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Privat­insolvenz und Schulden­regulierungs­verfahren auch für Unter­nehmer

Details, Tipps und nähere Informationen zum sogenannten „Privatkonkurs"

Lesedauer: 8 Minuten

1. Was versteht man unter Privatinsolvenzverfahren („Privatkonkurs“)? 

Die Bezeichnung „Privatkonkurs“ ist irreführend, hat sich jedoch eingebürgert. Es ist eine spezielle Form des Insolvenzverfahrens für alle natürlichen Personen, egal ob es sich um Privatpersonen (dazu zählen auch ehemalige Unternehmer) oder Einzelunternehmer handelt, daher auch für Geschäftsführer und Gesellschafter (nicht jedoch für die Gesellschaften selbst). 

Ziel des „Privatkonkurses“ ist es, einer Person für den Fall der Zahlungsunfähigkeit die Möglichkeit zu bieten, dem ansonsten oft endlosen Kreislauf ständig steigender Neuverschuldung durch ständig laufende Zinsen und neue Exekutionskosten zu entrinnen und nach spätestens fünf Jahren schuldenfrei zu werden.

2. Warum „Privatkonkurs“? 

Beim „Privatkonkurs“ handelt es sich um eine Form des Insolvenzverfahren für natürliche Personen. Das Besondere des „Privatkonkurses“ liegt darin, dass 

  • für den Fall des Scheiterns eines Sanierungsplans oder 
  • für den Fall, dass ein Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans gar nicht gestellt wird oder gestellt werden kann, oder 
  • ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens sonst nicht eröffnet werden könnte,

die Schuldenbefreiung damit noch nicht gescheitert ist. Der Schuldner hat nämlich die zusätzliche Möglichkeit, einen Antrag auf Abschluss eines Zahlungsplans sowie (für den Fall des Scheiterns des Zahlungsplanantrags) sogar gegen den Willen der Gläubiger ein Abschöpfungsverfahren mit schuldbefreiender Wirkung zu beantragen.

3. Sonderbestimmungen für Private 

In der Regel wird für Private kein Insolvenzverwalter bestellt. Das bedeutet vor allem, dass der Schuldner über sein Vermögen frei verfügen kann und dass die Kosten des Insolvenzverfahrens wesentlich geringer sind.

Der Schuldner darf auch bei Eigenverwaltung nur die unpfändbaren Teile seiner Einkünfte (das Existenzminimum) behalten und darf über den darüber hinausgehenden pfändbaren Teil nicht verfügen.

Wird der Antrag auf Abschluss eines Zahlungsplans und Einleitung eines Schuldenregulierungsverfahrens gleichzeitig mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, so verlangt das Gericht keinen Kostenvorschuss.      

Zuständig für Private ist das jeweilige Bezirksgericht des Wohnsitzes. Bei einem Aktivvermögen bis zu 50.000 EUR ist nicht ein Richter, sondern ein Rechtspfleger zur Leitung des Insolvenzverfahrens zuständig.

Das Insolvenzverfahren wird „Schuldenregulierungsverfahren“ genannt.

Tipp:
Formulare für das Schuldenregulierungsverfahren gibt es bei jedem Bezirksgericht sowie auf der Website des Justizministeriums unter Bürgerservice – Formulare.  

4. Sonderbestimmungen für Unternehmer

In der Regel wird vom Gericht ein Insolvenzverwalter bestellt, wodurch die Verfahrenskosten höher sind.

Obwohl dies gesetzlich nicht vorgesehen ist, wird von den Gerichten in der Praxis oft ein Kostenvorschuss verlangt.

Für Unternehmer ist nicht das Bezirksgericht, sondern das Landesgericht (Insolvenzabteilung), in dessen Sprengel der Schuldner seinen Sitz hat, in Wien das Handelsgericht, zuständig. Das Insolvenzverfahren hat keine eigene Bezeichnung und es gibt bei den Landesgerichten in der Regel keine Antragsformulare.

Tipp:
Die bezirksgerichtlichen Formulare können zumindest als Muster herangezogen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass anstelle der Bezeichnung „Schuldenregulierung“ und „Schuldenregulierungsverfahren“ die Begriffe „Insolvenz“ bzw. „Insolvenzverfahren“ verwendet werden und dass der Antrag nicht an das „Bezirksgericht“ sondern an das „Landesgericht“ bzw. an das „Handelsgericht Wien“ gestellt und dort eingebracht werden muss.

5. Wann bin ich Unternehmer?

Ob jemand Unternehmer ist, beurteilt das Gericht aufgrund der wirtschaftlichen Umstände. Unternehmer ist jedenfalls, wer aufrechte Gewerbeberechtigungen oder aufrechte Dienstverträge mit Mitarbeitern hat.

Da es nur auf den Zeitpunkt der Antragsstellung ankommt, gilt man auch als Privater, wenn die Mehrheit oder sogar sämtliche Schulden aus einer früheren Unternehmenstätigkeit stammen, solange nur im Zeitpunkt der Antragsstellung das Unternehmen endgültig geschlossen ist. Es ist jedoch möglich, dass – insbesondere bei komplizierter Schuldenlage – dennoch vom Gericht ein Insolvenzverwalter bestellt wird. 

Tipp:
Wenn das Unternehmen daher nicht mehr weitergeführt werden kann, sollte das Unternehmen zuerst tatsächlich geschlossen werden (Gewerbeberechtigung ruhend stellen oder zurücklegen!) und dann erst ein Antrag auf Eröffnung eines „Privatkonkursverfahrens“ gestellt werden.

6. Wer kann einen „Privatkonkurs“ beantragen?

Einen „normalen“ Insolvenzantrag kann sowohl der Schuldner als auch jeder Gläubiger stellen. Den eigentlichen Antrag auf Eröffnung eines „Privatkonkursverfahrens“ (nämlich die Anträge auf Zahlungsplan und Abschöpfungsverfahren) kann nur der Schuldner selbst stellen, und zwar auch während eines von einem Gläubiger zuvor beantragten Insolvenzverfahrens.

Stellt der Schuldner gleichzeitig mit dem Insolvenzantrag einen Antrag auf Zahlungsplan, so darf das Gericht grundsätzlich keinen Kostenvorschuss verlangen.

Um jedoch ohne kostendeckendes Vermögen einen Insolvenzeröffnungsantrag stellen zu können, müssen folgende Unterlagen vorgelegt werden:

  • Ein genaues, eigenhändig unterschriebenes Vermögensverzeichnis mit der Erklärung, dass der Schuldner bereit ist, vor dem Insolvenzgericht die Wahrheit und Vollständigkeit seiner Angaben zu bestätigen. 
  • Der Antrag auf Abschluss eines zulässigen Zahlungsplans mit einer nachvollziehbaren Bescheinigung, wie der Zahlungsplan erfüllt werden soll. Bezieht der Schuldner in den folgenden fünf Jahren voraussichtlich kein pfändbares Einkommen oder übersteigt dieses das Existenzminimum nur geringfügig, so braucht er keinen Zahlungsplan anzubieten.
  • Eine Bescheinigung, dass die Einkünfte des Schuldners die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken werden.

7. Wie läuft der „Privatkonkurs“ ab?

  • Insolvenzantrag (zweckmäßigerweise gemeinsam mit Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans, eines Zahlungsplans und eines Abschöpfungsverfahrens) 
  • Versuch des Abschlusses eines Sanierungsplans (nicht zwingend vorgeschrieben); bei Scheitern: 
  • Vermögensverwertung 
  • Versuch des Abschlusses eines Zahlungsplans; bei Scheitern: 
  • Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung.

Tipp:
Soll das Unternehmen erhalten werden, muss unbedingt ein Sanierungsplan zustande kommen, da ansonsten das gesamte Vermögen verwertet (verkauft) wird.

8. Was ist ein Sanierungsplan?

Beim Sanierungsplan muss die Zahlung einer Mindestquote von 20 % in max. zwei Jahren (Private: fünf Jahre) angeboten werden.

Die Gläubiger müssen mehrheitlich (mehr als 50 % der bei der Abstimmung anwesenden Gläubiger, wenn deren Forderungen mehr als 50 % der Gesamtforderungssumme der anwesenden Gläubiger betragen) zustimmen. 

9. Was ist ein Zahlungsplan?

Der Zahlungsplan ist eine Art „erleichterter Sanierungsplan“ ohne Mindestquote. In der Praxis sollte allerdings eine Quote von zumindest 10 % erreicht werden, da die Gläubiger ansonsten nicht zustimmen werden. Wie beim Sanierungsplan ist nämlich die Zustimmung der Gläubigermehrheit (es gelten dieselben Mehrheiten wie beim Sanierungsplan) erforderlich.

Für den Schuldner hat der Zahlungsplan gegenüber dem Abschöpfungsverfahren den Vorteil, dass eine im Zahlungsplan nicht berücksichtigte nachträgliche Verbesserung der Vermögenssituation (z.B. Gehaltserhöhung, Erbschaft) den einmal angenommenen Zahlungsplan nicht mehr beeinträchtigt. Der Schuldner kann daher – wie beim Sanierungsplan – über diesen Vermögenszuwachs frei verfügen.

Wie auch beim Sanierungsplan führt der erfüllte Zahlungsplan zur Restschuldbefreiung.

10. Was ist das Abschöpfungsverfahren?

Stimmen die Gläubiger dem Zahlungsplan nicht zu (z.B. weil ihnen die Zahlungsfrist zu lang oder die angebotene Quote zu gering erscheint) oder braucht der Schuldner keinen Zahlungsplan anzubieten, so kommt es zum Abschöpfungsverfahren.  

Es gibt zwei verschiedene Arten von Abschöpfungsverfahren: Ein Abschöpfungsverfahren mit Tilgungsplan oder ein Abschöpfungsverfahren mit Abschöpfungsplan. Dabei werden sämtliche pfändbaren Teile des Einkommens des Schuldners für drei Jahre (bei einem Abschöpfungsverfahren mit Tilgungsplan) bzw. fünf Jahre (Abschöpfungsverfahren mit Abschöpfungsplan) an einen Treuhänder abgetreten, sodass dem Schuldner für diesen Zeitraum nur das Existenzminimum verbleibt. Im Gegensatz zum Zahlungsplan hat der Schuldner sämtliche während dieser Zeit erlangten Vermögensvorteile (z.B. Schenkung, Erbschaft, Gehaltserhöhung, Lottogewinn) herauszugeben. 

Es gibt allerdings mehrere Umstände, die die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens mit Abschöpfungsplan verhindern. Dazu zählen insbesondere im Strafregister noch nicht gelöschte Verurteilungen wegen betrügerischer Krida oder ähnlich schwerer Delikte, die Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren, die Nichtausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit während des Insolvenzverfahrens oder das mangelnde Bemühen um eine solche Beschäftigung, wenn der Schuldner ohne Beschäftigung war, unrichtige oder unvollständige Angaben über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse sowie auch die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens in den letzten 20 Jahren vor dem gegenständlichen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. 

Für ein Abschöpfungsverfahren mit Tilgungsplan, das eine kürzere Abschöpfungsdauer vorsieht (drei statt fünf Jahren), bestehen darüber hinaus noch zusätzliche Anforderungen. Ein solcher Antrag ist etwa abzuweisen, der Schuldner nicht längstens binnen 30 Tagen nach öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses über die Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit im Exekutionsverfahren die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Hat der Schuldner während dieses Exekutionsverfahrens kein Unternehmen betrieben, so reicht es wenn der Schuldner binnen 30 Tagen nach öffentlicher Bekanntmachung Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder zur Vorbereitung des Insolvenzverfahrens ergreift und ab der öffentlichen Bekanntmachung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine neuen Schulden eingeht, die er bei Fälligkeit nicht bezahlen kann. 

Während des Abschöpfungsverfahrens muss der Schuldner u.a. eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben bzw. darf er keine zumutbare Tätigkeit ablehnen, sämtliches erlangtes Vermögen herausgeben, jeden Wechsel des Wohnsitzes und des Arbeitsgebers dem Gericht bekannt geben und Auskunft über sein Vermögen erteilen. Insbesondere darf er auch keine neuen Schulden eingehen, die er bei Fälligkeit nicht bezahlen kann. Zahlungen zur Befriedigung der Gläubiger sind ausschließlich an den vom Gericht bestellten Treuhänder zu leisten. 

Kommt der Schuldner diesen Obliegenheiten nicht nach, so kann das Abschöpfungsverfahren vorzeitig eingestellt werden. Eine Restschuldbefreiung ist dann nicht mehr möglich.

11. Was ist eine Restschuldbefreiung?

Nach Ablauf der drei bzw. fünf Jahre hat das Gericht das Abschöpfungsverfahren, das nicht eingestellt wurde, für beendet zu erklären und gleichzeitig die Restschuldbefreiung auszusprechen. Dies bedeutet, dass der Schuldner von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit ist (bestimmte Forderungen werden allerdings davon nicht umfasst).

12. Ist ein Rechtsanwalt notwendig?

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht erforderlich, jedoch ist zur Vorbereitung eines „Privatkonkurses“ zumindest die Beiziehung eines fachkundigen Beraters (Unternehmensberater, Steuerberater, Rechtsanwalt, Schuldnerberatungsstelle) zweckmäßig.

13. Ist ein Kontakt mit der Schuldnerberatungsstelle erforderlich? 

Nein, doch ist zur Vorbereitung einer Privatinsolvenz zumindest die Beiziehung eines fachkundigen Beraters (Unternehmensberater, Steuerberater, Rechtsanwalt, Schuldnerberatungsstelle) zweckmäßig.

14. „Privatkonkurs“ und Gewerberecht

Weder die Einleitung noch die Eröffnung eines Privatkonkursverfahrens ist für sich ein Gewerbeentziehungsgrund. Ausgenommen davon sind bestimmte Gewerbe z.B. die Versicherungs- und die Kreditvermittlung.

Stand: 21.07.2021