Digitalisierung und Nachhaltigkeit im chinesischen Energiesektor

Wie können smarte Technologien den chinesischen Energiebereich nachhaltiger gestalten

Lesedauer: 4 Minuten

China

Die Energiewirtschaft und vor allem Energiesicherheit ist ein Thema, dass Europa, aber auch Länder wie China zurzeit sehr beschäftigt. China hatte in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Energie-Problemen zu kämpfen. Ende 2021 litten viele Teile des Landes unter Stromknappheit und nicht effizient operierende Fabriken wurden von den lokalen Regierungen gezwungen die Produktion teilweise einzustellen. Dieses Jahr führten Dürren und extreme Hitzewellen dazu, dass in Teilen des Landes, die verstärkt auf Wasserkraft angewiesen sind, Energierationierungen eingeführt werden mussten. Ebenfalls war hier wieder verstärkt die Industrie betroffen.

Einerseits hat China das ambitionierte Ziel bis 2060 CO2-neutral zu werden und setzt auch dementsprechende Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Andererseits wurde Ende 2021 die inländische Fördermenge für Kohle hochgefahren, u. a. durch die Wiedereröffnung zuvor geschlossener Kohleminen. Auch der Ausbau von Kohlekraftwerken ist weiterhin im vollen Gange, um die Versorgung der energiehungrigen Wirtschaft abzusichern.

Um den Spagat zwischen Klimaschutz und Energiesicherheit in Zukunft zu schaffen, setzt China vor allem auch auf neue Technologien, um die Energieproduktion und – verwendung effizienter zu gestalten.

China hat beispielsweise den größten Windenergie-Markt der Welt, der auch gleichzeitig einer der kompetitivsten ist. Sechs der zehn größten Windkraftanlagenhersteller sind in China beheimatet. 388 Gigawatt Kapazität wurden insgesamt bis Ende 2021 installiert. Um in diesem Umfeld bestehen zu können, stehen Firmen aus der Branche unter enormen Kostendruck. Ein chinesischer Betreiber von Windkraftanlagen hat daher beschlossen Big Data und Internet of Things-Technologien zu verwenden, um die eigenen Windkraftanlagen in Echtzeit zu beobachten und mit den gesammelten Daten den Wartungsbedarf besser zu prognostizieren sowie die zugewiesene Zeit für Stromerzeugung, Wartung und Überholung der Anlagen zu optimieren. Dies führte dazu, dass die Nutzungseffizienz der Anlagen um 15% erhöht werden konnte. Die Anzahl der Wartungsmitarbeiter wurde gleichzeitig um 30% reduziert. Dies ist deshalb bedeutend, da auch in China qualifizierte Facharbeiter immer teurer und schwieriger zu rekrutieren sind. Derzeit liegt die jährliche Lohnsteigerungsrate bei etwa 5% und viele Firmen beklagen Probleme bei der Anwerbung von Fachkräften.

Beim Vertrieb von Energie und damit einhergehenden Dienstleistungen ist eine große Herausforderung von chinesischen Fabriken, die passendsten Anbieter von technologischen Lösungen für ihren Energiebedarf, inklusive Strom, Wärme, Wasser, Gas, Öl oder Kohle, zu finden und zu bewerten.

Chinas Technologie-Gigant Tencent hat mit „Energy Studio“ eine digitale Plattform geschaffen, die Technologieanbieter, Energieversorger und Verbraucher zusammenbringt. Technologieanbieter und Energieversorger aus verschiedenen Sektoren können über die Plattform in einer offenen Datenbank die eigenen Produkte und Dienstleistungen mit den dazugehörigen Parametern eintragen. Außerdem können die Anbieter die eigenen Produkte mit denen von Drittanbietern in der offenen Datenbank kombinieren. Die Plattform hilft dabei Dateninseln aufzubrechen und ermöglicht ein besseres und transparenteres Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Energieprodukten. Dadurch werden neue integrierte Dienstleistungen kreiert und zur Verfügung gestellt. Ein klassisches Problem vieler Energie-Lösungsanbieter in China ist, dass diese trotz jahrelanger Marktpräsenz mit hohen Marketing- und Vertriebskosten und einem niedrigen Bekanntheitsgrad der Lösungen zu kämpfen haben. Dieser digitale Marktplatz soll daher dabei helfen, die Effizienz des Energiemarkts zu steigern und den Nutzern, sprich chinesische Fabriken, es zu ermöglichen nach den optimalsten Produktkombinationen für deren eigenen Energiebedarf zu suchen.

Bei der Produktion selbst versuchen viele Unternehmen den eigenen Energiebedarf zu reduzieren. Zum Beispiel Baowu Carbon Technology, eine Tochtergesellschaft des chinesischen Stahlgiganten Baowu, welches kohlenstoffbasierte neue Materialien entwickelt und herstellt. Dieses Unternehmen versucht durch eine Kombination von Cloud-Computing, industriellem Big Data, Internet of Things sowie Künstlicher Intelligenz den Energiebedarf und die Ausschussrate in der Produktion zu reduzieren.

Baowu Carbon Technology hat dazu eine digitale virtuelle Fabrik geschaffen, in der Produktionsprozesse, Produktoptimierung und Ressourceneffizienz verbessert werden sollen. Markt-Trends, Produktionspläne und Daten der Produktionsstätten werden in Echtzeit analysiert. Das Ergebnis sind laut eigenen Aussagen eine Reduktion der Produktionskosten um 25%, eine Produktivitätssteigerung um 30%, eine um 28% geringere Ausschussrate und ein um 12% verringerter Energieverbrauch pro Produktionseinheit.

Eine erhöhte Nachhaltigkeit im Energiemarkt und ein energieeffizienter Industrie-Sektor wird auch für China in Zukunft essenziell sein.

Bisher wirkte der chinesische Markt für erneuerbare Energien auf ausländische Investoren eher abschreckend aufgrund des Marktanteils einheimischer Unternehmen, des uneinheitlichen Transparenzniveaus und der Beschaffungspraktiken der Regierung. Die folgenden Fakten und Trends bieten jedoch neue Möglichkeiten für den Einstieg in diesen großen Markt:

  • Der Energiesektor legt Wert auf niedrige Kosten, und die Innovation bei Technologien wie Solarzellen ist relativ schleppend. Obwohl chinesische Unternehmen in vielen dieser Bereiche den Marktanteil dominieren, verfügen sie nicht immer über die fortschrittlichste Technologie, die für eine kostengünstige Produktion erforderlich wäre.
  • China ist dabei, die Subventionen für den Sektor der erneuerbaren Energien schrittweise abzubauen, um die Wettbewerbsbedingungen zwischen in- und ausländischen Unternehmen in Bezug auf Märkte und Technologien anzugleichen.

Insgesamt gibt es für ausländische Investoren keine besonderen Beschränkungen für Investitionen in neue Energieprojekte. Und viele Sektoren werden nach der Version 2020 des Förderkatalogs für ausländische Investitionen besonders gefördert. Österreichische Unternehmen, die hier innovative und nachhaltige Lösungen anbieten können, haben daher sehr gute Marktchancen.

Sie haben weitere Fragen?

Das AußenwirtschaftsCenter Peking steht Ihnen gerne telefonisch unter +86 10 8527 5050 oder per E-Mail an peking@wko.at zur Verfügung. 

Stand: 29.09.2022

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