gilt also nicht für bei einer gerichtlichen Versteigerung im Rahmen von Exekutions- oder Insolvenzverfahren erworbene bewegliche Sachen. Für Sachen, die bei einer Präsenzversteigerung (z.B. Versteigerung in einem Auktionshaus) oder bei einer reinen online-Auktion (z.B. Versteigerung über ebay) erworben werden, hingegen gilt das VGG.
  • Weiters gilt das VGG unter anderem nicht für Elektronische Kommunikationsdienste im Sinn von Art. 2 Z 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972, Gesundheitsdienstleistungen im Sinn von Art. 3 lit a der Richtlinie 2011/24/EU, bestimmte elektronische Glücksspieldienstleistungen, und Finanzdienstleistungen im Sinn von Art. 2 lit b der Richtlinie 2002/65/EG. Details zu den weiteren Ausnahmen.

4. Zwingendes Recht 

Die Bestimmungen des VGG sind zugunsten des Verbrauchers zwingend. Vertragsklauseln, die von den zwingenden Bestimmungen zum Nachteil des Verbrauchers abweichen, sind unwirksam (§ 3 VGG). Vereinbarungen, die zugunsten des Verbrauchers über den im VGG vorgesehenen Schutz hinausgehen, sind hingegen zulässig.

Die Vertragsparteien können jedoch in wenigen, im VGG ausdrücklich geregelten Fällen von den an sich zwingenden Regelungen des VGG zu Lasten des Verbrauchers Abweichendes vereinbaren. 

Dies betrifft folgende Fälle:

Vereinbarung nach der Verständigung des Unternehmers vom Mangel (§ 3 VGG):

Hat der Verbraucher den Unternehmer vom Mangel verständigt, sind Vereinbarungen möglich, die die Rechte des Verbrauchers einschränken. Das heißt, erst ab dem Zeitpunkt der Verständigung sind vom VGG abweichende Vereinbarungen zulässig und wirksam. Daher kann der Unternehmer, dem der Verbraucher den Mangel angezeigt hat, mit dem Verbraucher z.B. wirksam vereinbaren, dass die Reparatur der mangelhaften Sache nicht in angemessener Frist, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll.

Achtung: 

Eine Vereinbarung, nach der der Verbraucher vorab − also vor seiner Verständigung des Unternehmers vom Mangel − Regelungen zustimmt, die von den zwingenden Gewährleistungsregelungen des VGG abweichen, ist nicht wirksam!

Beim Verbrauchergeschäft kann daher insbesondere nicht in den dem Vertrag zugrunde gelegten AGB von den gesetzlichen, zwingenden Gewährleistungsbestimmungen wirksam abgewichen werden. Auch ein vorab im Einzelnen ausgehandeltes Abweichen von den gesetzlich zwingenden Bestimmungen ist nicht ausreichend und daher nicht erfolgreich durchsetzbar. 

Nicht ausreichend ist eine einseitige Änderung der (zwingenden) Gewährleistungsbestimmungen, also etwa, wenn der Unternehmer nach Anzeige des Mangels durch den Verbraucher vorschlägt, die Reparatur nicht in angemessener Frist, sondern erst später durchzuführen, und der Verbraucher dem nicht zustimmt!

Verkürzung der Gewährleistungsfrist bei gebrauchten beweglichen Sachen auf ein Jahr

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Verkürzung der Gewährleistungsfrist bei Kfz auf ein Jahr

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Abweichen von objektiv erforderlichen Eigenschaften

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Abweichen von der Aktualisierungspflicht („Update-Pflicht“)

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Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen

Bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Leistungen (also etwa Downloads), die ebenfalls dem VGG unterliegen, muss die neueste bei Vertragsabschluss verfügbare Version der digitalen Leistung bereitgestellt werden, sofern nichts anderes vereinbart wurde (§ 6 Abs. 4 VGG).

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Stand: 01.09.2023

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