Mitarbeiter sitzen zusammen und klatschen ein
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Personalnot adé mit „Quiet Hiring“

Ein neues Modewort macht sich in den heimischen Personalabteilungen breit: „Quiet Hiring“. Wir haben uns umgehört, was dahintersteckt, wie es erfolgreich umgesetzt werden kann und welche Risiken es mit sich bringt. 

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 26.09.2024

Immer weniger Mitarbeiter, immer schwierigeres Recruiting, doch das Arbeitspensum bleibt gleich: Viele Unternehmer kennen das Problem. Die Lösung liegt für einige auf der Hand. Statt für eine vakante Stelle direkt eine Neubesetzung zu suchen, werden die Aufgaben an das bestehende Kollegium verteilt.  Die altbekannte Praxis hat unter Personalern nun einen Namen bekommen: Quiet Hiring (zu Deutsch: stilles Einstellen). 

„Es ist eigentlich alter Wein in neuen Schläuchen. Doch die Praxis ist aufgrund der Personalnot so en vogue wie noch nie. Führungskräfte müssen sich nun mit der beruflichen Weiterentwicklung von Mitarbeitern beschäftigen. Das ist natürlich eine Herausforderung“, weiß der Grazer Unternehmensberater Toni Monsberger. Am WIFI Steiermark leitet er seit Jahren die Führungskräfte-Akademie und lehrt dort, wie sich Entscheidungsträger mit Mitarbeitern positiv auseinandersetzen können (sechs Tipps dazu siehe in den Spalten links und rechts). Nichts anderes sei richtig umgesetztes Quiet Hiring: Wer Aufgaben an bestehendes Pesonal verteilen will, muss sich mit diesem erst einmal auseinandersetzen. Entgegen dem Namen könne das alles andere als still ablaufen. „Quiet Hiring erfordert von Führungskräften sehr viel Kommunikationsgeschick. Sie müssen sich überlegen, welcher Mitarbeiter welche Aufgaben übernehmen kann, und auch abklären, ob er das überhaupt will“, erklärt Monsberger. 


Werden Aufgaben verteilt, unterscheidet der Experte zwischen der Praxis des „Job enlargement“ und des „Job enrichment“. Bei ersterer werden Mitarbeitern neue Tätigkeiten gemäß ihres Anforderungsprofils zugewiesen. Bei zweiterer Praxis wird mit dem erhöhten Arbeitsaufwand auch eine höhere Verantwortung übertragen. 

Sowohl das eine als auch das andere erfordere Bereitschaft. Dafür können Anreize sorgen. Geld allein ist jedoch nicht Motivation genug – vor allem nicht, wenn es um die Generation Z geht, die gegenüber Arbeitgebern eine andere Erwartungshaltung hat als ältere Generationen. „Was bindet Mitarbeiter an ein Unternehmen? Faire Bezahlung steht natürlich außer Frage. Niemand darf in die Kategorie ,Working Poor‘ fallen. Aber Geld allein wird überschätzt. Es sind vor allem die persönlichen Beziehungen zu den Kollegen und die Art und Weise, wie man von der Führungskraft wahrgenommen wird. Zudem sollte die Arbeit den Interessen der Beschäftigten entsprechen. Monotone Tätigkeiten reißen mit der Zeit niemanden vom Hocker. Da kann es natürlich schon motivierend sein, wenn man mit neuen Aufgaben betraut wird“, erklärt der Unternehmensberater. Der innere Antrieb der Beschäftigten muss also gefördert werden. Arbeitnehmer, die sich in einem Unternehmen wohlfühlen und Tätigkeiten verrichten, die ihren eigenen Stärken entsprechen, bleiben Arbeitgebern länger erhalten. 

 Stärkengerechter Einsatz von Mitarbeitern ist wesentlich. Wo liegen ihre Talente, wo ihre Schwächen? Darüber muss man sich klar werden. 


Doch ganz so einfach ist das nicht: Selbst die motiviertesten Mitarbeiter nehmen den Hut, wenn die Gesamtstrategie des Betriebs nicht stimmig ist, warnt Monsberger. „Welche Aufgaben müssen erledigt werden, und können sie überhaupt vom bestehenden Personal abgedeckt werden? Als Führungskraft muss ich das beurteilen können. Jede Arbeitserweiterung hat auch ihre Grenzen. Werden die Aufgaben sukzessive mehr, muss ich mir zusätzliches Personal suchen. Als Chef muss ich auch Aufgaben abnehmen können“, so Monsberger. Passiert das nicht, könnten fatale Folgen drohen. Die Qualität der Arbeit nimmt ab. Mitarbeiter empfinden die zusätzliche Arbeit als Zumutung und scheiden womöglich aus dem Unternehmen aus. Negative Arbeitgeberbewertungen könnten folgen und damit dem Betrieb einen erheblichen Imageschaden zufügen. 

Ein Allheilmittel ist Quiet Hiring also nicht. Und dennoch: Monsberger sieht darin eine Chance, die Talente, Stärken und Interessen von Arbeitnehmern zu fördern. Bei einigen steirischen Unternehmen sei das Konzept schon gut umgesetzt worden. Namen dürfe er keine nennen, einen Tipp zum Schluss geben aber sehr wohl: „Quiet Hiring erfordert Transparenz. Klein- und Mittelunternehmen können es somit leichter umsetzen als große. Doch auch für sie ist es machbar. Wesentlich ist, dass zunächst einmal die HR-Abteilung das Prinzip in der Belegschafft vorstellt und Rahmenbedingungen festgelegt werden. Die Führungskräfte in den einzelnen Abteilungen müssen danach darauf geschult werden, wie sie Mitarbeiter stärkengerecht einsetzen können. Mit ihrer Umsetzung steht und fällt das Prinzip.“


Sechs Tipps für Betriebe

1 Gesamtstrategie nicht aus dem Blick verlieren 

Wohin will mein Unternehmen? Welche Aufgaben müssen erledigt werden, und können diese durch das bestehende Personal überhaupt abgedeckt werden? – Bevor Quiet Hiring im eigenen Unternehmen umgesetzt werden kann, müssen sich Führungskräfte laut Toni Monsberger Fragen wie diese stellen. Erst danach könne die Praxis im Unternehmen angewendet und können Aufgaben gezielt an Mitarbeiter umverteilt werden.

2 Stärkengerechter Einsatz von Mitarbeitern

Wurden die Aufgaben bereits definiert, sollten sich Entscheidungsträger Gedanken machen, wer welche Tätigkeiten übernehmen könnte. Wahlloses Verteilen ist eine schlechte Idee, weiß der Unternehmensberater: „Ich muss mir als Chef überlegen, wo die Talente und Stärken von einzelnen Beschäftigten liegen, und mir auch klar darüber werden, welche Tätigkeiten einzelne Mitarbeiter nicht mögen.“ Führungskräfte sollten sich mit ihren Angestellten positiv auseinandersetzen. Stärken können auf diese Weise gefördert werden.

3 Kommunikationsgeschick ist gefragt 

Entgegen dem Namen ist Quiet Hiring alles andere als still. Ohne Kommunikation können Aufgaben nicht umverteilt werden. Vielmehr müssen Arbeitnehmer in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. „Führungskräfte müssen natürlich wissen, was bestehende Mitarbeiter leisten können, aber vor allem auch, was sie überhaupt leisten wollen. Kommunikation ist hier essenziell“, rät Monsberger. Auch mache es Sinn, Aufgaben befristet neu zu vergeben. Nach einer gewissen Zeit könne dann gemeinsam mit den Angestellten beurteilt werden, ob sie diese weiter ausführen wollen und können.

4 Geld allein ist oft nicht Anreiz genug

Mehr Arbeit und mehr Verantwortung bedeutet auch mehr Geld. – Nicht zwingend, weiß Monsberger. „Viele Chefs glauben, dass Mitarbeiter allein mit Prämien und Gehaltserhöhungen dazu gebracht werden können, mehr Output zu liefern. Doch das stimmt nicht. Faires Gehalt ist wichtig. Keine Frage. Aber entscheidend ist, dass ihr Antrieb geweckt wird. So bleiben sie dem Unternehmen auch lange erhalten.“ Heißt konkret: Anstatt allein auf Geld zu setzen, sollte darauf geachtet werden, dass die Arbeit den Fähigkeiten und Interessen der Mitarbeiter entspricht. Sie wollen wahrgenommen werden und sich im Unternehmen wohl fühlen.

5 Quiet Hiring kennt keine Betriebsgröße

Je kleiner das Unternehmen, desto leichter lässt sich Quiet Hiring umsetzen. Die Logik dahinter: Je weniger Mitarbeiter ein Unternehmer hat, desto besser kennt er sie. Aber egal, wie groß oder klein der Betrieb ist: Will man Quiet Hiring als Praxis umsetzen, gilt es zunächst das gesamte Personal transparent darauf vorzubereiten. In großen Unternehmen mit einer HR-Abteilung empfiehlt es sich, zunächst die Führungsebene auf das Prinzip zu schulen.  

6 Kein Allheilmittel, aber durchaus hilfreich 

Richtig eingesetzt, kann Quiet Hiring Mitarbeiter binden. Durch das Umverteilen von Aufgaben wird Monotonie durchbrochen und Arbeit als etwas Spannendes empfunden. Aber Achtung! „Wenn die Aufgaben sukzessive mehr werden, kann man das nur bedingt durch das bestehende Personal abdecken. Wenn man neue Aufgaben vergibt, muss man die bestehenden auch abnehmen. Ansonsten nimmt die Qualität ab und es drohen Kündigungen“, so der Unternehmensberater.

Andrea Jerkovic