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Finanzierung der EU nach dem Brexit: Eine Analyse des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 | Dr. Benjamin Bittschi, Dr. Martin G. Kocher, Dr. Klaus Weyerstraß

Ausgabe 3/2018 der Wirtschaftspolitischen Blätter

Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) 

Im Zuge des Mehrjährigen Finanzrahmens, dem Budget der EU, wird die Politik für fast ein Jahrzehnt in Zahlen gegossen. Aus dieser Langfristigkeit ergibt sich die Relevanz der aktuellen Diskussion über Prioritäten in der Aufgabenerfüllung und über die Weichenstellungen in der Finanzierung. Es geht um die Finanzierung und um die Ausgaben der EU von 2021 bis 2027. Idealerweise beschlösse das EU-Parlament den MFR noch vor der Neuwahl im Frühjahr 2019. Aufgrund der politischen Kontingenzen wird allerdings mit einem Abschluss erst im Jahr 2020 oder später gerechnet, was für einige Programme (z.B. Horizon Europe) aufgrund nötiger Vorbereitungen größere Probleme bedeuten würde.

Der vorliegende Beitrag fordert die Berücksichtigung zweier wichtiger Aspekte bei den anstehenden Entscheidungen. Zum einen soll das Denken in Nettobeitragspositionen überwunden werden. Zum anderen soll es eine stärkere und ehrliche Orientierung am europäischen Mehrwert bei der Aufgabenallokation zwischen EU-Ebene und Mitgliedstaaten geben. Vorgeschlagen wird eine umfassende Aufgabenanalyse auf Basis der Theorie des Föderalismus.

Vorteile größer als Zahlungen

Die Debatte zum Mehrjährigen Finanzrahmen scheint politisch überhöht, wenngleich es dabei auch um wichtige Aspekte der Finanzwissenschaft und um wichtige politische Prioritäten geht: Dennoch beträgt der Umfang des Mehrjährigen Finanzrahmens lediglich etwa 1% des europäischen BIP. In der öffentlichen und politischen Diskussion spielt oft eine Rolle, ob ein Land mehr in den EU-Haushalt einzahlt als es an direkten Zahlungen erhält oder umgekehrt („Nettozahler“ bzw. „Nettoempfänger“). Diese Diskussion bildet die Vorteile aus der EU-Mitgliedschaft aber nur sehr unzureichend ab. Tatsächlich sind gerade für eine offene Volkswirtschaft wie Österreich, die sehr stark in den internationalen Handel eingebunden ist, die Vorteile aus dem freien Waren- und Dienstleistungshandel sowie aus der Personenfreizügigkeit weitaus größer als die reinen Zahlungen aus dem EU-Budget.

Orientierung an der Theorie des Föderalismus

Zur Bestimmung einer optimalen Zuteilung staatlicher Aufgaben auf die verschiedenen föderalen Ebenen ist die Theorie des Föderalismus hilfreich. Die Zentralregierung (bzw. in diesem Fall die EU) sollte dabei vor allem jene öffentliche Güter bereitstellen, die

  • eine hohe Zustimmung der Bevölkerung aller untergeordneten staatlichen Einheiten besitzen, d.h. wenn die Präferenzen für die Ausgestaltung der öffentlichen Aufgabe keine stark regional-korrelierten Schwankungen aufweisen;
  • entsprechende Skalenvorteile in der Bereitstellung des öffentlichen Gutes aufweisen, d.h. dass die Bereitstellung mit der Größe des Bereitstellungskollektivs pro Kopf kostengünstiger werden;
  • bei der Bereitstellung auf dezentraler Ebene negative Externalitäten zwischen den Gebietskörperschaften offenbaren.

Die dezentralen Einheiten wiederum sollen öffentliche Güter bereitstellen, die vornehmlich deren jeweiliger Bevölkerung Nutzen stiften. Eine solche Zuordnung gewährleistet, dass eine Verteilung staatlicher Aufgaben auf verschiedene föderale Ebenen regional unterschiedliche Präferenzen berücksichtigt und somit eine höhere Wohlfahrt generiert als eine alleinige Bereitstellung öffentlicher Güter auf der zentralen Ebene. Diese Grundüberlegungen finden eine rechtliche Übersetzung im Prinzip der Subsidiarität, welches seit dem Maastrichter Vertrag die Kompetenzausübung innerhalb der EU normiert.

Allerdings spielt das Prinzip der Subsidiartität bisher nur eine sehr begrenzte Rolle in der Gestaltung der Aufgabenverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Auch im aktuellen Vorschlag der Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen zeigen sich kaum Umschichtungen in der Finanzierungsstruktur. Es ist offensichtlich, dass die Rückführung von Programmen, welche auf EU-Ebene kaum den Kriterien einer optimalen Allokation genügen, nur zaghaft vorstatten geht; umgekehrt gibt es nur zaghafte Pläne zum Ausbau jener Programme, die man aus ökonomischer Sicht zweifelsfrei zentralisieren sollte (z.B. Asylwesen, gemeinsame Verteidigungspolitik).

Vorschlag zur Einführung weiterer Eigenmittel

Darüber hinaus stellt sich vor dem Hintergrund des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Einführung weiterer Eigenmittel die Frage der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit eigener Einnahmen zur Finanzierung des EU-Budgets. Hierbei sind insbesondere die institutionellen Gegebenheiten der EU zu berücksichtigen, in deren Rahmen das EU-Parlament keine Besteuerungsbefugnis hat, es eine feste Obergrenze des EU-Budgets gibt und keine Möglichkeit zur Schuldenfinanzierung existiert. Diese institutionellen Eigenheiten erschweren die Anwendung der skizzierten Theorie des fiskalischen Föderalismus. Dadurch ist der Spielraum für Reformen der Einnahmenseite des EU-Budgets, insbesondere im Hinblick auf eigene Steuern der EU, begrenzt. Wenn sich eine Reform der EU-Finanzen an den Leitprinzipien der Expertenkommission, geleitet von Mario Monti orientiert (zuverlässig, ausreichend, fair, effizient, transparent und einfach), wären Verbesserungen auch ohne eigene EU-Einnahmen im Rahmen des bestehenden Systems umsetzbar.

Fazit

Insgesamt ist der Vorschlag der Kommission zum MFR sehr pragmatisch. An vielen Stellen hätte man sich konsequentere Schlussfolgerungen aus der bestehenden Evidenz bzw. Aufgabenallokation und den Finanzierungsoptionen erwartet. Aus vielen Papieren der EU-Kommission kann man herauslesen, dass diese Schlussfolgerungen existieren und auch politisch aufgegriffen wurden. Offensichtlich glaubt man aber in der EU-Kommission nicht, dass ein mutigerer Entwurf des Mehrjährigen Finanzrahmens eine Chance auf Verwirklichung hätte.

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Autoreninformation

  • Benjamin Bittschi ist Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien sowie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT); Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Themen der Finanzwissenschaft

  • Martin G. Kocher ist Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien und Professor an der Universität Wien; Seine Spezialthemen in der Forschung sind: Verhaltensökonomik und Finanzwissenschaft

  • Klaus Weyerstraß ist Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien, Gruppe Makroökonomie
    und Wirtschaftspolitik; Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Konjunkturanalyse und -prognose, makroökonomische Modellierung sowie Fiskalpolitik
Portrait Bittschi
© beigestellt vom Autor Benjamin Bittschi
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© IHS Martin G. Kocher
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© beigestellt vom Autor Klaus Weyerstraß