BSI schlägt Alarm: Energiepreisexplosion schwächt Industrie
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Die explodierenden Energiekosten verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industriebetriebe. Auf den Energiemärkten ist keine Entspannung in Sicht. Ergebnisse einer im Jänner 2022 durchgeführten Umfrage zeigen das Bedrohungspotenzial und unterstreichen die Dringlichkeit von Entlastungsmaßnahmen. Die BSI legt dazu konkrete Vorschläge vor.
Die steigenden Energiekosten lassen in der Wirtschaft die Alarmglocken schrillen. Das belegt jetzt auch eine aktuelle Umfrage des Energieinstituts der Wirtschaft (EIW) im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich. Befragt wurden knapp 1.000 Betriebe quer durch die Branchen.
Demnach sehen 83% den Anstieg der Energiekosten als problematisch oder sogar sehr problematisch – insbesondere auch, weil sie die Preissteigerungen nicht an ihre Kunden weitergeben können. Jeder zweite Betrieb verzeichnet im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 Kostensteigerungen bei Gas, bei rund 9% der Betriebe haben sich die Gas-Kosten sogar zumindest verdoppelt. Für die Versorgung mit Strom geben 72% Kostensteigerungen an, bei 22% kam es zur Verdoppelung oder einem noch größeren Anstieg.
„Die Energieversorgung verteuert unsere Herstellungskosten – zusätzlich zu stark gestiegenen Rohstoffpreisen und verschärften, oft einseitigen Anforderungen der klimapolitischen Ziele - in einem historischen Ausmaß. Das wird sich kurzfristig nicht bessern. Die massiven Kostensteigerungen belasten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, aber auch die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe in den anderen Sparten stark“, betont Thomas Salzer, Obmann-Stellvertreter der WKÖ-Bundessparte Industrie. „Wir brauchen dringend Entlastungen, um zu verhindern, dass der Standort Österreich auf Dauer unattraktiv wird. Dies gilt insbesondere für energieintensive Branchen. Zusätzliche Belastungen, wie sie ab Juli vor allem auch aus der nationalen CO2-Bepreisung geplant sind, müssen durch umfassende Kompensation vermieden werden“, so Salzer.
Kostendruck als Standortnachteil
Der zusätzliche Kostendruck im internationalen Standortwettbewerb lässt sich anhand der Antworten klar differenzieren: Gegenüber Mitbewerbern in Deutschland bewertet jeder zweite Betrieb die Situation als problematisch oder sogar sehr problematisch. In der energieintensiven Industrie sehen das sogar zwei Drittel der Unternehmen so. Gegenüber anderen EU-Staaten liegen die Werte bei 58% (alle) und bis zu 71% (Industrie und energieintensive Industrie). Verglichen mit dem außereuropäischen Mitbewerbern, bewerten insgesamt 58%, und sogar 78% aus der energieintensiven Industrie, die Situation als problematisch oder sehr problematisch.
Robert Schmid, Geschäftsführer der Schmid Industrieholding und Umweltsprecher der Bundessparte Industrie: „Wichtigster Treiber der Strompreis-Rally ist die Preisexplosion bei Erdgas und der rasante Anstieg der CO2-Kosten. Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen, zum Teil im geopolitischen Kontext, zum Teil aber auch begründet durch die Signale des Marktes. Die Rückmeldungen in unserer Umfrage zeigen klar, wie hoch der Druck auf die Unternehmen ist. Von Erhöhungen von 300% und mehr ist da die Rede, Betriebe beklagen, dass sie Kostensteigerungen nicht mehr verkraften können.“
Erneuerbare rasch ausbauen
Was die Versorgungssicherheit der Unternehmen betrifft, zeigen die Ergebnisse der Umfrage ein bedenkliches Bild. Kurzfristig (2022) erwarten 39% bei Gas und 36% bei Strom Probleme, mittelfristig (2024) 48% und 57%, und langfristig (ab 2025) 48% bei Gas und 57% bei Strom. Das unterstreicht die Wichtigkeit des raschen Ausbaus erneuerbarer Energien, betont Jürgen Streitner, Leiter der WKÖ-Abteilung für Energie- und Umweltpolitik: „Das Erneuerbaren Ausbau Gesetz ist beschossen, nun fehlen noch die notwendigen Verordnungen, um das Gesetz rasch auf den Boden zu bringen. Dabei ist die Netzstabilität von besonderer Wichtigkeit. Das Abschalten von Grundlastkraftwerken ohne entsprechend sicher verfügbare Alternativen verursacht hohe Risken für die Versorgungssicherheit. Die Netze müssen für die volatilen erneuerbaren Energietechnologien zukunftsfit gemacht werden. Dabei spielt die Dauer von Genehmigungsverfahren eine große Rolle. Auch der Ausbau anderer alternativer Energiequellen, wie Wasserstoff und Grünes Gas, wird immer dringlicher. Über 70% der Betriebe nennen den raschen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft und die Sicherung der entsprechenden Bezugsquellen als sinnvoll – ein Beweis für die Innovationskraft der heimischen Wirtschaft. Hier sehen wir großen Handlungsbedarf, um den Unternehmen die Energiewende zu ermöglichen“.
Immerhin decken bereits 45% der Betriebe, in der Industrie sogar bis zu 56%, ihren Strombedarf teilweise oder vollständig durch Eigenerzeugung aus erneuerbaren Quellen.
Negative Auswirkungen auf Investitionen
Die galoppierenden Energiepreise und die in vielen Fällen mangelnde Möglichkeit, erhöhte Herstellungskosten an Kunden weiterzugeben, führen in den Betrieben auch zu unerfreulichen Folgewirkungen im Investitionsverhalten: 40% geben negative Auswirkungen auf ihre Investitionstätigkeit im Kerngeschäft an, in der energieintensiven Industrie sind es sogar knapp 50%. Auch Investitionen in Forschung und Entwicklung sind betroffen - 27% generell und 34% der energieintensiven Industrie bringen die Tendenz zum Aufschub von Investitionen zum Ausdruck.
Thomas Salzer: „Das hat auch Auswirkungen auf Dekarbonisierungsmaßnahmen: etwa ein Drittel der Betriebe muss aufgrund der Energiepreissteigerungen Investitionen in diesem Bereich zurückstellen. Andererseits antwortet aber auch ein großer Teil der Betriebe, dass an geplanten Investitionen festgehalten wird. Dazu passend sind einzelne Rückmeldungen, die Energiekostensteigerungen im Sinne des Klimaschutzes als positiv bewerten – vorausgesetzt, auch die Mitbewerber in anderen Staaten sind davon nicht ausgenommen. Leider fehlt aber ein derartiges ‚Level Playing Field‘ noch weitgehend“.
Verlagerungen stehen im Raum
Als Reaktion auf die Kostensteigerungen prüft jeder fünfte Betrieb eine Produktionseinschränkung oder hat diese schon umgesetzt. 58% der Befragten versuchen, die hohen Energiepreise an Kunden weiterzugeben; oft gelingt dies aber aus unterschiedlichen Gründen (Wettbewerbsdruck, vertragliche Verpflichtungen u.a.) nicht.
„Ein lautes standortpolitisches Alarmsignal ist die Tatsache, dass in rund 20% aller Betriebe, aber sogar in über 40% in der energieintensiven Industrie, die Verlagerung von Produktionsaufträgen an Standorte in anderen Staaten eine Option ist, die geprüft bzw., geplant wird, oder sogar bereits umgesetzt wurde. Angesichts dieser Nachricht kann man nicht zur Tagesordnung übergehen und versuchen, die Situation ‚auszusitzen‘,“ warnt Robert Schmid.
Um die Belastungen zu entschärfen, wünschen sich 81% die vorübergehende Senkung energiebezogener Steuern und Abgaben – die Bundesregierung hat hier mit dem Aussetzen des Erneuerbaren-Förderbeitrages und der geplanten Aussetzung der Erneuerbaren-Förderpauschale für das laufende Jahr bereits teilweise reagiert.
In der energieintensiven Industrie fordern drei Viertel aller Befragten die Umsetzung der Strompreiskompensation im Rahmen des EU-Emissionshandels – eine Maßnahme, zu der sich die Regierung in ihrem Arbeitsprogramm auch verpflichtet hat. „Die Bundessparte Industrie hat bereits vor längerer Zeit auf Basis des deutschen Modells einen Vorschlag dazu ausgearbeitet. Ebenso hat die BSI die Erhöhung der Vorausvergütung der Energieabgaben für Kohle, Öl, Erdgas und Strom vorgeschlagen – eine Maßnahme, die von 53% der Befragten als sinnvoll empfunden wird“, betont Bundesspartengeschäftsführer Mag. Andreas Mörk.
Der kosteneffiziente Ausbau erneuerbarer Energie, bessere Möglichkeiten zur Vermarktung von grünem Strom und der forcierte Ausbau der Netzinfrastruktur sind Maßnahmen, die ebenfalls als Gegenmaßnahme zum Energiepreis-Hype gefordert werden. Auch die Überprüfung und Anpassung der seit 2018 wirksamen Strompreiszonentrennung zwischen Deutschland und Österreich, politische bzw. regulatorische Eingriffe gegen marktschädliches Verhalten und eine Gesamtdeckelung der Kostenbelastung werden genannt.
Autor:
DI Oliver Dworak
E-Mail: oliver.dworak@wko.at
Stand: 28.01.2022