Christian Helmenstein, Philipp Krabb, Tobias Thomas: Standort-Sentiment als Determinante der Investitionstätigkeit – Zur Erklärungskraft von internationaler Medienberichterstattung und nationaler Perzeption für Standortentscheidungen
Investitionen sind entscheidend für die makroökonomische Entwicklung
Investitionen sind Voraussetzung für den Fortbestand von Unternehmen und in Folge für den Erhalt des Wohlstands einer Gesellschaft. Sie erneuern und vergrößern den verfügbaren Kapitalstock und tragen wesentlich zur Diffusion von Innovationen bei, die wiederum Wachstum und Beschäftigung generieren.
Ein Unternehmen mit niedriger Investitionsquote verliert mittel- bis langfristig an Wettbewerbsfähigkeit, da seine Produktivität gegenüber Wettbewerbern, die ihr Sach- und Humankapital laufend erneuern bzw. ausbauen, sukzessive abnimmt. Eine zurückgehende Investitionsneigung von Unternehmen ist daher ein Vorbote einer entsprechend schwächeren makroökonomischen Entwicklung.
Investitionslücke kann nicht nur durch klassische Einflussfaktoren erklärt werden
Seit der Finanzkrise weisen die Investitionen in Europa, vor allem in der Eurozone, eine geringere Dynamik auf. Auch in Österreich folgt die Entwicklung der Investitionen diesem europaweiten Trend. In der Literatur gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass die beobachtete Investitionszurückhaltung die Folge einer negativen Investorenstimmung bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone sowie eines mangelnden Vertrauens in die globale Wachstumsdynamik derselben sein könnte.
Dies führt zu der Frage, auf welche Einflussfaktoren genau die verringerte Investitionsaktivität zurückzuführen ist und welche Transmissionsmechanismen dabei eine Rolle spielen. Keinesfalls ist die Investitionslücke ausschließlich mit „harten Faktoren“ zu erklären. Denn während mehrere makroökonomische Indikatoren wie ein niedriges Zinsniveau und sinkende Weltmarktpreise für Investitionsgüter eigentlich für eine expansive Investitionstätigkeit sprächen, ist gegenwärtig empirisch das Gegenteil zu beobachten. Neben verschlechterten Rahmenbedingungen sind daher auch andere Einflussgrößen zu vermuten.
Medienberichterstattung beeinflusst Erwartungen und Investitionsentscheidungen
Vielmehr spielt neben den klassischen Erklärungsgrößen von Investitionen – wie beispielsweise dem (erwarteten) Wirtschaftswachstum, den Zinssätzen, den Wechselkursen, der Kapitalverfügbarkeit, dem Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft und der Anreizkompatibilität ihrer institutionellen und regulatorischen Rahmenbedingungen – das Investoren-Sentiment eine zentrale Rolle. Neben dem individuellen Erfahrungshintergrund bei früheren Investitionsentscheidungen übt dabei die internationale Medienberichterstattung einen signifikanten Einfluss auf die Erwartungsbildung aus, besonders bei ausländischen Investoren.
Empirische Evidenz für Österreich
Eine Auswertung von Daten zur Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Österreich seit dem Jahr 2005 nach Maßgabe des Standortbarometers Panel-50* sowie zur internationalen Medienberichterstattung über Österreich im Allgemeinen und zum Wirtschaftsstandort im Speziellen belegen empirisch die Bedeutung des Einflusses von Perzeption auf die Erwartungsbildung und zeitlich entsprechend verzögert auf die Investitionstätigkeit. Je nach Tenor der Medienberichterstattung über die Qualität des Wirtschaftsstandortes Österreich wird die Vornahme oder Unterlassung tatsächlicher Investitionsaktivitäten begünstigt oder gehemmt.
Signale standortpolitischer Berechenbarkeit erforderlich
Die heimische Wirtschaftspolitik sollte daher von diskretionären Interventionen Abstand nehmen, welche die Berechenbarkeit der fiskalischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinträchtigen. Umgekehrt werden aber richtungsweisende Verbesserungen der Standortbedingungen auf Grund der Konsolidierungserfordernisse der öffentlichen Haushalte kurzfristig kaum möglich sein. Unmittelbar beeinflussbar ist hingegen die politische Kommunikation zu standortrelevanten Themenstellungen. Die Politik sollte darauf setzen, national wie international Signale der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit auszusenden und diesen Signalen entsprechend zu agieren. Zudem sollte sich die Politik unverzüglich auf Pfade zur schrittweisen Verbesserung der Rahmenbedingungen verständigen, um die Erwartungen der Investoren unter Berücksichtigung der zum Teil beträchtlichen Vorlaufzeiten zum Besseren zu wenden.
Autoreninformation

MMag. Philipp Krabb ist Senior Researcher am Economica Institut für Wirtschaftsforschung.


* Das Panel-50 ist eine im Jahr 2005 von der Industriellenvereinigung etablierte quartalsweise Erhebung unter hochrangigen RepräsentantInnen der österreichischen Volkswirtschaft zu deren Einschätzung der Standortqualität in Österreich.