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EU Politik für mehr Wettbewerbsfähigkeit | Dr. Klaus Gretschmann

Ausgabe 3/2018 der Wirtschaftspolitischen Blätter

Herausforderungen für die Europäische Union

Die Europäische Union steht derzeit vor zahlreichen Herausforderungen. Ihre vormalige Attraktivität als vielgepriesenes Wirtschafts- und Sozialmodell scheint sich angesichts der Schwierigkeiten der Eurozone, der militärischen Herausforderungen an den Außengrenzen, den Flüchtlingsströmen und den internen Interessenkonflikten zu verflüchtigen. Mittlerweile scheint es vielen Beobachtern, als ob auch ein Auseinanderbrechen der ökonomischen und gesellschaftlichen Grundlagen der EU nicht mehr völlig ausgeschlossen werden kann.

Europas Fähigkeit, im globalen Wettbewerb zu bestehen, ist seit zwei Dekaden rückläufig. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die langfristige Wettbewerbsfähigkeit tendenziell vernachlässigt wurde. Die Fähigkeit von Unternehmen, sich durch Innovationen, Steuerung von Wertschöpfungsketten, steigende Faktorproduktivität und institutionelle und strategische Entscheidungen auf globalen Märkten in eine vorteilhafte Position zu bringen, sind nicht angemessen gestiegen.

Zwar hat Europa viele Stärken, wie seine Vielfalt, seine intellektuelle Kraft, seine technische und wissenschaftliche Basis, sein kraftvolles Unternehmertum sowohl bei KMU wie auch bei Start-ups und bewährten Unternehmenschampions. Europa hat viele führende Industriesektoren, wie etwa Transport, Energie, Umwelt, Chemie, Maschinenbau aufzuweisen, in anderen wichtigen Bereichen allerdings, etwa in der Finanz- oder Digitalwirtschaft, ist die EU Industrie schwach und könnte leicht aus Zukunftsmärkten verdrängt werden.

Schon seit längerem leiden das EU Wachstumspotenzial und die Produktivitätsentwicklung an Unterinvestitionen, an ineffizienten Finanzstrukturen, an falscher Regulierung, an mangelhafter Infrastruktur und an institutionellen Barrieren und verkrusteten Märkten.

Wiederherstellung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

Vor diesem Hintergrund ist die Wiederherstellung und langfristige Sicherung der EU Wettbewerbsfähigkeit das Gebot der Stunde. Die EU widmet sich dieser Herausforderung schon seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Ideen und Konzepten, insgesamt aber mit nur beschränktem Erfolg.

Bereits im Jahr 2000 entwickelte der EU Rat der Staats- und Regierungschefs unter portugiesischer Präsidentschaft in der sogenannten „Lissabon Strategie“ grundlegende Ideen zur Stärkung der EU Wettbewerbsfähigkeit. Ziel war, „dass die EU die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensökonomie in der Welt wird, fähig zu nachhaltigem Wachstum, mit mehr und besseren Jobs sowie größerer sozialer Kohäsion.“ Es ging dabei um eine fundamental erneuerte ökonomische Modernisierungsstrategie für die EU. Die Verwirklichung der Maßnahmen und Programme war allerdings nur zu geringen Teilen erfolgreich.

Einen neuen Schub erhielt die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit im Gefolge der globalen Finanz- und Schuldenkrise ab 2008. Angesichts einer weit verbreiteten Zurückhaltung gegenüber makroökonomischen Stimulusprogrammen und bestehender Budgetknappheiten war man auf Ideen zurückgekommen, Europas wichtigste Ressourcen - nämlich Wissen, Innovation und einen förderlichen institutionellen Rahmen - so zum Einsatz zu bringen, dass damit die Grundlage für eine Stimulierung von Wachstum und Beschäftigung gelegt und Krisenbewältigung gelingen konnten.

Im Jahr 2010 hatte die EU ihren 2020 Ansatz vorgelegt, in welchem die Kommission Leitinitiativen vorschlug, die auf europäischer Ebene und in den EU Mitgliedstaaten durchgeführt werden sollten.

Und auch in den letzten Jahren dominieren EU Wettbewerbsfähigkeitsinitiativen die politische Diskussion: Mit der Europäischen Agenda für Forschung und Innovation wurden Maßnahmen vorgestellt, die zu einer erhöhten Innovationsfähigkeit Europas und zu dauerhafter Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand führen sollten. Vor diesem Hintergrund hat die EU einen 500 Mrd. Euro umfassenden Investitionsplan für Europa auf den Weg gebracht.

All diese Ideen und Initiativen erscheinen aber eher eklektisch, ein umfassend geschlossenes Konzept scheint zu fehlen. Europa mangelt es sicherlich nicht an Ideen und Konzepten, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, auch nicht an gutem Willen oder an finanziellen Möglichkeiten. Es ist eher die kritische Fragmentierung zwischen europäischen und nationalen Ansätzen, Probleme der Interoperabilität und der begrenzten Kooperation zwischen den Entscheidungsträgern und den „Betroffenen und Beteiligten“, die Probleme schafft. Es passen vielfach generalisierte Initiativen und Maßnahmen eben nicht auf die einzelnen nationalen Problemlagen und es fehlen „tailor-made“ Instrumente zur Wettbewerbsförderung.

Europa braucht mehr Dynamik, Innovation, Risikoakzeptanz und Unternehmergeist

Heute begreifen wir, dass sowohl Wettbewerbsfähigkeit als auch Innovation das Resultat der Interaktion zwischen vielen Akteuren in einer „ecology of actors and factors“ ist. Das richtige Zusammenspiel dieser Faktoren ist es, welches eine Idee in eine Lösung, einen Prozess oder ein Produkt transformiert, welche auf Märkten und in Gesellschaften nachgefragt und genutzt werden und somit die Wettbewerbsfähigkeit steigert.

Wir müssen anerkennen, dass Innovation aus einem komplexen Prozess resultiert, welcher Neugier, Kreativität, wissenschaftliche Qualität und einen passenden politisch-institutionellen Regelungsrahmen kombiniert. Die Emergenz neuer Konzepte, Ideen, Produkte und Prozesse bedarf unorthodoxen Denkens, Improvisation, trial and error sowie der Nutzung von explizitem und verborgenem Wissen.

Insgesamt brauchen wir mehr Dynamik, Innovation, Risikoakzeptanz und Unternehmergeist, will Europa in der Welt von morgen bestehen. Die Rahmendaten haben sich fundamental geändert: Überalterung, beschränkte Faktormobilität, Bildungsdefizite, Infrastrukturschwächen, Fortschrittsskepsis, institutionelle Sklerose und vieles mehr behindern die nötige Modernisierung, um Europa und seine Mitgliedstaaten zukunftsfähig zu machen.

Um diese aufzubrechen, kann die Konzentration auf Wettbewerbsfähigkeit in ihren vielfältigen Facetten ebenso ein Hebel sein wie die Schaffung eines positiven Innovationsklimas in Wirtschaft und Gesellschaft durch einen angemessenen Maßnahmenmix sowie die Erarbeitung und Entfaltung eines Ecosystems für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. 

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Autoreninformation

Professor Dr. Klaus Gretschmann lehrte in Köln, Maastricht, Florenz, Aachen und Washington D.C. Public Economics und war Generaldirektor im EU Ministerrat mit Zuständigkeit für Wettbewerbsfähigkeit, Binnenmarkt, Industriepolitik, Forschung, Transport und Energie.

Vorher diente er als Ministerialdirektor und persönlicher Beauftragter des deutschen Bundeskanzlers für die G7/G8 Gipfel. Er arbeitet heute als Berater in EU Angelegenheiten für Politik und Wirtschaft.

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