Finanzdienstleister, Fachgruppe

Symbiose zwischen Berater:innen und KI statt Konkurrenz

Für die einen ist es die technische Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine, andere ziehen Parallelen zur industriellen Revolution - klar ist, die Pandora-Büchse künstliche Intelligenz wurde spätestens mit ChatGPT weit geöffnet. Die Folgen wird man bald auch in der Finanzdienstleisterbranche merken. David Mayer-Heinisch, CEO des Wiener Fintech-Unternehmens froots, und Alexander Bracic, Ausschussmitglied der Fachgruppe Finanzdienstleister, geben Einblicke, wohin die Reise gehen kann.

Lesedauer: 3 Minuten

25.03.2024

Die künstliche Intelligenz – kurz KI – wird die Finanzbranche noch kräftig aufmischen. Da sind sich David Mayer-Heinisch und Alexander Bracic einig. „KI-Sprachprogramme wie ChatGPT sind zwar derzeit noch sehr begrenzt, man probiert sich aus, aber man bekommt eine leise Ahnung davon, was alles in Zukunft mit künstlicher Intelligenz möglich sein wird.“ Ähnlich sieht es auch Alexander Bracic: „Es ist auf jeden Fall ein Quantensprung und wir sind in der Branche angehalten, uns damit zu beschäftigen.“

Finanzberatung wird massiv durch KI verändert

KI wird das Finanzbusiness massiv verändern – das gilt auch für die Finanzberatung. Dabei setzt man in der Branche bereits seit vielen Jahren auf KI, vor allem digitale Finanzunternehmen. Bisher lag der Hauptschwerpunkt bei Cybersicherheit und Datenanalyse. Künftig könnten sogenannte neuronale Netze auch die Kreditanfragen beurteilen und abwickeln oder mit Hilfe von Deep Learning enorme Datensätze analysiert werden. Werden wir als fachkundige Berater:innen also künftig ersetzbar sein?

KI als Hilfsmittel in der Finanzbranche

„Nein, soweit würde ich aktuell nicht gehen. Ich persönlich sehe neue KI-Programme in der Finanzbrache in naher Zukunft als Hilfsmittel, die uns vieles erleichtern werden. Ersetzen werden sie uns aber nicht“, betont Bracic. Das liegt laut Bracic an den Schwächen, die KI-Programme aktuell noch haben, vor allem, wenn es in die konkrete Produktberatung geht. „Ich brauche derzeit immer noch den Menschen, der das Wissen hat, um den Output der KI auf Korrektheit zu überprüfen.“ Das bedeutet: Was der Algorithmus des Programms als Ergebnis auswirft, basiert auf den Daten, mit denen es vom Menschen zuvor „gefüttert“ wurde.

Berater wird ersetzt, wo er überflüssig ist

David Mayer-Heinisch sieht das Potenzial von KI-Programmen in der Arbeitserleichterung – für den Berater. Ziel sei das full hybrid asset management. „Alle Prozesse, in denen der Mensch nicht gebraucht wird, die automatisierbar sind, werden über kurz oder lang von künstlicher Intelligenz übernommen werden.“ Vor allem große Datenmengen können so leicht greifbar gemacht werden, die Abwicklung von Regularien oder das aufwändige Reporting systematisch automatisiert werden. Der persönliche Kundenkontakt bleibe trotzdem immer wichtig, gerade weil Menschen emotional reagieren. Einen Umstand, den ein Algorithmus nicht miteinbeziehen kann. „Der Mehrwert von Berater:innen liegt künftig noch mehr darin, auf dem weißen Blatt zu skizzieren, was ich als Kund:in will, die Zwischentöne wahrzunehmen und das zu filtern. Passende Produkte nennt die KI“, ist sich Mayer-Heinisch sicher. Symbiose von Mensch und KI statt Konkurrenz.

Sich frühzeitig mit Thematik auseinandersetzen

Ähnlich sieht es auch Alexander Bracic: „Wir sind ein Verkäufer-Markt – die wenigsten kommen von sich aus auf die Idee, aktiv nach den verschiedenen Finanz- und Anlageprodukten zu suchen. Hier braucht man Erfahrung und Fingerspitzengefühl.“ Der Algorithmus wird künftig den Berater:innen helfen, noch passgenauere Produkte zu vermitteln, so Bracic Prognose. Es gehe also in Richtung KI als Vergleichsportal von Produkten. Dazu benötigt man jedoch Programme, die mit Echtzeit-Daten arbeiten. Auch wenn das künftig der Fall sein wird, bislang gibt es das noch nicht. Derzeit steckt man noch in den Kinderschuhen. Wichtig ist es aber laut Bracic, sich frühzeitig in der Branche mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Wenn ich es nicht nutze und der Mitbewerber schon, werde ich über kurz oder lang abgehängt.“

Mehr Chancen als Risiken

Und wie sieht es mit den Gefahren und Bedenken aus, die viele auch branchenintern gegenüber künstlicher Intelligenz haben? Schließlich steht die Frage im Raum: Wer haftet, wenn Fehler gemacht oder Falschinformationen verbreitet wurden? Braucht es für Berater:innen, die künftig KI nutzen, eigene Versicherungen? „Ich darf nichts ungeprüft lassen, ich brauche als Berater immer noch mein Fachwissen“, betont Alexander Bracic. Auch das Thema Datenschutz werde die Branche noch sehr stark im Zusammenhang mit KI-Programmen beschäftigen. Und trotzdem ist sich Bracic sicher. „Trotz der vielen offenen Fragen bietet der Einsatz von künstlicher Intelligenz unserer Branche langfristig mehr Chance als Risiken.“