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Sparte Industrie

Explodierende Lohnstückkosten schädigen Wettbewerbsfähigkeit

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 5 Minuten

19.05.2025

Massive Lohnerhöhungen als Inflationsausgleich bei gleichzeitig schwacher Produktivitätsentwicklung haben die Marktchancen der österreichischen Industrie auf Exportmärkten stark beeinträchtigt. Dies zeigt, dass die Warnungen der Industrie vor einer gleichsam „automatischen“ Inflationsabgeltung berechtigt waren. Um nun den Schaden zu begrenzen, ist auch die Politik gefordert.

In den letzten Jahren sind die Löhne in Österreich deutlich stärker gestiegen als in vergleichbaren Ländern und vor allem auch bei wichtigen Handelspartnern, während die Produktivitätsentwicklung hinterherhinkt. Infolgedessen sind die Lohnstückkosten in Österreich seit dem Jahr 2015 um 39,5 % angestiegen – ein Zuwachs, der deutlich über dem EU-Durchschnitt von 26,6 % liegt. Auch im Vergleich zum Haupthandelspartner Deutschland, wo die Lohnstückkosten pro Arbeitsstunde um acht Prozentpunkte weniger gestiegen sind, verliert Österreich zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit.

Infolge des starken Anstiegs der Löhne ist die Lohnquote, der Arbeitnehmeranteil am Volkseinkommen, zuletzt explodiert. Auf den ersten Blick ist das für die meisten Menschen erfreulich – immerhin wurde von Seiten der Gewerkschaft jahrelang die fallende Lohnquote beklagt. In der Realität zeigen sich aber gleich mehrere Probleme: Erstens kommt es dadurch nicht zu einer substanziell höheren Konsumnachfrage (im Sinne des gewerkschaftlichen Schlagworts der „Kaufkraftstärkung“), da angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten ein erheblicher Teil des zusätzlichen Einkommens in die Ersparnisbildung fließt. Zweitens wird der weit überwiegende Teil der Umsätze der österreichischen Industrie im Ausland und zudem im B2B-Bereich erzielt, sodass die Konsumausgaben in Österreich schon grundsätzlich für die Industrie insgesamt eine nur begrenzte Bedeutung haben. Und drittens ist – als logische Umkehrung der steigenden Lohnquoten – die Gewinnquote nicht-finanzieller Kapitalgesellschaften (also ohne Banken) seit Anfang 2023 in Österreich geradezu dramatisch gesunken und klar unter den EU- sowie Euroraum-Durchschnitt gefallen. Dies wiederum erschwert Unternehmen Investitionen beziehungsweise macht für jene Unternehmen, die über eine entsprechende Wahlmöglichkeit verfügen, die Entscheidung für Investitionen in anderen Standorten attraktiver als in Österreich.

Die heimischen Industriebetriebe sind gegenwärtig in einer Doppelmühle: Arbeits- und Energiekosten galoppieren davon, während Aufträge wegbrechen, weil die Nachfrage fehlt oder man preislich nicht mehr mithalten kann. Gleichzeitig wird der finanzielle Spielraum für Investitionen immer schmäler. Dies trifft eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich, die im internationalen Wettbewerb steht, besonders hart.

Ausgangspunkt der raschen Verschlechterung der Position Österreichs und damit der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie waren die hohen Inflationsraten der letzten Jahre. Dass weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene die politischen Reaktionen auf den externen Kostenschock bei den Energiepreisen infolge der Ukrainekrise angemessen waren, sei hier nur am Rande vermerkt. Nachdem die enorme Marktunsicherheit zu den höchsten Inflationsraten seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat, fehlten die eingeübten Mechanismen, um mit einer solchen Situation fertigzuwerden: Die Vorstöße der Industrie, nur die Bruttowertschöpfung oder die Kerninflation für die Bemessung der Lohn- und Gehaltserhöhungen heranzuziehen, oder auch steuer- und sv-freie Einmalzahlungen als Teil des Abschlusses heranzuziehen, wurden von den Gewerkschaften abgeblockt. Da der Staat durch großzügige Maßnahmen des Inflationsausgleiches und einer vollen Berücksichtigung der Inflationsentwicklung bei der Verhandlung der Beamtengehälter und bei der Erhöhung der Pensionen mit sehr schlechtem Beispiel vorangegangen ist, waren die hohen Kollektivvertragsabschlüsse der letzten Jahre nicht zu vermeiden.

In vielen Köpfen ist noch nicht angekommen, dass ein externer Kostenschock – wie etwa eine Erhöhung der Energiepreise – eine Volkswirtschaft insgesamt ärmer macht. In den letzten Jahren wurde versucht, diese gesamtwirtschaftlichen (oder besser: gesamtgesellschaftlichen) Kosten nur zwei Gruppen umzuhängen: den Unternehmen, die durch die Doppelbelastung der Energie- und Lohnkosten nun in einer prekären Situation sind, und dem Staat, der folglich Rekorddefizite einfährt.

Trotz der nunmehr klar erkennbaren Dramatik der Lage und der anhaltend tiefen Industrierezession verlangen die Gewerkschaften bei den Kollektivvertragsverhandlungen beharrlich weiterhin jedenfalls eine Abgeltung der rollierenden Inflation. Das zeigen aktuell die Verhandlungen in der Frühjahreslohn- und -gehaltsrunde 2025. Die Verhandlungen der Elektroindustrie sind zuletzt in der vierten Runde ergebnislos abgebrochen worden, ebenso in der Papierindustrie, wo nun sogar die Streikfreigabe vom ÖGB erfolgt ist.

Eine solche Vorgangsweise der Gewerkschaften ist zwar einerseits unverantwortlich in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht, andererseits aber auch verständlich, wenn staatlicherseits weiterhin die Gehaltsabschlüsse der Beamten und die Pensionserhöhungen zumindest bei oder sogar über der rollierenden Inflation liegen. Die Beamtengehälter in Österreich wurden ab 1. Jänner 2025 um 3,5 Prozent angehoben. Die Erhöhung für 2026 wurde ebenfalls bereits fixiert und liegt bei 0,3 Prozent über der Inflationsrate. Die Pensionen in Österreich wurden ab 1. Jänner 2025 um 4,6% erhöht. Zuletzt haben sich Ökonomen von WIFO, IHS und des Fiskalrates für eine Zurückhaltung bei den Lohnerhöhungen ausgesprochen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hat aber zu Recht hinzugefügt: „Wenn die Beamten mehr kriegen als die Inflation, dann ist es schwierig, anderswo mit anderer Logik zu verhandeln.“

Die Bundessparte Industrie fordert daher die Bundesregierung auf, dass der Beamtenabschluss und die Pensionserhöhungen ab 1. Jänner 2026 aufgehoben werden und Verhandlungen darüber erst nach Abschluss der Herbstlohn- und Gehaltsrunde aufgenommen werden. Das wäre vor allem einmal ein wichtiges Signal an die Gewerkschaften.

Zudem wäre damit wieder ein finanzieller Spielraum im Budget geschaffen, der zum Ausgleich der Kosten einer sofortigen Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden kann. Bekanntlich hat Österreich die vierthöchste Belastung des Faktors Arbeit in der OECD. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten der Dienstgeber wäre gegenwärtig ein wesentlicher Beitrag, die überschießende Lohnentwicklung der letzten Jahre abzufedern. Die Industrie in Österreich fordert eine Absenkung der Lohnnebenkosten der Dienstgeber um fünf Prozentpunkte, um vom derzeitigen Niveau (29,3 % des Bruttolohns) auf das Niveau des Haupthandelspartners Deutschland zu gelangen. Ein solcher Schritt würde insbesondere die Änderung der Finanzierung des – größtenteils sachfremd von den Dienstgebern getragenen - Familienlasten-Ausgleichsfonds (FLAF) notwendig machen, zudem geringe Senkungen in anderen Bereichen (zB beim Wohnbauförderungsbeitrag, bei der Unfallversicherung, etc). All diese Maßnahmen sind trotz angespannter Budgetlage grundsätzlich durchführbar und aus Gründen der Entlastung der Unternehmen und der Attraktivierung des Standortes Österreich auch unbedingt und rasch notwendig.

Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

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