Die Eckpunkte zur Novelle des LSD-BG
Vor wenigen Tagen wurde der lang erwartete Entwurf zur Novellierung des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes (LSD-BG) in Begutachtung geschickt.
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Die vorliegende Novelle des LSD-BG (und der Begleitbestimmungen im AÜG und AVRAG) dient zum einen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 (Änderungsrichtlinie zur Entsende-Richtlinie), zum anderen werden infolge der EuGH-Rechtsprechung Maksimovic ua, C-64/18 sowie Cepelnik, C-33/17 die Verwaltungsstrafbestimmungen der §§ 26 bis 29 LSD-BG überarbeitet und die Sicherheitsleistung nach § 34 LSD-BG neu geregelt. Eine weitere Änderung ist die Anpassung des Entsendebegriffes des LSD-BG an den Entsendebegriff nach der Entsende-RL und die damit verbundene Einschränkung des Anwendungsbereiches des LSD-BG.
Der Standpunkt der Bundessparte Industrie zur Entsende-RL und zum LSD-BG war immer klar ablehnend. Die LSD-BG-Beschränkungen, die eine starke Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit darstellen, gefährden die stark exportorientierte Industrie Österreichs im internationalen Wettbewerb. Bei grenzüberschreitenden Entsendungen treffen Unternehmen auf eine Vielzahl von Problemen. So klagen die Unternehmen insbesondere über einen erhöhten Verwaltungsaufwand durch die von der EU getroffenen Regelungen zur Entsendung. Als Hauptproblem werden insbesondere die unterschiedlichen Meldeverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Arbeitnehmerentsendung, teilweise ohne Nutzung der allgemein anerkannten A1-Bescheinigung, genannt. Hinzu kommt, dass die Meldeverfahren kompliziert sind, immer mehr Daten verlangt werden und hierdurch ein erhöhter Aufwand erbracht werden muss. Dieser Aufwand steht insbesondere bei kürzeren Einsätzen nicht mehr im Verhältnis zu den Vorteilen der Entsendung.
Da mit der novellierten EntsendeRL keine Lösung für die bürokratische Belastung der Unternehmen durch die von den Mitgliedstaaten eingeführten Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen bei Entsendungen gefunden werden konnte, fordert die Bundessparte Industrie weiterhin, dass jedenfalls innerstaatlich alle bestehenden Möglichkeiten von Verwaltungs- und Kontrollvereinfachungen in der gegenständlichen Novelle zum LSD-BG umgesetzt werden. Gleichzeitig verpasst die Novelle der EntsendeRL aber ihren eigenen Anspruch, der wachsenden Anzahl von Lohndumping und Missbrauch von Entsendungen entgegenzutreten und hierzu geeignete grenzüberschreitende Instrumente zu entwickeln. So wird zwar eine Vielzahl von Rechten für die entsandten Arbeitnehmer eingeführt, so dass diese nun annähernd gleich wie lokale Arbeitnehmer behandelt werden müssen. Die EntsendeRL Neu gibt den Mitgliedstaaten jedoch keine neuen Möglichkeiten oder Instrumente zur grenzüberschreitenden Bekämpfung von Lohndumping in die Hand. Bei der grenzüberschreitenden Vollziehung bleibt das Gesetz weiterhin ein „zahnloser Tiger“.
Der Klarstellung halber sei noch einmal betont: Der Bundessparte Industrie geht es nicht um das Hereinholen günstiger Arbeitnehmer! Es geht vielmehr generell darum, dass der mehr und mehr überbordende Bürokratieaufwand (ZKO3/ZKO4-Beantragung im Vorfeld, A1- Bescheinigung, Bereithalten von Sozialversicherungs- und Meldeunterlagen, Lohnunterlagen, etc.) sich mehr und mehr als echter Standortnachteil im konzerninternen Wettbewerb erweist. Wenn in einem internationalen Konzern entschieden werden soll, ob ein Werk oder eine Fabrik in Österreich oder in einem anderen Land errichtet werden oder bestehen bleiben soll, dann schrecken Entscheidungsträger vor einem Umfeld zurück, das einen grenzüberschreitenden Personaleinsatz derart einschränkt, verkompliziert und verteuert. Österreich ist diesbezüglich - neben Frankreich - leider bereits jetzt schon ein nachweislich negatives Paradebeispiel im europäischen Binnenmarkt.
Die Entsendung von Arbeitnehmern ist daher eine zentrale Thematik für die österreichische Industrie und wird auch weiter an Bedeutung durch den Ausbau des europäischen Dienstleistungsbinnenmarktes gewinnen. In einem Europa, in dem sowohl private als auch dienstliche Mobilität zu einer immer wichtigeren Voraussetzung gehört, wird die Zahl der Entsendungen mittelfristig stetig zunehmen, weshalb künstliche Restriktionen die schon jetzt bestehenden wirtschaftlichen Realitäten ausblenden und verkennen. Daher fordert die Bundessparte Industrie mit Nachdruck, dass all jene Spielräume, die europarechtlich zur Verfügung stehen und für die österreichische Industrie im internationalen Wettbewerb unbedingt notwendig sind, für eine mögliche Lockerung des LSD-BG genützt werden. (Stichwort: Vermeidung von Gold-Plating)
Die Hauptelemente der Novellen sind:
- Anwendung des (gesamten) österreichischen Arbeitsrechts auf nach Österreich grenzüberschreitend entsandte oder überlassene Arbeitnehmer ab einer Dauer der Entsendung oder Überlassung von 12 bzw. 18 Monaten (§ 2 Abs. 3 LSD-BG),
- Anwendung von gesetzlichen, durch Verordnung festgelegten oder kollektivvertraglichen Aufwandersatzregelungen auf nach Österreich grenzüberschreitend entsandte Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 7 LSD-BG),
- Neue Regelungen zum Anwendungsbereich des LSD-BG:
- Bei vorübergehenden Konzernentsendungen soll im Hinblick auf die zwischenzeitigen Erfahrungen aus der Praxis ergänzend klargestellt werden, dass die Regelung des § 1 Abs 6 LSD-BG auch Anwendung findet auf vorübergehende konzerninterne Entsendungen oder Überlassung einer besonderen Fachkraft, wenn diese Einsätze für Arbeiten bei Lieferung, Inbetriebnahme (und damit verbundenen Schulungen), Wartung, Servicearbeiten sowie bei der Reparatur von Maschinen, Anlagen und EDV-Systemen erfolgen. Diese Neuregelung ist für die Bundessparte Industrie im internationalen Standortwettbewerb von enormer Wichtigkeit!
- Ebenfalls positiv und wichtig ist die Aufnahme der Werkverkehrsregelung in Ziffer 5, die bisher nur in einem Erlass geregelt wurde. Rechtlich ist dazu auszuführen, dass diese auch juristisch dringend geboten war, da bei der Lieferung bzw. beim Abholen klar die Warenverkehrsfreiheit im Vordergrund steht, weshalb eine Einschränkung der europäischen Dienstleistungsfreiheit in Zusammenhang mit dem Werkverkehr aus Sicht der Bundessparte Industrie auch europarechtlich nicht vertretbar war.
- Keine Anwendung soll das LSD-BG außerdem auf Arbeitnehmer finden (§ 1 Abs 8 Ziffer 2 und 3), die in den letzten zwei Entgeltperioden vor der Entsendung oder Überlassung und während der Entsendung oder Überlassung nachweislich eine monatliche Bruttoentlohnung von durchschnittlich ca. 7.000 Euro erhalten: Die Bundessparte Industrie fordert in diesem Zusammenhang weiterhin nachdrücklich einen Wert in Höhe von 100% des Dreißigfachen der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (Wert 2021: 5.500 Euro).
- Grundsätzlich positive bürokratische Entlastungen:
- Meldungen werden erleichtert, indem sie als vollständig erstattet gelten, wenn bei einer Meldung nach § 19 Abs. 1 irrtümlich anstelle eines ZKO-3-Formulars ein ZKO-4-Formular oder umgekehrt verwendet wird. Voraussetzung dafür ist, dass das irrtümlich verwendete Formular vollständig ausgefüllt ist. Die Bundessparte Industrie fordert hier weiterhin die Zusammenführung beider Meldedokumente!
- Vereinfachte Bereithaltung der Lohnunterlagen bei nur kurzfristigen Entsendungen von bis zu 24 Stunden (§ 22 Abs. 1b LSD-BG).
- Überarbeitung der Verwaltungsstrafbestimmungen der §§ 26 bis 29 LSD-BG: Auf Grund der EuGH- und VfGH-Judikatur kommt es zu wichtigen Änderungen: Das Kumulationsprinzip wird sowohl bei den Formaldelikten, als auch bei der Unterentlohnung abgeschafft. Ebenso entfallen die Mindeststrafen, stattdessen werden neue Strafrahmen wie folgt festgelegt.
- Strafrahmen bei Unterentlohnung:
Bis zu € 20.000 im Erstfall bei Betrieben mit bis zu neun Arbeitnehmern, wenn die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als € 20.000 ist. Andernfalls bis zu € 50.000. Bis zu € 100.000, wenn die Summe der Unterentlohnung höher als € 50.000 ist. Bis zu € 250.000, wenn die Summe der Unterentlohnung höher als € 100.000 ist. Bis zu € 400.000, wenn die Summe der Unterentlohnung höher als € 100.000 ist und das Entgelt vorsätzlich um durchschnittlich mehr als 50 Prozent des Entgelts vorenthalten wurde.
- Strafrahmen bei Unterentlohnung:
- Bei Verstoß gegen die Melde- u. Bereithaltepflicht sowie bei Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle beträgt die Strafe bis zu € 20.000 und bei Nichtbereithalten oder Nichtübermitteln der Lohnunterlagen bis zu € 30.000.
Den Erfordernissen des Maksimovic-Erkenntnisses (sog. „Andritz-Fall“) scheint der LSD-BG-Gesetzesentwurf jedenfalls überwiegend gerecht zu werden, da Mindeststrafen sowie die Kumulation der Strafen „je betroffener Arbeitnehmer“ zur Gänze entfallen, durchgehend Höchststrafrahmen eingezogen wurde und jeweils immer die Begehung in Bezug auf mehrere Arbeitnehmer ausdrücklich als eine Verwaltungsübertretung angesehen wird. Hier wurde endlich eine ganz zentrale Forderung der Bundessparte Industrie umgesetzt.
Eine Abstufung des Strafrahmens, die einzig und allein auf die Summe der Unterentlohnung abstellt, wird von der Bundessparte Industrie aber strikt abgelehnt. Die Bundessparte Industrie fordert in diesem Zusammenhang mit Nachdruck, dass es nur dann zu einer Erhöhung des Strafrahmens kommen soll, wenn zusätzliche Kriterien wie zB ein erhöhter Verschuldensgrad von Vorsatz oder Wiederholungsfälle nachgewiesen werden können! Die Strafhöhe sollte sich daher wesentlich stärker am Ausmaß der „kriminellen Energie“ und nicht einzig und allein an der bloßen Summe der Unterentlohnung orientieren. Überhaupt nicht einzusehen ist aus Sicht der Bundessparte Industrie, warum beim Strafrahmen im Erstfall an der Betriebsgröße (= Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer) angeknüpft wird. Dieses Kriterium erscheint aus Sicht der Bundessparte Industrie als völlig unsachlich und mitunter sogar gleichheitswidrig. In diesem Zusammenhang fordern wir die ersatzlose Streichung einer Anknüpfung an der Betriebsgröße und der beschäftigten Arbeitnehmer.
Als höchst problematisch sieht die Bundessparte Industrie außerdem, dass es zu keiner Anpassung der Merkmale in § 4 Abs. 2 AÜG gekommen ist. Die für grenzüberschreitende Sachverhalte hinzuziehende Judikatur zur Abgrenzung von Werkvertag und Arbeitskräfteüberlassung (EuGH RS Martin Meat, C 586/13; VwGH Ra 2017/11/0068) muss unserer Ansicht nach jedenfalls auch für Inlandssachverhalte herangezogen werden. Trotz der gegenteiligen Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C-586/13, Martin Meat, zur grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung und der überwiegend ablehnenden Haltung der Literatur hält der OGH nämlich an seiner bisherigen restriktiven Rechtsprechung weiterhin fest. Umso mehr wäre hier eine Änderung/Reparatur des Gesetzes dringend geboten.
Die Neuregelungen sollen mit 1. September 2021 in Kraft treten. Auf Entsendungen und Überlassungen sind sie dann anzuwenden, wenn diese nach dem 31. August 2021 begonnen haben. Selbstverständlich halten wir Sie über die endgültige Beschlussfassung im Parlament auf dem Laufenden.
Autor:
Mag. Thomas Stegmüller
E-Mail:
thomas.stegmueller@wko.at