Finanzdienstleister, Fachgruppe

Optimisten brauchen am Immobilienmarkt noch einen langen Atem

Welche Auswege gibt es aus der Inflationskrise, um durch individuelle Finanzplanung Wohnbaufinanzierung, Vermögensaufbau und Altersvorsorge wieder leistbar zu machen. Dieser Frage widmete sich ein Experten-Talk der Fachgruppe Finanzdienstleister um Obmann Markus Kohlmeier, Chefökonom der Industriellenvereinigung Prof. Christian Helmenstein, Gerald Gollenz, Obmann Fachverband Immobilien- und Vermögenstreuhänder, BWSG-Vorstand Michael Kaiser und Fachgruppen-Ausschussmitglied Johannes Tratz.

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25.03.2024

Die Prognose vieler Expert:innen, der rasante Inflationsanstieg sei ein temporäres Phänomen und die Inflationsrate würde sich bald wieder normalisieren, ist ein Trugschluss. Noch im März lag die Inflation bei 9,2%. Prof. Christian Helmenstein dazu: „Ich wäre vorsichtig anzunehmen, dass es ohne weitere Maßnahmen gelingt, in den nächsten beiden Jahren auf das von der EZB angestrebte Inflationsniveau von 2% oder darunter zu gelangen“. Österreich schlage sich laut Markus Kohlmeier bei der Inflationsbekämpfung aber offensichtlich besonders schlecht. Christian Helmenstein begründet dies mit einem speziellen Österreich-Malus, der auch systemisch bedingt sei. So habe der Staat allein in die Abfederung der wirtschaftlichen Covid-Folgen über 42 Milliarden Euro und mehr als 30 Milliarden Euro in allgemeine sowie inflationsspezifische Entlastungsmaßnahmen gesteckt. Zwar gelang es dadurch, die Nachfrage zu stabilisieren, doch begünstigte dies im Zusammenwirken mit einem verringerten Angebot Preisaufschläge. Hinzu kämen hohe Regulierungsanforderungen insbesondere in den Bereichen Bau, Gastronomie und Hotellerie, welche die Inflation kostenbedingt weiter treiben. Es sei daher besonders wichtig, diese systemischen und regulatorischen Probleme in den Griff zu bekommen. 

Finanzierungs- statt Immobilienkrise

Die Folgen der aktuell hohen Inflation sind vor allem auf dem Immobilienmarkt dramatisch. Sie drücken sich in exorbitant gestiegenen Baukosten aus. Die Branche ist zudem mit den Auswirkungen der KIM-Verordnung konfrontiert. Diese wurde zwar zum 1. April hin – auch auf Druck des Fachverbands Finanzdienstleister – gelockert, positive Effekte lassen aber noch auf sich warten. Johannes Tratz kann dies nur bestätigen: „Auch wenn die Zwischenfinanzierung nun wieder möglich ist, eine wirkliche Verbesserung ist nicht eingetreten“. Aus Sicht von Gerald Gollenz hätte es die KIM-VO überhaupt nicht gebraucht, von einer Immobilienkrise sei man in Österreich nie bedroht gewesen. Die Verordnung habe lediglich dafür gesorgt, dass sich junge Familien nun noch schwerer tun, Wohneigentum aufzubauen.

Anpassungen waren nicht mutig genug

Dass das FMSG nicht mutiger war, die KIM-VO an anderen Stellen anzupassen, kritisiert Markus Kohlmeier sehr. Für ihn ist eine abgezahlte, selbstgenutzte Immobilie immer noch ein wesentliches und sicheres Element der eigenen Altersvorsorge. An der Beleihungsquote, der Laufzeit und den vorgeschriebenen Eigenmitteln wurde weiterhin nichts geändert. Vorbehalte gegenüber kurz gestalteten Kreditlaufzeiten hat auch Christian Helmenstein, vor allem angesichts einer steigenden Lebenserwartung. „Es spricht aus meiner Sicht wenig dagegen, angesichts einander überlappender Generationen Kreditlaufzeiten von 40 bis 60 Jahren ins Auge zu fassen, also auch über die übliche Erwerbsphase des Individuums hinaus.“ Aus Tratz‘ Sicht ist es im Hinblick auf die KIM-VO auch paradox, dass potenzielle Immobilienkäufer aufgrund der Nicht-Finanzierbarkeit einer eigenen Immobilie nun auf den Mietmarkt gedrängt werden. Diese Entwicklung wiederum verknappe dort das Angebot an leistbarem Wohnraum zusehends. Ähnlich sieht es auch Helmenstein: Es gäbe kurzfristig einen zunehmenden Angebotsdruck im Verhältnis zur Nachfrage bei Wohneigentum – umgekehrt sei es bei den Mietobjekten. 

Herausforderungen im Immobilienbereich bleiben

Die Auswirkungen der Inflationskrise spüren auch die Gemeinnützigen Wohnbauträger, wie Michael Kaiser betont. Man setze daher zunehmend auf strategische Steuerungsmaßnahmen, zum Beispiel im Bereich Energie. So werden BWSG-Objekte so optimiert, dass sie zur Energieversorgung beitragen können. Eine zukunftsweisende Strategie, wie Helmenstein betont. Die Probleme am Immobilienmarkt werden Österreich laut Helmenstein auch in den nächsten Jahren noch begleiten: „Wir werden zwar eine Preisanpassung bei Wohnimmobilien sehen, jedoch wäre es eine Illusion zu erwarten, dass Immobilien in 3 bis 4 Jahren beim nominellen Verkehrswert um 30 bis 50% günstiger zu bekommen wären als heute.“ Und zwar trotz einer nicht auszuschließenden, vorübergehenden Rezession im Wohnbaubereich in Österreich. Positiv zu bewerten sei aber, dass auch aufgrund der umfangreichen öffentlichen Stabilisierungsmaßnahmen keine gesamtwirtschaftliche Großkrise mehr drohe. „Wir haben es selbst in der Hand: Wenn wir es schaffen, die regulatorischen Bremsen zu lösen, dann kommt der Aufschwung.“