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Barbara Thaler, Präsidentin der Tiroler Wirtschaftskammer
© WK Tirol/ Emanuel Kaser

Vorsicht, Schieflage!

„Unsere Betriebe nutzen im herausfordernden Umfeld jede Chance: Sie modernisieren Prozesse, heben Rationalisierungspotenziale und investieren in Qualität.“

Lesedauer: 1 Minute

Aktualisiert am 28.10.2025

Die Wirtschaftskammer Tirol erstellt regelmäßig die Beschäftigungsstatistik. Nicht als Fleißaufgabe – sondern weil sich daraus hochinteressante Trends ablesen lassen. Auf den ersten Blick wirken die aktuellen Ergebnisse beruhigend: In Tirol waren im Juli 2025 rund 265.500 Menschen in der gewerblichen Wirtschaft beschäftigt – nur 0,2 % weniger als ein Jahr zuvor. Wer jedoch nur die Gesamtzahl liest, übersieht das Entscheidende: Die Joblandschaft verschiebt sich. Der Tourismus trägt mit seinem Plus die stabile Entwicklung, die Industrie und der Handel müssen hingegen deutliche Einbußen hinnehmen.

Wenn Leitbetriebe ins Ausland abwandern, ist auch das einheimische Zuliefernetz betroffen.

Das sind nicht bloß statistische Details – das ist in Zahlen gegossene Standortpolitik, die sich auch in den Bezirken zeigt. Imst (+4,4 %) und Landeck (+1,5 %) verzeichnen Wachstum, weil Tourismus und Bau dort kräftige Impulse setzen. Lienz (-2,7 %) und Kufstein (-1,5 %) hingegen spüren aufgrund des Branchenmixes die Schwäche der Industrie.

Warum ist die Industrie so unter Druck? Zwei Treiber stechen heraus: Arbeits- und Energiekosten. Allein 2024 legte der Arbeitskostenindex in Österreich um 8,3 % zu. Hinzu kommen steigende Netzentgelte und hohe Strompreise – eine Kombination, die exportorientierte Betriebe massiv belastet. Kein Wunder also, dass vier von zehn Industriebetrieben in den letzten Jahren Teile der Produktion verlagert haben. Das löst Dominoeffekte aus: Wenn Leitbetriebe ins Ausland abwandern, ist auch das einheimische Zuliefernetz betroffen.

Für uns Unternehmer:innen heißt das: Der Tourismus kann kurzfristig die Wogen glätten – langfristig aber reicht das nicht. Ein Standort, der sich einseitig auf eine Branche stützt, wird verwundbar. Vielfalt ist unsere Stärke - einseitige Abhängigkeiten sind unsere Gefahr

Es gibt aber auch positive Ansatzpunkte: Der moderate Kollektivabschluss der Metaller und die jüngst beschlossene Strompreiskompensation für Großbetriebe sind erste Schritte in die richtige Richtung. Sie zeigen: Politische Reaktionen sind möglich – und dringend nötig. Jetzt kommt es darauf an, nachzulegen: spürbare Entlastungen bei Energie- und Lohn(neben)kosten, zielgerichtete Innovationsförderung und Maßnahmen gegen bürokratischen Ballast.

Unsere Betriebe nutzen im herausfordernden Umfeld ohnehin jede Chance: Sie modernisieren Prozesse, heben Rationalisierungspotenziale und investieren in Qualität. Tirols Wirtschaft hat Substanz. Aber Substanz braucht Pflege. Und genau das ist der Job der Politik: Sie muss Rahmenbedingungen schaffen, die Produzieren, Investieren und Wachsen möglich machen.