Die Top-Forderungen des österreichischen Außenhandels an die Politik
Was sich Österreichs Außenhandelsunternehmen von der Politik im Superwahljahr 2024 erwartet
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Als Interessenvertretung der österreichischen Außenhändler:innen sind wir unseren ca. 5.000 Mitgliedsunternehmen mit einem gemeinsamen Jahresumsatz von rund 40 Mrd. EUR verpflichtet, ihrer Stimme in den politischen Entscheidungsprozessen auf nationaler und EU-Ebene Gehör zu verschaffen.
Wettbewerbsfähigkeit steigern
Das Bundesgremium Außenhandel nimmt die neue Zusammensetzung des EU-Parlaments und der Kommission sowie die Nationalratswahlen 2024 samt Erarbeitung eines neuen Regierungsprogramms zum Anlass, zentrale Forderungen aufzustellen.
Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von einem kaum mehr zu bewältigenden Bürokratieaufwand für Österreichs Export- und Importunternehmen über einen EU-weiten Verlust der Wettbewerbsfähigkeit bis hin zum globalen Handelsumfeld von heute − wachsender Protektionismus, wirtschaftlicher Nationalismus und die drohende Eskalation von Handelskriegen.
Als vollwertiges EU-Mitglied ist Österreich an die Zukunft der Europäischen Union gebunden. Dementsprechend wollen wir verantwortungsvoll mitbestimmen, ob die EU weiterhin ein wichtiger Stabilitätsfaktor auf dem internationalen Marktplatz bleibt oder aufgrund ihres ständigen realitätsfernen Überregulierungsdrangs an Bedeutung verliert, mit allen für das Exportland Österreich daraus resultierenden Folgen.
Österreich kann nur in einer starken EU wettbewerbsfähig bleiben, weswegen wir folgende Forderungen für den Außenhandel stellen:
Bürokratieabbau und "Vorfahrt für KMU"
Wir unterstützen einen "Neuen europäischen Deal für Wettbewerbsfähigkeit", der auf beschleunigte Entbürokratisierung, praktische Umsetzbarkeit und den Bedarf der europäischen KMUs ausgerichtet ist. Dies bedeutet insbesondere den Abbau überbordender Regulierungen bzw. eine möglichst realitätsnahe und unternehmensfreundliche Umgestaltung von z. B. EU-Lieferkettenrichtlinie, CBAM, EU-Entwaldungsverordnung, EU-Verpackungsverordnung,
EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung etc.
Alles Bestandteile des "European Green Deal", dessen Umsetzung eigentlich erfolgen sollte ohne den europäischen Unternehmen zusätzliche Aufgaben aufzubürden bzw. deren Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. In der unternehmerischen Praxis herrscht aber das genaue Gegenteil vor: der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich und die undurchschaubare Komplexität der neuen EU-Regulierungen gehören zu den Top-Herausforderungen der österreichischen Außenhändler:innen.
Auch auf nationaler Ebene brauchen wir zur Stärkung der KMUs eine Vereinfachung der Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren. Mehrfache, identische Meldepflichten der export-/importorientierten Unternehmen wie z. B. bei der Erstellung diverser Statistiken (Finanzamt/Statistik Austria) müssen abgeschafft werden. Wir brauchen zeitgemäße digitale Lösungen mit einmaliger Dateneingabe, aus der die zuständigen Behörden die notwendigen Daten selbst abrufen und direkt untereinander kommunizieren können. Es bedarf weiterer
Vereinfachungen sowie einer EU-weiten Standardangleichung bei der Zollabwicklung und bei den zahlreichen Compliance-Vorschriften beim Export/Import.
Schaffen von Planbarkeit und Chancengleichheit
Für die Außenhandelsunternehmen ist Planbarkeit unabdingbar. Daher sprechen wir uns gegen die zu wenig durchdachte und übereilte Umsetzung von Gesetzesentwürfen und -änderungen aus. Bei jeder Initiative mit Bezug zum internationalen Handel muss es vorab einen Prozess zur Folgenabschätzung geben.
Um effektiv planen zu können, bedarf es auch der Chancengleichheit, insbesondere bei der Einhaltung geltender EU-Vorschriften. Vor allem im Hinblick auf den boomenden direkten Onlinehandel aus China (wie z. B. Temu, Shein) muss die Einhaltung der EU-Vorschriften und der Zollregelungen tatsächlich kontrolliert werden. Sonst ist ein Großteil der europäischen Handelsunternehmen dem unfairen Wettbewerb hilflos ausgeliefert.
Die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen auf EU-Ebene wird erfahrungsgemäß relativ viel Zeit in Anspruch nehmen, dafür gilt es auf nationaler Ebene möglichst schnell auf die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Chancengleichheit für Österreichs Import-/Exportunternehmen zu reagieren. Die zuletzt überaus hoch ausgefallenen KV-Abschlüsse haben wettbewerbspolitische Konsequenzen. Deswegen fordern wir eine steuerliche Entlastung – u. a. durch die Senkung der Lohnnebenkosten - für österreichische Unternehmen. Auch die fällige Steuerreform auf dem Gebiet des österreichischen Außensteuerrechts soll zügig vorangetrieben werden (u. a. um Doppelbesteuerungen zu vermeiden).
In dieser Zeit historischer Weltmarktverschiebungen sollte Österreich die Rolle des EU-Spitzenreiters bei der Steuer- und Abgabenquote überdenken und stattdessen die Rolle eines der Top-Wettbewerber unter den EU-27 einnehmen.
Für die Bearbeitung internationaler Märkte sind Messen als B2B-Kommunikationsinstrument weiterhin unverzichtbar. Nach der COVID-19-Pandemie sind die Kosten für Messeauftritte stark gestiegenen, weshalb wir - im Sinne der Chancengleichheit gegenüber der ausländischen Konkurrenz - eine Aufstockung der Messeförderungen für Außenhandelsunternehmen fordern.
EU-Freihandelsabkommen
Im Rahmen des "Neuen europäischen Deals für Wettbewerbsfähigkeit" fordern wir ein klares Bekenntnis der EU zum Abschluss der aktuellen Verhandlungen und der Ratifizierung neuer Freihandelsabkommen, insbesondere mit MERCOSUR, Indien, Indonesien, Thailand und Australien. Dazu muss dem freien Austausch von Waren und Dienstleistungen der Vorzug gegeben werden, zudem dürfen Nachhaltigkeitsverpflichtungen nur noch im gegenseitigen Einvernehmen verankert werden und nicht durch Sanktionsandrohungen.
Freihandelsabkommen sind ein zentrales Element des internationalen Handels, weswegen wir uns laufend um deren Stärkung, Ausbau und Neuschaffung bemühen. Als exportorientiertes Land soll Österreich eine datenbasierte Bilanz ziehen und die breite Öffentlichkeit objektiv mit den wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen vertraut machen. Falls die wirtschaftlichen Vorteile daraus überwiegen und in Summe den Wirtschaftsstandort stärken, fordern wir die Abkehr der Regierung von ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem MERCOSUR-Abkommen und ein klares Bekenntnis dazu.
Stand: 03.09.2024