Sparte Industrie

Whatever it takes – Zeitenwende für die Wettbewerbsfähigkeit?

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 3 Minuten

26.09.2023

Wettbewerbsfähigkeit mausert sich zum Modewort in Brüssel. Ob dies konkrete Vereinfachungen für die Industrie mit sich bringt, wird sich weisen.

Mit großer Fanfare kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union am 13. September 2023 eine Kehrtwende der europäischen Wirtschaftspolitik an. Mit dem Slogan „Whatever it takes“ für die Wettbewerbsfähigkeit wurde Historisches beschworen.

Konkrete Ankündigungen blieben im Anschluss allerdings Mangelware. Was bleibt ist die Aussicht auf ein Legislativpaket zur Erreichung einer Reduktion der Berichtspflichten für KMU von 25% für Oktober 2023 sowie einige gezielte Maßnahmen im internationalen Handel. Bei ersterem muss sich die Kommission die Frage gefallen lassen, ob mögliche Erleichterungen im Verwaltungsaufwand auch der Industrie zugutekommen, bei zweiterem zeigt sich ein Grundübel der EU-Politik der vergangenen Jahre: Reaktion statt Aktion. Es sollen nämlich die Importe chinesischer E-Autos auf illegale Subventionen seitens des chinesischen Staates geprüft und gegebenenfalls Ausgleichsmaßnahmen gesetzt werden – die USA erheben auf diese Produkte Zölle jenseits der 20%, die EU nur in Höhe von 10%.

Nach dem großen Wurf für die österreichische und europäische Wettbewerbsfähigkeit klingt das zunächst nicht. Dennoch war der Europäische Gewerkschaftsbund umgehend zur Stelle und befürchtete in einem Kommentar eine massive Deregulierungswelle, die den EU-Acquis von gemeinsamer Sozial- und Umweltgesetzgebung aushebelt.

Doch den Ruf nach administrativer Verschlankung gibt es in bzw. nach Brüssel schon seit längerem. Unter der EU-Kommission Barroso wurde zwischen 2007 und 2014 eine Arbeitsgruppe zur Reduktion des Verwaltungsaufwandes eingesetzt (geleitet von Edmund Stoiber), gefolgt vom Better Regulation-Rahmen (sogenanntes REFIT Programm samt High-Level Expertengruppe namens Fit for Future-Plattform) unter der Kommission Juncker. Niemand geringeres als Frans Timmermans sollte diese Arbeit erledigen. Der wortgewaltige, ehemalige Klimakommissar im Kabinett von Präsidentin von der Leyen wird jedoch eher für seine Forderungen nach mehr Regulierung, insbesondere für die Industrie, im Rahmen „seines“ Green Deals in Erinnerung bleiben.

Seit einigen Jahren gibt es regelmäßige Berichte zur Verwaltungsbelastung, zuletzt im September 2023 betreffend das Jahr 2022 (Annual Burden Survey), sowie das sogenannte REFIT-Scoreboard mit dem Schlüsselindikatoren gemessen, überwacht und kontinuierlich verbessert werden sollen. Allein, das Ganze scheint nicht die Realität bei den Unternehmen abzubilden. Böse Zungen behaupten sogar, es handelt sich nur um ein kollektives jährliches Schulterklopfen der Kommission ohne jegliche Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Der Vorwurf lautet, es wird einfach weitergemacht wie bisher, ohne den Herausforderungen wirklich gerecht zu werden.

Das würde der Situation auf EU-Ebene allerdings nicht gerecht werden. Es bestehen ehrliche Bemühungen, dem Wildwuchs an Regulierung Grenzen zu setzen. Das zeigte sich zuletzt am deutlich stärkeren Widerstand gegen überbordende Umweltschutzmaßnahmen sowie einer durchaus konstruktiven Position - etwa im Bereich Industrieemissionen - im Europäischen Parlament. Die Kommission hat mit dem Critical Raw Materials Act und dem Net-Zero Industry Act zwei Legislativpakete auf den Weg gebracht, die mit den darin enthaltenen Verfahrensbeschleunigungen zumindest ein Bekenntnis zu einer aktiven Standort- und Industriepolitik darstellen. Ein wesentlicher Teil wird nun an den Mitgliedstaaten selbst liegen, wenn es etwa darum geht, Genehmigungsverfahren zu straffen und sich nicht im Gold-Plating von Mindestvorgaben zu überbieten. Die EU-Wahlen im Frühjahr 2024 können diese Dynamik weiter fördern und zur Initialzündung für eine echte Wettbewerbsagenda der Europäischen Union werden.

Die WKÖ und insbesondere die Bundessparte Industrie bringen sich auf allen Ebenen, national und europäisch, intensiv in diese Prozesse ein. Zu den genannten Dossiers werden laufend Gespräche mit EU-Institutionen und österreichischen Ministerien geführt. Denn eines ist aus Sicht der Bundessparte klar: den Wandel der Wirtschaft und Gesellschaft, den die Industrie anführen kann und muss, werden wir nur schaffen, wenn wir die Überregulierung der Vergangenheit identifizieren und für die Unternehmen gezielt reduzieren. Das Problembewusstsein und Bekenntnis, etwas zu unternehmen ist hierzu ein erster, wichtiger Schritt. Gemessen wird die Europäische Union, wie auch die Industrie, weiterhin an ihren Taten.

Autor:
Clemens Rosenmayr
E-Mail: clemens.rosenmayr@wko.at

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