Die INCOTERMS 2010

Trotz der Aktualisierung durch die INCOTERMS 2020 könnten die INCOTERMS 2010 oder auch ältere Versionen noch Verwendung finden, wenn sie ausdrücklich vertraglich vereinbart werden

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Bereits 1936 wurde von der Internationalen Handelskammer in Paris ein international anerkanntes Regelwerk zur Auslegung von Handelsbräuchen geschaffen und unter der Bezeichnung INCOTERMS (= INternational COmmercial TERMS) herausgegeben. Erstmals wurden internationale Regeln zur Auslegung der Käufer- und Verkäuferpflichten veröffentlicht. Die INCOTERMS®wurden in der Folge immer den sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst. Die letzten vier Revisionen erfolgten in Abständen von 10 Jahren und zwar 1980, 1990, 2000 und 2010.  In der Revision aus dem Jahre 1990 wurde den geänderten Voraussetzungen multimodaler Transportarten (Nutzung verschiedener Transportmittel) Rechnung getragen. Mit den INCOTERMS 2000 wurde die sechste Revision der INCOTERMS®notwendig, um dem zunehmenden Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel und den vereinfachten Warenlieferungen im Binnenmarkt bzw. in Freihandelszonen zu berücksichtigen. Die INCOTERMS® 2000 sahen eine weitere Präzisierung einzelner Klauseln vor.  Die siebente Revision durch die INCOTERMS 2010 nimmt auf die dynamische Entwicklung im Transport- und Logistikbereich aber auch in den Kommunikationsbereichen Rücksicht. So wird in den neuen INCOTERMS noch klarer als bisher festgehalten, dass Seefrachtklauseln nur für den Schiffstransport Verwendung finden können und nicht für multimodale Transporte angewendet werden sollen. Im Schadensfall würde dies zu einem Höchstmaß an Rechtsunsicherheit führen. 

Mit den INCOTERMS® 2010 wurde die Zahl der Klauseln auch von 13 auf 11 reduziert. Vier Klauseln wurden eliminiert(DAF, DES, DEQ, DDU), zwei neue Klauseln für den multimodalen Transport und die geänderten Lieferbedingungen im globalen Warenverkehr neu hinzugefügt. Bei diesen Klauseln handelt es sich  DAP (delivered at place – geliefert benannter Ort) und DAT (delivered at terminal – geliefert Terminal).

Die INCOTERMS® sind keine gesetzliche Regelung, kein völkerrechtliches Regelwerk, sondern vielmehr den AGB ähnliche Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer, die nur dann Rechtskraft erlangen, wenn sie vertraglich vereinbart werden.Käufer und Verkäufer sollte es auch klar sein, dass durch das vereinbarte oder zwingend zur Anwendung gelangende Recht, bestimmte Teile und Vereinbarungen des Kaufvertrags, einschließlich der gewählten Incoterm Regel, außer Kraft gesetzt werden können. D.h. gesetzliche Vorschriften und Sonderbestimmungen in einzelnen Verträgen gehen den INCOTERMS® vor. Beachten Sie auch bitte unbedingt, dass die Incoterms Regeln keinen vollständigen Kaufvertrag beinhalten und diesen auch nicht ersetzen können.

Welche Version der INCOTERMS ist gültig?

Es gilt grundsätzlich immer die vertraglich vereinbarte Fassung. Die ICC teilt die Rechtsansicht, dass, sofern nichts anderes vereinbart wird, immer die letztgültige Fassung der INCOTERMS® Anwendung findet. Allerdings können Sie auch die Anwendung einer älteren Version vertraglich vereinbaren (z.B. INCOTERMS 1990). Beachten Sie bitte, dass Sie auch heute noch Anbote erhalten können, speziell aus Fernost Asien, die auf Basis der INCOTERMS 1980 erstellt werden (z.B. c&f). Vor Abgabe einer Bestellung sollten Sie daher in Erfahrung bringen, ob die Vereinbarung dieser alten Klausel für Sie nicht mit höherem Risiko verbunden ist.
Hinweis: Vergessen Sie bitte nicht, dass die INCOTERMS® 2010 nur dann Anwendung finden, wenn sie ausdrücklich von den Vertragsparteien vereinbart werden 

Was regeln die INCOTERMS® 2010 und was nicht?

Durch diese Klauseln werden die grundsätzlichen Verkäufer- und Käuferverpflichtungen festgelegt. Sie regeln folgendes:
  • Zahlung des vertragsmäßigen Kaufpreises
  • Ort und Zeitpunkt des Übergangs der Gefahr der Beschädigung oder des Verlustes der Ware vom Verkäufer auf den Käufer
  • Lieferort und Transportart
  • den Kostenübergang und die Kostenverteilung
  • die Besorgung des Beförderungs- und des Versicherungsvertrages
  • die Beschaffung der mit der Aus-, Ein- und Durchfuhr der Waren erforderlichen Dokumente, die Erledigung der notwendigen Formalitäten und die Verteilung der dadurch entstehenden Kosten
  • die Unterstützung bei der Beschaffung der notwendigen Informationen
Die Incoterms bieten eine in 10 Punkten strukturierte Aufstellung und Gegenüberstellung der Pflichten der Vertragspartner an. 

Was wird durch die INCOTERMS® 2010 nicht geregelt 

  • Zahlungsabwicklung, Zahlungsbedingungen
  • Gerichtsstand
  • Eigentumsübergang
  • Folgen von Verstößen gegen die INCOTERMS-Verpflichtungen
  • Folgen von Vertragsbrüchen
  • Haftungsausschlüsse
  • Pönalzahlungen und Ersatzlieferungen 
Diese Sachlagen werden üblicher Weise durch die Bestimmungen des Kaufvertrags oder durch das im Vertrag vereinbarte Recht geregelt. 

Können die INCOTERMS® 2010 auch bei Verträgen innerhalb Österreich oder der EU verwendet werden.

Die INCOTERMS® konnten generell immer im grenzüberschreitenden Warenverkehr Anwendung finden. Bei Liefergeschäften, bei denen keine Zollgrenzen überschritten wurden, erweckte bei früheren Versionen der Ausdruck "Zollformalitäten" in manchen Klauseln fälschlicherweise den Eindruck, dass diese Klauseln für Lieferungen im Binnenmarkt nicht zu verwenden sind, da keine Zollformalitäten zu erledigen sind. Durch die INCOTERMS 2000 wurde durch Einfügen der Worte "falls anwendbar" die Voraussetzung geschaffen, dass diese Klausel auch dann verwendet werden können, wenn Zollformalitäten nicht zu erledigen sind bzw. bei der Einfuhr keine Zölle anfallen. Die INCOTERMS® 2010 dokumentieren diese Verfestigung des bereits in Jahr 2000 eingeschlagenen Weges schon im Titel “INCOTERMS® 2010 – Die Regeln der ICC zur Auslegung nationaler und internationaler Handelsklauseln“.

INCOTERMS® 2010 vs. "frei Haus" oder andere nicht normierte Frankaturen

In Kaufverträgen werden häufig Lieferkonditionen (z.B. "frei Haus") zwischen dem Verkäufer und dem Käufer vereinbart, die keine klare Festlegung des Kosten- bzw. des Gefahrenübergangs zulassen. Für die oben genannte "frei Haus“ - Lieferkondition gibt es im österreichischen Zivilrecht keine Definition. So kann man nur die einschlägige OGH-Judikatur in Österreich heranziehen, die für die Lieferklausel im Normalfall vorsieht, dass der Verkäufer alle Kosten und Risiken trägt, bis er die Ware entladen dem Käufer übergibt. Natürlich am vereinbarten Ort. Dieser Ort wird aber im Vertrag nie so genau beschrieben sein, dass es bei der Übergabe nicht zu Streitigkeiten führen könnte. Der Verkäufer meinte beispielsweise die erste dem Gebäude des Käufers zurechenbare Türe und der Käufer meinte mit "frei Haus“ das Lager im vierten Stock.
Ist die Vereinbarung "frei Haus“ schon im Warenverkehr innerhalb Österreichs problematisch, so wird es mit anderen Ländern noch komplizierter. Nach den höchstgerichtlichen Entscheidungen in Deutschland trägt hier der Käufer das Transportrisiko. Der Verkäufer hat die Kosten bis zur Lieferung der Ware zu tragen. Der Gefahrenübergang erfolgt jedoch mit der Übergabe der Ware an den Frachtführer. Ein österreichisches Unternehmen, das Ware in Deutschland "frei Haus“ kauft, tut gut daran eine Transportversicherung abzuschließen, da der Transport nach deutscher Rechtsauslegung schon sein Risiko ist. Gleichartig verhält es sich mit Belgien, Frankreich und Italien.
 
Auch andere Vereinbarungen, wie "franko Waggon“ oder ähnliche Frankaturen, geben den Vertragsparteien zwar einen vagen Hinweis wo der Übergang der Kosten erfolgt, jedoch nicht wo der Wechsel der Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Ware eintritt, da es sich bei diesen Vereinbarungen um nicht normierte Handelsbräuche handelt. Um Unsicherheiten bei der Auslegung von Verträgen vorzubeugen, sollten von den Vertragsparteien die Anwendung von genau definierten Lieferkonditionen vertraglich ausdrücklich vereinbart werden. Die INCOTERMS® der Internationalen Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris sind das bekannteste und weltweit anerkannte Regelwerk zur Standardisierung von Lieferbedingungen, die klar den Übergang der zu tragenden Kosten und Gefahren festlegen. 

Neue Gliederung der INCOTERMS® 2010

Zu den wesentlichen Neuerungen der  INCOTERMS® 2010 zählt auch, dass sie systematisch in 2 Gruppen angeordnet sind. Sieben Klauseln für alle Transportmittel (multimodaler Transport) und vier für See- und Binnenschiffstransporte. 

INCOTERMS® 2010 für alle Transportmittel 

EXW - ab Werk (....benannter Ort)
FCA - frei Frachtführer (....benannter Ort)
CPT - frachtfrei (....benannter Bestimmungsort)
CIP - frachtfrei, versichert (....benannter Bestimmungsort)
DAT - geliefert Terminal (benannter Terminal im Bestimmungshafen/-ort)
DAP   geliefert benannter Ort (benannter Bestimmungsort)
DDP - geliefert verzollt (….benannter Ort) 

INCOTERMS® 2010 für den See und Binnenschiffstransport 

FAS - frei Längsseite Schiff (....benannter Verschiffungshafen)
FOB - frei an Bord (....benannter Verschiffungshafen)
CFR - Kosten und Fracht (....benannter Bestimmungshafen)
CIF - Kosten, Versicherung und Fracht (.... benannter Bestimmungshafen)
 
Prüfen Sie vor der Vereinbarung einer Lieferklausel, ob die Klausel für die beabsichtigte Transportart überhaupt verwendet werden kann, ohne im Schadensfall Rechtsunsicherheiten auszulösen.

Dürfen die INCOTERMS® 2010 geändert werden?
Dürfen die INCOTERMS® 2010 abgeändert werden?

Die INCOTERMS® 2010 verbieten zwar nicht explizit die Abänderung einer Klausel, eine Änderung schafft aber im Schadensfall Rechtsunsicherheit, wenn diese Änderung und die Auswirkungen dadurch genauestens im Vertrag festgelegt werden. Soll beispielsweise der Ort des Kostenübergangs verändert werden, muss auch gleichzeitig festgehalten werden, ob damit nicht auch eine Änderung des Orts des gefahrenübergangs verbunden ist. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert diese Klauseln nicht zu verändern, da die einheitliche Auslegung und dadurch auch leider der Sinn verloren gehen würde. Als einzige gefahrlose Ausnahme ist die Klausel DDP geliefert verzollt (….benannter Ort) anzusehen, die mit dem Zusatz "unversteuert“ versehen werden kann um zu verdeutlichen, dass der Verkäufer zwar die Kosten der Zollabfertigung und den Zoll trägt, allfällige Steuern jedoch zu Lasten des Käufers gehen. 

Überblick über die wesentlichsten Änderungen der INCOTERMS® 2010 

  • Benennung des benannten Ortes oder Hafens
    Hierbei handelt es sich eigentlich nicht um eine wirkliche Neuerung sondern um eine Klarstellung. Bitte bestimmen Sie den vereinbarten Ort im Vertrag so genau wie nur möglich. Bei einigen Klauseln ist der Käufer verpflichtet am genannten Ort den Lieferort bekannt zu geben. Zum Beispiel muss er bei FCA den Spediteur und den genauen Lieferort bekannt. Tut er dies nicht und kommen am Lieferort mehrere Stellen in Betracht, so kann sich der Verkäufer die für ihn geeignetste aussuchen.
    Ähnliche Wahlmöglichkeiten sehen auch beispielsweise die Klauseln CPT, CIP, FAS oder FOB vor.
    Ein gutes Beispiel für eine genaue Definition wäre:
    “FCA Österreich A-1020 Wien, Freudenauer Hafenstraße 99, Spedition Rapidtrans GmbH. Objekt 56, Incoterms® 2010”. 

  • Sicherheitrelevante Angaben
    Die INCOTERMS® 2010 enthalten nun erstmals auch die Verpflichtung des Austausches sicherheitsrelevanter Angaben die gegebenenfalls für die Aus-, Ein- oder Durchfuhr der Ware erforderlich sind. Diese Regelungen sind in den Artikeln A2/B2 und A10/B10 einiger Klauseln neu aufgenommen worden.

  • Elektronische Kommunikation
    In der früheren Version der INCOTERMS® wurden jene Dokumente genauestens bezeichnet, bei denen eine elektronische Übermittlung zulässig war. Die Artikel A1/B1 der 11 INCOTERMS® 2010 Regeln legen fest, dass die elektronische Kommunikation und der elektronische Austausch von Dokumenten, der schriftlichen Kommunikation in Papierform und dem Austausch der Dokumente in "Hardcopy“ gleichgestellt wird. Allerdings nur dann, wenn dies die Vertragspartner so vereinbart haben oder diese Form des Datenaustausches handelsüblich ist.

  • Entfall von vier Klauseln
    Es handelt sich dabei um vier Ankunftsklauseln der INCOTERMS 2000. Der Verkäufer trägt die gesamten Transportkosten und das Risiko bis zum vertraglich vereinbarten Ort im Bestimmungsland.
    DAF geliefert Grenze (....benannter Ort)
    DES geliefert ab Schiff (....benannter Bestimmungshafen)
    DEQ geliefert ab Kai (....benannter Bestimmungshafen)
    DDU geliefert unverzollt (....benannter Ort)

  • Aufnahme von zwei neuen Klauseln
    Die beiden neuen Klauseln DAT und DAP ersetzen die entfallenen und können für alle Transportarten eingesetzt werden. Bei beiden Klauseln trägt der Verkäufer die Kosten und Gefahren bis zum benannten Bestimmungsort/Terminal. Bei DAP hat der Verkäufer die Ware am ankommenden Transportmittel entladebereit zur Verfügung zu stellen. Bei DAT hat der Verkäufer die Entladekosten und das Entladerisiko zu tragen und darüber hinaus auch alle Kosten, bis der terminalbetreiber die Ware übernimmt (z.B. Terminal handling fee) 

  • Änderung des Gefahrenübergangs bei den Seefrachtklauseln FOB, CFR und CIF
    Der Gefahrenübergang vom Verkäufer auf den Käufer erfolgt bisher mit dem endgültigen Überschreiten der Reling des namhaft gemachten Schiffes im Verschiffungshafen. In den neuen INCOTERMS® 2010 tritt der Gefahrenübergang erst mit dem ordnungsgemäßen Absetzen an Bord des Schiffes, d.h. mit Beendigung des Verladevorgangs ein

 

Überblick über die INCOTERMS 2010 und den Kosten und Gefahrenübergang

 

Abschließend soll noch festgehalten werden, dass Ihnen keine Zusammenfassung oder ein Überblick über die INCOTERMS® 2010, die Publikation der ICC ersetzen kann, die Käufer- und Verkäuferpflichten in 10 Punkten strukturiert einander gegenüberstellt. http://www.icc-austria.org/

 

 

Alle Angaben erfolgen trotz sorgfältigster Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Wirtschaftskammern Österreichs ist ausgeschlossen. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter!

Stand: 05.01.2023