Matthias Ritschl, Industrie-Designer und Inhaber von Produktive
© Matthias Ritschl

Wiens Kreative machen Zukunft

Wien ist die Heimat der Kreativwirtschaft. Manchmal finden sich kreative Unternehmen dort, wo man sie gar nicht vermutet. Ein Einblick in die Bedeutung dieser innovativen Betriebe für den Standort Wien.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 31.01.2024

Im Bild: Matthias Ritschl, Industrie-Designer und Inhaber von Produktive

Was passiert, wenn sich ein moderner Gastrobetrieb mit einer Künstlerin zusammentut? Genau, das Ergebnis ergibt noch mehr Kreativität. So passiert bei den „Wrapstars” und der Künstlerin Julia Auly. „Vor etwa zehn Jahren waren wir so ziemlich die ersten, die einen Foodtruck auf die Straße geschickt haben. So lange kennen wir Julia schon”, erzählt Gründer Matthias Kroisz. Der beliebte Foodtruck tourt auch weiter durch Wien. Wer lieber einen Fixpunkt hat, der ist beim Wrapstars-Lokal im 6. Bezirk herzlich willkommen. „Und ein tolles Catering haben wir auch”, so Kroisz. „Unsere Wraps gingen, wenn man so will, ziemlich durch die Decke. Das liegt auch sicher an unserem, No bullshit’-Ehrenkodex”, erzählt er. Was den etwas rustikal anmutenden Ehrenkodex betrifft, der bedeutet einfach: „Das heißt, wir stehen für Regionalität, echtes und ehrliches Essen anzubieten, das Mensch, Tier und Umwelt fair behandelt. Wir sagen der Kultur von, Bullshit’ den Kampf an”, erklärt Mitinhaber Marko Ertl. Die Künstlerin Julia Auly hat zunächst „coolere” Verpackungen für WrapStars entworfen, und dann: „Unser Schanigarten brauchte dringend ein Facelift. Das hat sich toll gemacht. Denn uns sind nicht nur unsere Produkte wichtig, sondern auch die Optik. Das muss Hand in Hand gehen”, sagt Kroisz.

Die Digitalisierung und mit ihr die Nutzung von Künstlicher Intelligenz treiben die Kreativwirtschaft voran.

Von der Prothese bis zum Staubsauger

„Hand” ist auch ein gutes Stichwort für eine beeindruckende Kooperation zwischen Kreativwirtschaft und Industrieunternehmen. Zusammen mit seinen Businesspartnern Adam Wehsely-Swiczinsky und Ewald Neuhofer arbeitet Matthias Ritschl von der Industrial Design Agentur Produktive seit Jahren unter anderem für das Wiener Unternehmen Ottobock. In dieser Zusammenarbeit sind z.B. eine Handprothese und ein Exoskelett entstanden. „Unsere Aufträge reichen von Medizintechnik über Haushalts- und Sportgeräte bis hin zu Investitionsprodukten”, betont der Geschäftsführer des Wiener Designbüros, Matthias Ritschl. Weit mehr als nur Ästhetik Was vielen, die nicht aus der Kreativwirtschaft kommen, vielleicht nicht bewusst ist: „Bei Industrie- und Produktdesign geht es um weit mehr als nur um Ästhetik”, sagt Ritschl. „Wir unterstützen Unternehmen bei der Produktent wicklung und bringen unsere Expertise ein, um gemeinsam Antworten auf die komplexen mHerausforderungen zukünftiger Produkte zu finden”, schildert er. Dabei geht es neben Fragen der Gestaltung vor allem um Funktionalität, Ergonomie, User Experience, Herstellung und Nachhaltigkeit.

Enge Zusammenarbeit wichtig

Dafür ist neben dem Zusammenspiel zwischen Designern und Unternehmen vor allem die intensive Auseinandersetzung mit den Nutzern essenziell, ist sich Ritschl sicher und nennt das Unternehmen Ottobock. „In mehrtägigen Workshops haben wir Menschen, die auf eine Prothese angewiesen sind, in Situationen des alltäglichen Lebens begleitet und basierend auf diesen Erkenntnissen neue Lösungen erarbeitet. Zum einen werden dadurch sowohl neue Möglichkeiten sichtbar, zum anderen führt die intensive Beschäftigung zu einem tieferen Verständnis der Bedürfnisse und Wünsche der Kunden.”

Win-win für alle Beteiligten

Der Blick von außen sowie die Erfahrung des Designers seien oftmals auch entscheidend für den Erfolg eines Produkts, ist Ritschl überzeugt. „Produkte müssen heute nicht nur technisch überzeugen. Produkte müssen Zielgruppen auf vielen Ebenen erreichen, um für den Kunden relevant zu sein. Und genau hier kommen wir ins Spiel”, erklärt der Wiener Unternehmer. „Wir bringen die Bedürfnisse der Nutzer und gesellschaftliche Trends in den Entwicklungsprozess mit ein, so können wir einerseits neue Ideen anstoßen und die Produktentwicklung beschleunigen, andererseits Fehlentwicklungen entgegenwirken und verhindern, dass beispielsweise am Markt vorbei produziert wird.“

Kreativszene beflügelt Wirtschaft

Dass die Kreativwirtschaft den Wirtschaftsstandort beflügelt, zeigen auch die Zahlen deutlich. Fast ein Fünftel der Unternehmen (19.000) in Wien zählt zur Kreativwirtschaft, die sich über die neun Bereiche Architektur, Buch und Verlagswesen, mDesign, Filmwirtschaft inkl. Fotografie, Markt für darstellende Kunst, Musikwirtschaft, Radio und TV, Software und Games, Werbung erstreckt. Diese Unternehmen beschäftigen rund 71.300 Personen und erzielen einen Umsatzerlös in der Höhe von 12,7 Milliarden Euro jährlich, so eine aktuelle Studie der KMU-Forschung Austria, die vom Wiener Wirtschaftskreis in Auftrag gegeben wurde. Unddie Branche wächst stetig weiter: So waren 2022 um zehn Prozent mehr Beschäftigte in der Kreativwirtschaft tätig als noch im Jahr 2020.

Digitalisierung treibt Kreativwirtschaft voran

Wesentlich für diese positive Entwicklung sind die fortschreitende Digitalisierung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). „Das sind ausgezeichnete Rahmenbedingungen für neue Ideen und Innovationen”, erklärt Martin Heimhilcher, Obmann der Sparte Information und Consulting der WK Wien. Denn in vielen Fällen spielt KI die Menschen von monotonen Tätigkeiten frei, sodass mehr Kapazitäten für Kreativität frei werden.

Alles außer „0815”

Kreativität, wie sie etwa das Wiener Unternehmen Obscura neben einer großen Portion Humor regelmäßig an den Tag legt. Die Werbeagentur mit Inhouse-Filmproduktion arbeitet von Wien und Berlin aus. Betreut hat Obscura bereits Kampagnen für Kunden wie Mercedes-Benz, SimpliTV, Schlumberger oder Ottakringer. „Wir kreieren Ideen direkt aus dem Bauch heraus – aber mit Köpfchen -, um Brands zu Marken der Herzen zu machen”, erklärt Geschäftsführer Christian Gstöttner das Motto seines Unternehmens. Denn so erreiche man heutzutage Kunden, „mit Witz und mit Herz”. Gemeinsam mit seinem Team will er „frischen Wind in die Agenturlandschaft bringen” und sich der Frage stellen, wie das Thema Zukunft kommuniziert werden kann. „Wir lieben die Zusammenarbeit mit traditionellen Unternehmen und machen uns dabei zur Aufgabe, die Marken in die Gegenwart zu holen. Dabei vergessen wir aber nie die Tradition, denn darauf kann man aufbauen und die Marke weiterentwickeln”, betont der Werbeprofi. „Themen wie soziale Verantwortung, gegenseitiger Respekt, Nachhaltigkeit und New Work sind uns enorm wichtig”, sagt Gstöttner, der Obscura auch als „Agentur der Herzen” bezeichnet. Das Augenzwinkern, von dem eine gute Werbung lebt, dürfe dabei jedoch nicht fehlen. So wie es im Ottakringer- Videospot heißt: „Wir sind nicht 0815, sondern 0816”.

Zahlen zur Kreativwirtschaft in Wien
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