Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Vereinten Arabischen Emirate (VAE) präsentierte am 21. April 2019 der Monarch von Dubai und stellvertretender Regierungschef der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum eine umfassende Strategie rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Mit der „AI Strategy 2031“ soll der Wüstenstaat zu einem der global führenden Kräfte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz werden. Diese soll zukünftig eine essentielle Rolle im täglichen Leben und in der Wirtschaft spielen. Zu den acht Hauptzielen, die mit einem vermehrten Einsatz von Künstlicher Intelligenz zukünftig erreicht werden sollen, gehören:
- Die VAE sollen sich weltweit als zentraler Knotenpunkt auf diesem Gebiet etablieren.
- Ein neuer Wirtschaftssektor soll rund um das Thema künstliche Intelligenz geschaffen werden.
- KI soll als Inkubator für eine innovative Entwicklung des gesamten Landes genutzt werden.
- Lebensqualität im Land soll gesteigert werden.
- Große internationale Unternehmen und Investoren sollen damit vermehrt angelockt werden.
- Das Kundenservice sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich soll verbessert werden.
- Die Aus- und Weiterbildung soll durch KI verbessert werden.
- Die Infrastruktur soll effizienter und digital gestaltet werden.
Die Emirate erwarten sich durch jedes der genannten Ziele bis 2031 einen positiven Effekt auf das BIP des Wüstenstaates.
Richard Bandera, Wirtschaftsdelegierter der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA in Abu Dhabi, interviewte für innovateaustria.org im Rahmen der Austria Connect Gulf Dr. Gordian Gaeta, Panel-Moderator bei der Austria Connect Gulf zum Thema KI. Dr. Gordian Gaeta war nicht nur einer der führenden Unternehmensberater – er hat weit über die Hälfte der Top-100-Banken weltweit beraten - sondern ist heute KMU Investor/Aufsichtsrat und gilt mittlerweile auch als anerkannter KI-Experte. Er ist gebürtiger Österreicher und lebt in Hongkong und Dubai.
Bandera: KI ist – so wie Big Data oder Blockchain - gegenwärtig einer der „Modebegriffe“ in der Technologie-Welt. Was fängt man eigentlich wirklich mit künstlicher Intelligenz an?
Gaeta: Dazu muss man zwei Aspekte beachten: Die echte künstliche Intelligenz ist sicher noch 20 bis 30 Jahre entfernt, so dieses Ziel überhaupt jemals voll erreicht werden kann. Die Schritte zu dieser Künstlichen Intelligenz werden jedenfalls heute gesetzt: Zuerst denkt man über selbständige Automatisierung nach, dann kommt das Mitdenken und Lernen der Maschinen und schließlich vielleicht künstliche Intelligenz. Auf diesem Weg werden bahnbrechende Fortschritte erzielt, die sich in allen Wirtschaftsbereichen anwenden lassen.
Bandera: Was versteht man unter „echter“ künstlicher Intelligenz?
Gaeta: Damit ist gemeint, dass Maschinen bzw. Prozessoren vor-, mitdenken und eigene Entscheidungen treffen. Voraussetzung dafür ist, dass alle Daten, Umstände, Rahmenbedingungen und Entscheidungsfaktoren etc. in allen Kombinationsmöglichkeiten erfasst, beurteilt und behandelt werden. Bei komplexeren Entscheidungen oder Überlegungen erfordert dies unglaubliche Datenverarbeitungskapazität sowie die Einbindung nicht quantifizierbarer Elemente wie Emotionen, Präferenzen usw. Das wird noch dauern, bevor wir diesbezüglich stabile Abläufe programmieren können.
Bandera: Wie wird KI den Menschen unterstützen bzw. in Maschinen zum Einsatz kommen?
Gaeta: Alle Arbeitsabläufe, alle Entscheidungsfindung und alle Aktivitäten, die nicht emotioneller oder persönlicher Natur sind, könnten in Zukunft von einer Maschine oder einem Prozessor in verschiedenem Ausmaß unterstϋtzt, entschieden oder erledigt werden. Vermutlich besser als von einer durchschnittlichen oder gar qualifizierten Person, da Maschinen keine Fehler machen und nicht launig sind.
Bandera: Welche Vorteile bringt das und warum ist das interessant?
Gaeta: Weil wir einerseits immer mehr hochwertige Fachkräfte brauchen und andererseits immer mehr hochwertige Abläufe einsetzen. Es wird immer schwieriger, die Anforderungen, Qualität, Effizienz und Kosten unter Kontrolle zu halten. Jede Automatisierung, jede Roboterisierung, jedes autonome Entscheidungsmodell hilft Arbeitsabläufe zu stabilisieren, zu verbessern und Kosten zu reduzieren. Wenn wir letztlich weniger Arbeit für die Menschen haben, wird das der Lebensqualität der Einzelnen zu Gute kommen.
Bandera: Das heißt aber, dass durch intelligente Maschinen künftig Arbeitsplätze vernichtet werden.
Gaeta: In erster Linie betrifft das qualifizierte Arbeitskräfte – die Niedrigeinkommensschicht wird aus Kostengründen als letztes durch Maschinen ersetzt und hat daher langfristig stabilere wenngleich schlechter bezahlte Arbeitsstellen.
Bandera: Warum macht sich Dubai über KI so große Gedanken und kann der Wüstenstaat wirklich ein globales Zentrum dafür werden?
Gaeta: Dubai als Stadt ist relativ jung, eigentlich sehr jung ist. Daher hat sich Dubai sehr früh entschlossen, sich dieser Welle anzuschließen. Es macht kaum Sinn in der heutigen Welt mit Ansätzen der Vergangenheit zu konkurrieren. Es werden hier sehr viele Anstrengungen unternommen, hier einen Hub zu bauen, in dem an Entwicklungen für Automatisierungen, Maschinen und kϋnstliche Intelligenz, insofern man das so bezeichnen darf, gearbeitet und geforscht wird. In spätestens 10 Jahren wird KI ein Hauptaugenmerk aller Industrien und Sektoren sein. Die Grundlagenforschung und Anwendungsentwicklung kann aber überall auf der Welt stattfinden. Das ist eine der großen Möglichkeiten von Dubai und kann bis zu 30% des BIP erbringen, also weit mehr als eine Nische.
Bandera: Ein Ziel zu haben, globaler KI-Hotspot zu werden, ist das eine. Wie aktiv betreibt das die Regierung in den VAE wirklich?
Gaeta: Die Stadt selbst, das Emirat Dubai, in der die Regierung sehr oft ein Vorreiter und Vorbild ist, hat und wird eine Menge an ihren Verwaltungsaktivitäten automatisieren - das sind sie übrigens schon zu einem guten Teil. Darüber hinaus wollen sie diese Automatisierung mit künstlicher Intelligenz unterstützen. Soweit bekannt, sind die Entwicklungen auf militärischen und Sicherheitsgebieten bereits sehr fortgeschritten. Damit ist ein Start gesetzt und die Umgebung oder Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Anwendungen werden geschaffen und zusehends ausgebaut. Durch unterstützende und anfordernde Gesetze wird diese Entwicklung bewusst beschleunigt. Den Rest müssen Unternehmen selber machen. Aber der Nukleus kommt von der Regierung und den regierungsnahen Organisationen. Das macht Dubai zu einem interessanten Anlaufpunkt, um weitere Entwicklungen voranzutreiben.
Bandera: Wäre ein KI-Hub nicht dort sinnvoller, wo es viele Universitäten, KI-Forschungsinstitutionen gibt, wie etwa in den USA oder in China?
Gaeta: Dubai hat als offene Wirtschaft natürlich den großen Vorteil, dass Arbeitskräfte relativ frei importiert werden können und die Lebensqualität sehr hoch ist. Jedes Jahr kommen hunderttausende neue und zusehends besser qualifizierte Arbeitskräfte aus diesem Grund nach Dubai. Es gibt genug wissenschaftliche Institute, die KI unterstützen und – das ist bei KI-Projekten enorm wichtig. Zudem gibt es auch gute Finanzierungsmöglichkeiten, da die Finanzwirtschaft ebenfalls sehr frei und offen ist – diese Kombination schafft in Dubai wirklich nϋtzliche und angenehme Rahmenbedingungen. Dubai und die VAE sind auch politisch wesentlich neutraler als die USA oder China. Hubs sind dort erfolgreich, wo gleichgesinnte Menschen hinwollen – sie schaffen ein neues Ecosystem, dass weitere gleichinteressierte Menschen anzieht und diese neue Community zieht dann wiederum alle unterstützenden Dienstleistungen an.
Abu Dhabi, 28.05.2019
Ihr Ansprechpartner
AußenwirtschaftsCenter Abu Dhabi
Richard Bandera
T +971 2 2043444
E abudhabi@wko.at
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