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Fahrzeughandel, Landesgremium

Probefahrtkennzeichen gemäß § 45 KFG

Blaues Taferl

Lesedauer: 7 Minuten

Inhaltsverzeichnis: 



Was sind Probefahrten/Überstellungsfahrten?

Im Kraftfahrgesetz (KFZ) ist im § 45 Abs 1 der Begriff und Umfang von Probefahrten genau definiert. Die Probefahrtkennzeichen („blauen Taferl“) dürfen NUR für folgende Fahrten verwenden werden:  

  • Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände
  • Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen.
  • Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes sowie Fahrten um unbeladene Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 oder N3 gewerbsmäßig im Auftrag von Nutzfahrzeugherstellern oder Nutzfahrzeughändlern zu überführen,
  • Fahrten zur Überführung des Fahrzeuges durch den Käufer bei der Abholung des Fahrzeuges vom Verkäufer,
  • Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt des KFG und
  • Das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.


Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt.   


Welche Fahrten sind mit dem Probefahrtkennzeichen erlaubt bzw. was darf ich mit dem blauen Taferl nicht tun?

Wird das Probefahrtkennzeichen missbräuchlich verwendet, begehen Sie damit eine Verwaltungsübertretung. Die Behörde kann u.a. bei wiederholtem Missbrauch das Kennzeichen entziehen. 


Laut Auszüge aus dem Kommentar „Das Blaue Kennzeichen – Fragen und Antworten“; Die gesetzlichen Bestimmungen zum Probefahrtkennzeichen gem. § 45 KFZ 1967; von HR Mag. Dr. Martin Paar und Dipl. Oec. Andreas Klaus Westermeyer, MLS; 2. Auflage, Juni 2019: 

… Es kann sich die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit ergeben, mit einer Probefahrt einen Nebenzweck zu verbinden, ohne dass der Charakter der Probefahrt verloren ginge (zB wenn anlässlich einer Probefahrt eine Tankstelle zum Tanken aufgesucht wird oder die Probefahrt kurz unterrochen wird, damit der Lenker eine Toilette aufsuchen kann oder ein Poststück in einen Briefkasten einwerfen kann). Der Charakter einer Probefahrt besteht aber jedenfalls dann nicht (mehr), wenn der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit der Probefahrt verloren geht. Ist ein solcher Zusammenhang nicht mehr gegeben, wird anzunehmen sein, dass der Hauptzweck „Probefahrt“ mehr oder minder zugunsten des Nebenzwecks zurücktritt und daher die Fahrt nicht mehr als Probefahrt angesehen werden kann. … 1

… Für private Zwecke dürfen Probefahrtkennzeichen nicht verwendet werden, auch dann nicht, wenn mit dieser Fahrt ein geschäftlicher Zweck verbunden ist, wie zB eine Fahrt zum Mittagessen nach Hause und eine anschließende Vorführung des Fahrzeuges bei einem Kunden.

Das Abstellen eines Fahrzeuges mit Probefahrtkennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ist nur im Rahmen einer Probefahrt erlaubt, zB während der Wartezeit vor der Überprüfung. Verboten ist auf jeden Fall das Parken des Fahrzeuges für die Dauer einer Nacht. Dies gilt aber nicht bei Fahrtunterbrechungen im Falle der Fahrzeugüberlassung an einen Kaufinteressenten. In diesem Fall ist aber die Bescheinigung* gemäß § 102 Abs 5 lit c KFG im Fahrzeug zu hinterlegen…. (* Anmerkung Landesgremium OÖ Fahrzeughandel: = Fahrbefehl)

 

Beispiele missbräuchlicher Verwendung der blauen Kennzeichen bzw. unzulässiger/unerlaubter Probefahrten:

  • Ebenso führt die Mitnahme einer Frau, um sie auf dem Weg zu einem Kunden bei ihrer Mutter abzusetzen dazu, dass es sich bei der Fahrt um keine Probe-, sondern um eine Privatfahrt handelt.
  • Auch sind Privatfahrten eines Angestellten des Inhabers des Probefahrtkennzeichens zur Feststellung der Gebrauchs- oder Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrzeuges durch das Probefahrtkennzeichen nicht gedeckt.2
  • Wenn einerseits die Eintragung über Ziel und Zweck der Probefahrt fehlt und andererseits die Fahrt zunächst dem Erreichen des Wochenendhauses diente, kann nicht von einer Probefahrt im Sinne des Gesetzes gesprochen werden.3
  • Das unbegründete Verleihen oder Vermieten von Probefahrtkennzeichen, insbesondere wenn dies über Internetplattformen angeboten wird, ist nicht zulässig. 4
  • Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie vertritt die Rechtsansicht, dass die Teilnahme an einem Branchentreffen zur Präsentation von – ua noch nicht zum Verkehr zugelassenen – Fahrzeugen unter „Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ subsumiert werden kann.5  Dass die Art dieser Branchentreffen jedoch streng auszulegen sind, unterstreicht das Kärntner LVwG mit der Entscheidung, dass das Präsentieren eines Fahrzeuges im Rahmen eines Fahrzeugtreffens, zumal es sich beim GTI-Treffen nicht um eine reine Verkaufsmesse handelt, nicht zu verstehen sind. 6 

  1. OGH 2.7.2015, 7 Ob 81/15k, OGH 5.4.1984, 7 Ob 6/84 1
  2. OGH 1.3.1972, 7 Ob 33/72
  3. VwGH 3.7.1979, GZ 2707/77
  4. BMVIT-170.303/0001-IV/ST4/2014
  5. BMVIT-179.462/0004-IV/ST1/2018, 8.2.2018
  6. UVS Kärnten, 4.7.2013, KUVS-2571-2572/7/2012

Anerkennung vom österreichischen Probefahrtkennzeichen im Ausland

Die Verwendung österreichischer Probefahrtkennzeichen im Ausland ist von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Die folgenden Ausführungen sollen Ihnen einen Überblick über die derzeitigen Regelungen geben.

Anerkennung vom österreichischen Probefahrtkennzeichen im Ausland



Bescheinigung (Fahrbefehl)

Es gibt unterschiedliche Bestimmungen über den Inhalt einer Bescheinigung (Fahrbefehl) über Ziel und Zweck, welche vom Lenker mitzuführen ist. Wir empfehlen daher, den Fahrbefehl immer vollständig ausgefüllt (alle Felder) mitzuführen, auch dann, wenn der Inhaber der Bewilligung einer Probefahrt (Zulassungsbesitzer) das Fahrzeug lenkt (beugt Missverständnisse zwischen Lenker und Exekutive vor). Fahrbefehle mit der jeweiligen Führerschein-Kopie des Lenkers 3 Jahre aufbewahren.

Muster Fahrbefehl (Zusatzblatt zum Probefahrtschein nach Artikel 35 des Wiener Übereinkommens)



Fahrtenbuch (Muster)

Vollständiger Eintrag ins Fahrtenbuch muss vor Antritt der Probefahrt erfolgen - empfindliche Verwaltungsstrafen bei Nichteinhaltung. 3 Jahre Aufbewahrung ab letztem Eintrag. Laut bmvit auch digital möglich: Wenn die Erfordernisse gem. § 45 Abs. 6 KFG erster Satz erfüllt sind, kann dieser Nachweis nach Ansicht des bmvit auch in elektronischer Form geführt werden. Dieser Nachweis muss nicht bei Probefahrten mitgeführt werden. Der Bewilligungsinhaber muss gemäß § 103 Abs. 2 KFG Auskunft darüber erteilen können, wer (Name und Anschrift der betreffenden Person) zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat.

Fahrtenbuch-Muster  


Fahrtenbuch über Wirtschaftsverlag bestellen (Kommentar inklusive)



Mautvignettenregelung bei Probefahrten

Auch für Fahrzeuge, die mit einem Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen ausgerüstet sind, gilt auf mautpflichtigen Autobahnen und Schnellstraßen die Vignettenpflicht.

Regelungen laut Mautordnung



Urteil Veruntreuung eines Kfz bei Probefahrt

In einem Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) wurde einem Autohaus das Eigentumsrecht an einem Fahrzeug aberkannt, nachdem das Fahrzeug nach einer Probefahrt gestohlen und dann weiterverkauft wurde. Das Urteil des deutschen BGH hat das Bundesgremium Fahrzeughandel veranlasst, die österreichische Rechtslage prüfen zu lassen.

Eigentum an dem Fahrzeug: Worauf Autohändler achten sollten



Gesetzliche Bestimmungen zum Probefahrtkennzeichen - einfach und verständlich erklärt im Kommentar „Das Blaue Kennzeichen“

Wie komme ich als OÖ FahrzeughändlerIn zum Probefahrtkennzeichen („blaues Taferl“)?

Die Beantragung erfolgt bei der Behörde (Bezirkshauptmannschaften, ausgenommen in Linz-Stadt bei der Landespolizeidirektion, in Steyr-Stadt und Wels-Stadt bei der Polizeidirektion). In Oberösterreich sind, nach derzeitigem Informationsstand des Landesgremiums OÖ des Fahrzeughandels, folgende Nachweise der Behörde bei der Beantragung zur Erlangung/Durchführung von Probefahrtkennzeichen vorzulegen:

  • Aufrechte, aktive Gewerbeberechtigung (mittels GISA-Auszug der Gewerbebehörde)
  • Bestätigung der WKOÖ - Fahrzeughandel über die Zureihung zum Landesgremium des Fahrzeughandels
  • Formloser Antrag mit Begründung für den Bedarf eines Probefahrtkennzeichens
    • Ein Antrag hat auch die Angabe zu enthalten, für welche Untergruppe von KFZ (PKW, Kraftrad, LKW usw.)  
    • Beachten Sie bitte, dass die Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten mit Kraftfahrzeugen nicht auch Anhänger umfasst. Sollte der Fahrzeughandel auch den Handel mit Anhängern umfassen, so ist dies zusätzlich zu beantragen; also für Kraftfahrzeuge und Anhänger.
  • Steuernummer, welche durch das zuständige Finanzamt vergeben wurde
  • Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt (Bescheinigung, dass keine steuerrechtlichen Bedenken bestehen): Je nach Behörde/(Landes-) Polizeidirektion mittels Formular Nr. Verf 34a ODER NOVA5-Formular
  • Vorhandensein von ausreichenden Abstellplätzen (davon kann im Einzelfall abgesehen werden, sofern der Antragsteller dies schlüssig und nachvollziehbar darlegt)
  • Nachweis einer am Verkaufsort gut sichtbaren, äußeren Geschäftsbezeichnung
  • Versicherungsbestätigung über den Abschluss einer Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung

Weitere Hinweise zur Beantragung:

  • Der Behörde bei Beantragung eines weiteren Probefahrtkennzeichens das Fahrtenbuch des bereits vorhandenen Kennzeichens vorzulegen, um die tatsächliche Erforderlichkeit eines weiteren überprüfen zu können.
  • Erteilt die Behörde die Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten, führt der Weg zu einer privaten Zulassungsstelle für die Zuweisung von Probefahrtkennzeichen und die Ausgabe der „blauen Taferl“.
  • Nachdem die rechtliche Grundlage für die Erteilung von Probefahrtkennzeichen mit unbestimmten Gesetzesbegriffen ausgestattet ist, kann die geforderte „Glaubhaftmachung der Notwendigkeiten von Probefahrten“ von den einzelnen Bezirkshauptmannschaften bzw. (Landes-)Polizeidirektionen unterschiedlich gesehen werden bzw. können daher auch manchmal unterschiedliche (bzw. weitere) Nachweise verlangt werden.

Stand: 05.01.2023