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Sparte Industrie

Industrielehre: Zwischen Krise und Fachkräftemangel

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 2 Minuten

30.10.2025

Die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr ist trotz offener Lehrstellen rückläufig.

Zum Stichtag 30. September 2025 standen in der österreichischen Industrie 16.465 Lehrlinge in Ausbildung. Gegenüber 2024 bedeutet dies einen Rückgang von 675 Lehrlingen bzw. 3,9 %. Die relativ hohe Gesamtzahl spiegelt aber noch die vergleichsweise starken Jahrgänge bis Mitte 2024 wider; seit dem zweiten Halbjahr 2024 nimmt die Zahl der Lehranfänger:innen in der Industrie ab.

Im September 2025 war bei den Lehrlingen im ersten Lehrgang ein Minus von 12,4 % gegenüber 2024 zu verzeichnen. Dies bedeutet sowohl absolut als auch relativ das größte Minus aller Sparten. Da der September traditionell der Haupttermin für den Eintritt der Industrie-Lehrlinge ist, wird sich dieser Rückgang auch mittelfristig auf das Fachkräftereservoir der Industrie auswirken. Die Zahl der Lehranfänger:innen in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen nahm hingegen weiter zu – ein Trend, der sich seit dem 1. Quartal 2025 fortsetzt (plus 233 Personen bzw. + 4,3 % über alle Sparten gerechnet).

Die Bundesländer zeigen ein recht einheitliches Bild: Die Gesamtzahl der Industrie-Lehrlinge weist fast überall im einstelligen Bereich nach unten. Die Zahl der Lehranfänger:innen nimmt fast überall zweistellig ab. Die großen Industrie-Bundesländer zeigen hierbei eine sehr ähnliche Entwicklung, regionale Faktoren dürften also kaum eine Rolle spielen (OÖ -12,1 %, NÖ -14,0 %, St -12,8 %).

Auf Ebene der Fachverbände zeigt sich ein unterschiedliches Bild: Bei den Gesamtzahlen sind manche Branchen im Plus, darunter die Papierindustrie (+1,5 %), die Fahrzeugindustrie (+0,7 %) und die Elektro- und Elektronikindustrie (+2,6 %).

Gravierende Rückgänge bei den Lehranfänger:innen verzeichnen die Glasindustrie (minus 25 Lehrlinge bzw. -55,6 %), der Fachverband Bergbau/Stahl (minus 168 Lehrlinge bzw. -49,9 %), die Chemische Industrie (minus 125 Lehrlinge bzw. -27,4 %) und der Fachverband PROPAK (minus 22 Lehrlinge bzw. -25,0 %). Eine Trendwende könnte sich hingegen in der Bauwirtschaft abzeichnen, wo der Rückgang im ersten Lehrjahr (-5,5%) nur mehr halb so groß ist wie das Gesamt-Minus (-10,5 %).

Der österreichweite Lehrstellenmarkt (AMS-Zahlen) weist – über alle Branchen gerechnet - mittlerweile eine Lehrstellenlücke aus (12.020 Lehrstellensuchende vs. 11.235 offene Lehrstellen). Dies ist jedoch v.a. der Situation in Wien geschuldet, wo auf eine gemeldete offene Lehrstelle fast sieben Lehrstellensuchende treffen. Manche Bundesländer (OÖ, Tirol, Salzburg, Kärnten) verfügen hingegen weiterhin über deutlich mehr gemeldete offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende.

Lehrlinge von heute sind die Fachkräfte von morgen

Die Hauptursache für den gravierenden Rückgang der Lehranfänger:innen in der Industrie liegt in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Branchen. Vergleichbare Entwicklungen gab es auch bei Konjunkturschwankungen in der Vergangenheit. Allerdings sind die Einbrüche in manchen Branchen so massiv, dass noch nicht absehbar ist, ob ein Erreichen der guten Werte von 2023/24 wieder möglich wird.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt auch, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Jugendliche (und ihre Eltern!) noch mehr als sonst zum Besuch weiterführender Schulen tendieren, weil diese als „sichere Arbeitsplätze“ wahrgenommen werden. Die Schulstatistik des aktuellen Schuljahres ist jedoch immer erst im Folgejahr verfügbar, sodass diesbezüglich derzeit keine fundierte Analyse möglich ist.

Sicher ist: Die Lehrlinge von heute sind die Fachkräfte von morgen. Im Moment mag es für Unternehmen eine Erleichterung sein, die starken Pensionierungsjahrgänge nicht vollständig nachbesetzen zu müssen. Aber der nächste Fachkräftemangel kommt bestimmt.

Autor:

Mag. Johannes Fraiss
E-Mail: johannes.fraiss@wko.at

 

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