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Ein Weltmeister vor der Haustüre

Die Slowakei hat sich zu einer europäischen Großmacht in der Autoindustrie gemausert. Der Krieg im Nachbarland und die Abhängigkeit von Russland sorgen für politische Unruhe vor den Wahlen.

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Aktualisiert am 22.09.2023

Man kennt das aus Österreich: Eine Koalition implodiert und als Stabilisator wird vom Staatsoberhaupt eine Expertenregierung installiert. So ist es im Mai auch in  der Slowakei passiert. Das von Präsidentin Zuzana Čaputová eingesetzte Beamtenkabinett unter dem ehemaligen Vizegouverneur der slowakischen Nationalbank verlor allerdings Mitte Juni erwartungsgemäß die Vertrauensabstimmung im Parlament. 

Die Turbulenzen sind damit nicht weniger geworden. Ob daran die vorgezogenen Neuwahlen am 30. September etwas ändern können, bleibt fraglich. Das Land ist gespalten, das politische Klima vergiftet, die Richtung einer künftigen Regierung völlig offen: Von einem konservativ-populistischen, klar proeuropäischen  bis zu einem linksnationalistischen, prorussischen Kurs ist laut Analysten alles möglich. Dem Wirtschaftsstandort tut das in ohnehin volatilen Zeiten nicht gut.

Trübe Aussichten

Lag das Wirtschaftswachstum vor der Pandemie zwischen drei und vier Prozent und auch im vergangenen Jahr noch bei 1,7 Prozent, wird für heuer eine „schwarze Null“ erwartet. „Die Prognosen gehen erst 2024 wieder von einer leichten Erholung mit einem Plus von 2,2 Prozent  aus“, sagt Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Bratislava, Bettina Trojer.

Vor allem der Ukraine-Krieg und die Energiekrise haben die Aussichten eingetrübt. In beiden Fällen spiegelt sich die geostrategische Zerrissenheit des Landes wider: Einerseits ist die Slowakei fast vollständig von russischem Öl, Gas und Uran abhängig. Andererseits steht die Slowakei in Bezug auf den Krieg klar an der Seite der Ukraine und unterstützt das Nachbarland sowohl mit Lieferungen militärischen Materials als auch bei der Aufnahme von hunderttausenden Geflüchteten.  Auf wirtschaftlicher Ebene hat der  Krieg die bilaterale Nachfrage allerdings einbrechen lassen. Dazu kommen ein genereller Fachkräftemangel und Lieferengpässe bei für die Industrie wichtigen Halbleitern und metallischen sowie chemischen Rohstoffen. Gleichzeitig wurde die Slowakei durch den Krieg und den damit verbundenen Ausfall der Ukraine aber als Investitionsziel interessanter.

Starke Autoindustrie

Nicht erst seit dem Krieg wird das Land auch von österreichischen Unternehmen bearbeitet. Neben großen Industriekonzernen wie Miba sind aufgrund der geografischen Nähe verhältnismäßig viele heimische Klein- und Mittelbetriebe vor Ort. Die Gesamtzahl der österreichischen Niederlassungen wird auf etwa 2.000 geschätzt. Vor allem Bankinstitute, Bauunternehmen, Bauzulieferbetriebe und metallverarbeitende Betriebe sind gut vertreten. 

Allein im vergangenen Jahr liefen über eine Million Fahrzeuge vom Band – gemessen an der Bevölkerung von 5,4 Millionen Menschen ist das ein weltweiter Höchstwert.

Anziehend wirken nicht zuletzt die niedrigen Lohnkosten. Das hat in den letzten Jahren unter anderem eine enorm starke Autoindustrie mit Standorten von Volkswagen, Jaguar Land Rover, Kia, Volvo, Citroen und Peugeot entstehen lassen. Dieser Zweig trägt mittlerweile rund 13 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und ist für 40 Prozent der Industrieexporte verantwortlich. Rund eine Viertelmillion Arbeitsplätze hängen daran. „Allein im vergangenen Jahr liefen über eine Million Fahrzeuge vom Band – gemessen an der Bevölkerung von 5,4 Millionen Menschen ist das ein weltweiter Höchstwert“, rechnet Thomas Krenn, Geschäftsführer des steirischen Clusterpendants ACstyria, vor.  Krenn sieht daher „gute Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in der Lieferkette sowie bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten, wo die Steiermark sehr viel Know-how exportieren kann“.

Tatsächlich ist die slowakische Wirtschaft eng mit Zulieferindustrien in Nachbarländern verflochten und die Exportquote von rund 90 Prozent des BIP spricht für eine starke Abhängigkeit vom Ausland. In den letzten zehn Jahren konnte das Land aber seine innere Kaufkraft stärken und sich von dieser Auslandsabhängigkeit teilweise entkoppeln.     


Die Slowakei in Zahlen

5,435 Millionen Menschen leben in der Slowakei, die mit rund 49.000 Quadratkilometern rund drei Mal so groß wie die Steiermark ist.

3,796 Milliarden Euro machte das Exportvolumen österreichischer Waren in die Slowakei 2022 aus – 2021 waren es 3,19 Milliarden Euro.

3,795 Milliarden Euro umfasste 2022 das Warenimportvolumen aus der Slowakei nach Österreich. 2021 lag es bei 3,58 Milliarden Euro.