CO2-Grenzausgleich: Effektiver Wettbewerbsschutz gegen Klima-Nachzügler?
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Während die EU-Kommission bereits an einem konkreten Modell arbeitet, verpflichten sich China und Japan zur Erreichung der Klimaneutralität.
Im kommenden Jahr will die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) vorlegen. Ziel dieses Instruments (Zoll, Steuer oder anderes) ist es, wie bereits Ende 2019 im Green Deal angekündigt, europäische Unternehmen trotz verschärfter EU-Klimaziele und steigender CO2-Kosten international wettbewerbsfähig zu halten, und das Risiko von Carbon Leakage, also der Verlagerung von CO2-Emissionen durch Abwanderung von Betrieben, zu vermindern. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass Mitbewerber in anderen Wirtschaftsräumen mangels ambitionierter Verpflichtungen dieser Länder weniger strengen Klimaschutz-Vorgaben unterliegen bzw. dass sie mit der EU vergleichbare Kosten nicht zu tragen haben.
Vier Modelle in Diskussion
Die EU will sich dabei zunächst auf Produkte konzentrieren, bei deren Herstellung hohe Emissionen entstehen, die weiters in ihren Eigenschaften international vergleichbar sind, und die mit anderen Staaten intensiv gehandelt werden. Im Fokus einer solchen Bepreisung von Treibhausgasemissionen in Drittstaaten stehen dabei in der aktuellen Diskussion einzelne Sektoren des EU-Emissionshandels bzw. deren Produkte, wie Stahl, Zement und Strom, sowie in möglicher weiterer Folge Aluminium, Grundchemikalien und Düngemittel. Vor allem vier Optionen eines CBAM werden derzeit diskutiert: eine beim Import in die EU eingehobene CO2-Abgabe, der verpflichtende Kauf von Zertifikaten aus dem ETS-Pool oder aus einem mit dem EU-Emissionshandelssystem preislich verbundenen Topf für Produktimporte, oder eine am Ende der Wertschöpfungskette beim Endkunden eingehobene Verbrauchssteuer oder CO2-Abgabe, mit der das Preissignal auch beim Konsumenten ankommen würde.
Handelspolitische Bedenken
Die Maßnahme, die mit den WTO-Regeln und anderen internationalen Verpflichtungen der EU vereinbar sein muss, soll durch einen höheren Preis den CO2-Gehalt von Importen besser widerspiegeln. Die Bundessparte Industrie hat sich im Rahmen der Wirtschaftskammer Österreich an den beiden öffentlichen EU-Konsultationen beteiligt und hegt – trotz Anerkennung der Zielsetzung eines verstärkten Carbon-Leakage-Schutzes für heimische Betriebe – starke Bedenken gegen ihre Umsetzung, insbesondere wegen möglicher neuer Handelskonflikte und Nachteilen für weiterverarbeitende Stufen der Wertschöpfungsketten.
Klimaschutz braucht internationale Kooperation - auch aus diesem Grund wäre ein weltweit einheitlicher CO2-Preis, wie ihn die WKÖ fordert, die bessere Lösung; dieses Ziel scheint aber kurz- und mittelfristig nicht erreichbar.
Anreiz für Klimaschutz
Will die EU daher einen CO2-Grenzmechanismus einführen, wird sie – neben der unbedingt notwendigen Abstimmung mit ihre wichtigsten Handelspartnern - der WTO gegenüber zeigen müssen, dass diese Maßnahme handelspolitisch nichtdiskriminierend und verhältnismäßig ist. Der CBAM könnte sich dann auf eine Ausnahmeregelung aus Gründen des Umweltschutzes berufen. Damit würden auch nachhaltig produzierte Güter, die häufig teurer als andere sind, konkurrenzfähiger. Andererseits könnte ein CBAM auch Anreize zur Transformation der Produktion bei EU-Handelspartnern, die punkto Klimaschutz Nachzügler sind, schaffen – und somit zur internationalen Reduktion der Treibhausgase beitragen. Offene Fragen betreffen die Behandlung von Exporten, die aus Sicht der Industrie notwendige Beibehaltung der kostenfreien Zuteilung im ETS und der allenfalls ergänzenden Implementierung eines CBAM zusätzlich zu bestehenden Carbon Leakage-Maßnahmen, die beste Methode zur Ermittlung des „Carbon Footprint“ der relevanten Produkte, die zum Vergleich der Produkte nötigen Default-Werte, die Frage der Einbeziehung von indirekten CO2-Emissionen, insb. aus dem für die Produktion nötigen Stromverbrauch, sowie die Verwendung der Einnahmen. Da auf das Welthandelsrecht Bedacht zu nehmen ist, ist damit zu rechnen, dass Einnahmen aus der Emissionsbepreisung von Importgütern nicht der Förderung der heimischen Wirtschaft zugutekommen kann.
Klimaneutralität: Japan 2050, China 2060
Theoretisch kann ein CBAM also EU-Unternehmen in einzelnen stark exponierten Sektoren zusätzlichen Schutz gegen Carbon Leakage bieten. Gleichzeitig soll er Anreiz für andere Staaten sein, ihre Emissionen zu reduzieren. Dieser Gedanke galt bisher unter der Voraussetzung, dass die EU mit ihren ambitionierten Klimaschutz-Zielen – Treibhausgasneutralität 2050, und als Zwischenschritt ein verschärftes Zwischenziel 2030 - weltweiter Vorreiter bei der Umsetzung des Pariser Klimavertrages ist.
Mit diesen Zielen hat die EU versucht, vermehrten Druck in der internationalen Klimapolitik auszuüben - nun haben zwei große Wirtschaftsmächte nachgezogen: China gab im Rahmen der UN-Vollversammlung im Oktober bekannt, bis 2060 CO2-Neutralität – also netto CO2-Emissionen - erreichen zu wollen. Experten meinen, diese Zielsetzung sei – trotz der um 10 Jahre längeren Laufzeit - noch ambitionierter als das EU-Ziel, da damit eine deutlich höhere Emissionsreduktion verbunden ist. Am Weg dorthin wird China vermutlich zum weltweit größten Markt für low-carbon-Technologien. Und Ende Oktober lies Japan verlautbaren, bis 2050 klimaneutral zu werden. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien sollen dazu Atomkraft und die industrielle Nutzung von CO2 beitragen. Damit will die nach den USA und China drittgrößte Volkswirtschaft der Welt – und der fünftgrößte Treibhausgasemittent – ab 2050 netto keine Treibhausgasemissionen mehr ausstoßen, so der neue japanische Premierminister Suga bei seiner Antrittsrede. Japan zieht damit im Ambitionsniveau mit der EU gleich – ein wichtiger Impuls für den globalen Klimaschutz.
Das Ziel der EU, mit dem Green Deal eine weltweite Vorreiterrolle in der Reduktion von Treibhausgasemissionen und der Entwicklung sauberer Technologien einzunehmen, gerät also unter Druck. Und es steht die Frage im Raum, was die Ankündigungen Chinas und Japans für die EU-Pläne zum Implementierung eines CBAM bedeuten.
Autor:
DI Oliver Dworak
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