Sparte Industrie

Neue EU Chemikalienstrategie für „Schadstofffreiheit“

Lesedauer: 2 Minuten

11.03.2023

Die EU Kommission mit Umwelt-Kommissar Sinkevičius präsentierten im Oktober die europäische Chemikalienstrategie als erstes Ergebnis des sogenannten Zero Pollution-Ansatzes. Mit 50 „Actions“ will man negativen Folgen für Gesundheit und Umwelt zu Leibe rücken. Nun gilt es, das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten und die innovative Herstellung von Chemikalien in der EU zu bewahren.

Was hält das umfassende Paket nun bereit? Im Zentrum der vorgestellten Strategie steht der Schutz der Verbraucher und der Umwelt vor schädlichen Stoffen. Dies soll vor allem durch die Einstellung der Verwendung der schädlichsten Stoffe, darunter Endokrine Disruptoren (hormonverändernde Stoffe), Chemikalien, die das Immunsystem und die Atemwege beeinträchtigen und persistente Stoffe wie Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) erfolgen. Sofern diese Stoffe nachweislich für das Allgemeinwohl unverzichtbar sind, soll es Ausnahmen (Anm.: mit großem Grauzonen-Potenzial) geben. Endokrine Disruptoren sollen ab 2022 auch als eigene SVHC-Kategorie festgelegt werden. Und last but not least könnten die lange angekündigten Maßnahmen zur künftigen Erfassung von Cocktail-Effekten (kombinierte Toxizitäten) angegangen werden.

Anwendungen in der Wirtschaft

Die REACH-Gesetzgebung hat seit 2007 zu einer bedeutenden Marktbereinigung geführt: Viele Chemikalien werden aufgrund der hohen Markteintritts-Erfordernisse (Datengrundlagen, Registrierung, Zulassungen, Beschränkungen) längst nicht mehr in der EU hergestellt oder verwendet, auch wenn sie in anderen Erdteilen noch Bedeutung haben. Künftig sollen diese Chemikalien auch nicht mehr exportiert werden dürfen, wenn sie in der EU bereits verboten sind.

Weiters soll künftig Null Toleranz gegenüber der Nichterfüllung von REACH-Anforderungen herrschen. Eine (letzte) Bereinigung im KMU-Sektor ist daher für jene Hersteller und Verwender zu erwarten, die zu geringe Kapazitäten haben, um die umfassenden rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Bereits der REACH-Refit hatte bekanntlich vor allem dort Defizite zu Tage gebracht, wo mittelständische Unternehmen nicht mehr mit den bürokratischen Hürden mitkommen.

In einer Presseaussendung betonte die WKÖ angesichts der großen europäischen Vorhaben (Green Deal, Klimaziele), dass viele Chemikalien gerade für die Transformationserfordernisse unersetzbar sein werden. „Plumpe Verbote“ würden hier sogar kontraproduktiv wirken.

Chemikalien im Alltag

Ein von der EK thematisiertes „Verbot von gefährlichen Chemikalien in Alltagsgegenständen“ klingt logisch und sinnvoll – aber was ist gefährlich und für wen? Viele Produkte, mit denen die EU Bürgerinnen und Bürger tagtäglich in Berührung kommen, wie etwa Textilien, Möbel, Elektronik oder auch Verpackungen werden auf der ganzen Welt hergestellt und gelangen (Online-Handel) direkt zum Konsumenten. Eine Marktüberwachung, die zumindest auf Produktebene Fairness zwischen EU- und nicht-EU-Herstellern herstellt, wäre jedenfalls wünschenswert. Der Schutzanspruch der Strategie wird daher auch daran zu messen sein, wir tauglich er für das alltägliche globalisierte Leben – und nicht nur für Hersteller in der EU - ist.

Fazit

Zusammenfassend sollte die Strategie neben allen positiven Effekten innerhalb der EU auch dazu führen, dass die künftigen Maßnahmen und „Actions“ nicht eine bloße Verlagerung der Belastungen und Gefahren in andere Erdteile bewirken. Dem will man zwar mit der Einführung von höheren Informationsanforderungen (Initiative nachhaltige Produktpolitik) entgegentreten, um den Zugang von Herstellern und Verbrauchern zu Informationen über die enthaltenen Chemikalien und die sichere Verwendung sicherzustellen. Dass die Qualität der Informationen im globalen Handel aber ebenso kaum kontrollierbar ist, sollte sich herumgesprochen haben.

Letztlich benötigen Unternehmen auch im Chemikalienrecht vor allem eines: Planungssicherheit bei der Herstellung und beim Einsatz von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen. Eine Vereinfachung und Konsolidierung des EU-Rechtsrahmens wie z.B. durch die Etablierung des Prinzips „Ein Stoff, eine Bewertung“, die Stärkung des Grundsatzes „Keine Daten, kein Markt“ und gezielte Änderungen der REACH-Verordnung und der Sektorvorschriften könnten dazu beitragen. Die Architekten der Chemikalienstrategie sollten sich jedenfalls ihren eigenen Fokus auf Planbarkeit und Innovation sehr zu Herzen nehmen.

Autor:
Mag. Richard Guhsl

E-Mail:
richard.guhsl@wko.at

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