Asien gilt als einer der Vorreiter der Digitalisierung, ob in China, in Indien, in Japan oder auch in Taiwan legen sowohl Regierungen als auch Unternehmen großen Wert auf die Forschungsthemen wie Blockchain, Robotics, AI oder Big Data. Das Auswerten von Daten geht in diesen Ländern ob lockerer Datenschutz- und Konsumentenschutzgesetze auch etwas leichter als im Westen, wie man am Beispiel der Analyse des Kaufverhaltens sieht. In Taiwan ist der Retail-Bereich inkl. Online Retail sehr weit entwickelt. Man kann sich zu jeder Tages- und Nachtzeit Produkte über das Internet bestellen und nach Hause schicken lassen oder bei einem der an fast jedem Ort vorhandenen sog. Convenience Stores bezahlen und/oder abholen – in Taiwan gibt es insgesamt etwa 11.000 dieser Convenience Stores, im Schnitt ein Shop für 2.200 Einwohner.
Aufgrund des harten Wettbewerbs unter den Einzelhandels-Unternehmen hat die Anwendung von Big Data/Künstliche Intelligenz zum besseren Verständnis des Kaufverhaltens der Kunden und für Marketingzwecke am taiwanesischen Markt großes Potential. So hat etwa das junge taiwanesische Unternehmen Appier auf Basis von AI automatisierte Tools entwickelt, mit der die Kundenbetreuung noch effektiver sein soll. Der Kunde wird vor, während und nach seinem Einkauf quasi „begleitet“, in Europa würde man dazu auch „überwacht“ sagen. So wird nicht nur die Internet-Präsenz von Käufern mit allen von ihnen verwendeten Geräten verknüpft, sondern es werden auch KI-Techniken für Natural Language Processing angewendet, Kundenprofile werden, wie es Appier bezeichnet, auf eine ganzheitliche Sicht beleuchtet. Ein Händler kann mithilfe der KI-Tools Einsichten darüber gewinnen, wonach die Kunden außerhalb ihrer eigenen App oder Website suchen, ein Algorithmus errechnet dann die Wahrscheinlichkeiten und Tendenzen der Kunden zu anderen Produkten, Marken und Inhalte. Kurz gesagt: Durch KI lernt man die Kunden besser kennen und analysiert sie, damit sie noch gezielter und auch mehr kaufen.
KI macht Online- zu Offline-Käufern
KI im Einzelhandel ist schon seit geraumer Zeit ein „heißes Thema“, die Vorstufe dazu sind Chatbots, mit denen man mit den Verbrauchern in Kontakt tritt und ihre Fragen automatisiert beantwortet und daraus Kundenverhalten herausliest. „Chatbots“ sind Computerprogramme, die Künstliche Intelligenz verwenden, um menschliche Konversation durch Sprachbefehle, Text oder beides zu simulieren.
Für eine Kosmetikfirma hat das Unternehmen Isobar Taiwan eine Chatbot-basierte Plattform entwickelt, die es dieser ermöglicht, nicht nur in Dialog und Kontakt mit potentiellen neuen Kunden zu treten und Informationen über diese zu sammeln, sondern auch den Verkaufserlös durch tatsächliche Gewinnung von Neukunden zu steigern. Dazu hat Isobar Taiwan ein vollständiges Ökosystem für die Online-Offline-Kommunikation geschaffen, das u.a. soziale Medien wie Facebook dazu nutzt, relevante Daten zu erhalten und Informationen über die Interessen und Hobbys der Nutzer zu speichern – etwas, was in Europa aufgrund der Datenschutzverordnung vermutlich nicht so leicht möglich wäre. Weiters wurden potentielle Kunden in Taiwan mit Hilfe von Chatbots zum Ausfüllen von Formularen animiert - im Gegenzug erhielten sie Einkaufsgutscheine, die sie analog einlösen konnten – somit wurde der Online-Kunde zum Offline-Kunden und das analoge Geschäft bekam neue Kunden.
Tragbare Datensammler
Das Kombinieren zweier Welten – online/offline – findet im Einzelhandel auch auf einer anderen Ebene statt, nämlich beim Zusammenwachsen von Mensch und Technik. Als der Begriff Mobile Marketing vor fast zwei Jahrzehnten das erstmals geprägt wurde, war das Mobiltelefon jenes Tool, mit dem neue Kunden in die Geschäfte gelockt werden konnten – mit mobilen Gutscheinen, Location Based Services und mit einer aktiven Ansprache von Mobiltelefon-Usern, die an einem Geschäft vorbeikamen, per SMS. Nun aber finden die so genannten „Wearables“, wie die am Körper getragenen Geräte wie etwa Smartwatches oder smarte Brillen genannt werden, immer breitere Anwendung. Ob Google mit Google Glass, Microsoft mit seinen VR-Brillen oder Apple mit der Smart Glass – alle haben den Markt der Wearables erkannt. Aber neben den Großen setzen auch Kleine auf diesen Geschäftszweig. Einer der weltweit führenden Produzenten von Wearables ist das taiwanesische Unternehmen COMPAL, die neben Computern und Laptops auch Wearables in den verschiedensten Varianten entwickelt. Denn längst beschränkt sich die Nutzung nicht mehr auf die Kerngebiete Gesundheit, Lifestyle und Fitness, künftig sollen Wearables das menschliche Leben in einer Reihe von Bereichen „smarter“ machen, im Smart Home genauso wie in der intelligenten Fabrik oder auch beim Einkaufen der Zukunft, Smart Retail genannt.
Anprobe in 3D
Im Bereich Einzelhandel setzten immer mehr Unternehmen auf den Einsatz von Augmented Reality (AR) und nutzen hier das Potential von Smart Glasses (Datenbrillen) aus. Mit solchen smarten Brillen können Kunden virtuelle Geschäfte quasi dreidimensional durchforsten, Produkte in 3D ansehen, sie anprobieren, ausprobieren und – etwa bei Möbelstücken – in das gewünschte Zimmer daheim platzieren. Dadurch bekommen die Konsumenten ein örtlich und zeitlich unabhängiges 3D Einkaufserlebnis. Das Erlebnis ist zwar gratis, kostenlos sind sie eigentlich nicht – die Konsumenten zahlen nämlich mit ihren Daten. Die Wearables liefern den Händler wertvolle Daten, mit denen das Kaufverhalten der Verbraucher detailliert erfasst und Entscheidungsfindungen nachvollzogen werden können.
Taipei, 29.05.2019
Ihr Ansprechpartner
AußenwirtschaftsCenter Taipei
Christian Fuchssteiner
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