Oberösterreich ist beim Zukunftsthema humanoide Roboter vorne mit dabei
Die industrielle Fertigung steht weltweit vor einem technologischen Wandel. Humanoide Roboter – also menschenähnliche, zweibeinige Roboter mit KI-Steuerung – treten zunehmend aus der Forschung in die industrielle Praxis. Ein neues kollaboratives Forschungsprojekt in Oberösterreich bringt Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um den Einsatz humanoider Robotik im industriellen Kontext praxisnah zu erproben.
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„Unter der Federführung der Fachhochschule Oberösterreich und mit BRP-Rotax GmbH & Co KG als Leitbetrieb beteiligen sich insgesamt sechs oberösterreichische Unternehmen an diesem Projekt. Die Sparte Industrie der WKOÖ unterstützt die Initiative im Rahmen des Programms KI*Transfer und stellt die gewonnenen Erkenntnisse der gesamten oö. Industrie zur Verfügung. Damit ist der Standort Oberösterreich bei diesem Zukunftsthema vorne mit dabei. Humanoide Robotik gilt als Schlüsseltechnologie für die industrielle Zukunft und spielt eine zentrale Rolle für Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Fachkräfteunterstützung“, sagt Martin Bergsmann, Obmann-Stv. der Sparte Industrie der WKOÖ und Sprecher der Initiative KI*Transfer.
Bedeutung und Potenzial humanoider Roboter in der Produktion
Experten prognostizieren weltweit einen starken Aufschwung dieser Technologie – laut einer Analyse von Goldman Sachs könnten bis 2030 über 250.000 humanoide Roboter im Einsatz sein, vor allem in der Industrie. „Unternehmen erwarten sich davon höhere Effizienz, eine nahtlose Integration in bestehende Produktionsprozesse sowie die Entlastung von Mitarbeitern bei wiederkehrenden oder körperlich anspruchsvollen Arbeitsschritten. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel können menschenähnliche Roboter somit als Assistenzsysteme dienen, die menschliche Teams unterstützen. Humanoide Robotik wird somit als wichtiger Baustein gesehen, um industrielle Abläufe produktiver, flexibler und sicherer zu machen“, so Bergsmann. Oberösterreich als starker Industriestandort will frühzeitig auf diese Schlüsseltechnologie setzen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze zukunftsfähig zu halten. Innovationen in KI-gestützter Robotik sollen gezielt genutzt werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe weiter auszubauen.
„Indem oberösterreichische Leitbetriebe gemeinsam Erfahrungen mit humanoiden Robotern sammeln, können sie diese Schlüsseltechnologie schneller in die industrielle Praxis bringen“, ist Bergsmann überzeugt. Die frühzeitige gemeinsame Beschäftigung mit diesem Zukunftsthema schafft Know-how-Vorsprung, ein klarer Standortvorteil für Oberösterreich.
Wirtschaft und Wissenschaft ziehen an einem Strang
Um die Möglichkeiten der neuen Technologie auszuloten, wurde im Juli 2025 ein einzigartiges Kooperationsprojekt gestartet. Sechs oberösterreichische Leitbetriebe – angeführt von BRP-Rotax (Gunskirchen) – arbeiten dabei gemeinsam mit der FH OÖ Campus Wels daran, praxisnahe Einsatzszenarien für humanoide Roboter zu entwickeln. Die Sparte Industrie der WKOÖ unterstützt dieses Projekt aktiv. „Als starker Standortpartner ist es uns ein Anliegen, Schlüsseltechnologien wie KI und humanoide Robotik gemeinsam mit den Leitbetrieben Oberösterreichs in die industrielle Praxis zu bringen. Die enge Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg ist dabei zentral für nachhaltige Innovation und Wettbewerbsfähigkeit“, betont Bergsmann. Dieses Prinzip der offenen Zusammenarbeit bildet das Fundament des Projekts: Industrieunternehmen, Hochschule und Interessenvertretung bündeln ihr Wissen und ihre Aktivitäten, um schneller voranzukommen, als es einem Partner allein möglich wäre.
Konkrete Anwendungsfälle aus der realen Produktion
Die neue Technologie wird unmittelbar in der Praxis erprobt. Zu diesem Zweck hat BRP-Rotax einen humanoiden Roboter vom Typ Unitree G1 EDU-U6 angeschafft und dem Forschungsteam der FH OÖ in Wels zur Verfügung gestellt. Zunächst kümmern sich die Wissenschaftler um die „Ausbildung” des Roboters. Es wird erforscht und erarbeitet, mit welchen Methoden man einen humanoiden Roboter effizient programmieren kann, damit er flexibel einsetzbar ist. Ziel ist letztlich ein Einsatz auf dem Shopfloor: Aus der realen Produktion bei BRP-Rotax werden konkrete Anwendungsfälle definiert, in denen der Roboter praktische Aufgaben übernehmen könnte – etwa das Bedienen von Maschinen, das Transportieren von Komponenten oder ähnliche Abläufe. In den für 2026 geplanten Prototypentests soll ein solcher Einsatz vorbereitet werden.
BRP-Rotax ist Technologieführer mit Pioniergeist
BRP-Rotax bringt sich in diesem Projekt als oberösterreichischer Leitbetrieb und Innovationstreiber aktiv ein. Das Gunskirchner Unternehmen, weltweit bekannt für die Entwicklung und Produktion innovativer Antriebssysteme, verfolgt dabei ein klares Ziel: humanoide Robotik praxisnah zu erproben und für die industrielle Anwendung nutzbar zu machen. „Wir wollen humanoide Robotik langfristig in die Umsetzung bringen, als konkreten Beitrag zur Unterstützung unserer Mitarbeiter und um Innovation und Wettbewerbsfähigkeit weiter voranzutreiben”, erklärt Mario Gebetshuber, General Manager bei BRP-Rotax.
Mit starken Partnern gezielt Impulse setzen
Anstatt abzuwarten, gestaltet BRP-Rotax die Technologie aktiv mit und baut durch das Projekt gezielt Know-how auf. „Als Kompetenzzentrum innerhalb von BRP treiben wir Schlüsseltechnologien wie KI und humanoide Robotik voran. Gemeinsam mit starken Partnern setzen wir gezielt Impulse, um das Potenzial dieser Technologien auch als Beitrag für den Industriestandort Oberösterreich zu erschließen“, so Gebetshuber.
Auch die weiteren beteiligten Betriebe – allesamt Innovationsvorreiter ihrer Branche – profitieren von diesem gemeinsamen Lernen. Sie entwickeln Anwendungsfälle, bringen ihr Fachwissen ein und erweitern gemeinsam ihre Erfahrung im praktischen Umgang mit humanoider Robotik. Diese enge Zusammenarbeit schafft wertvolle Synergien und fördert den Wissenstransfer über Branchengrenzen hinweg. So entsteht ein Umfeld, in dem alle Partner voneinander lernen und die Zukunftstechnologie aktiv mitgestalten, statt auf externe Lösungen zu warten.
Erste Fortschritte auf dem Weg zum „Roboter-Kollegen“
Trotz aller Aufbruchstimmung stehen die Projektpartner durchaus vor großen Aufgaben. „Roboter spielen seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle in der Automatisierung”, erläutert FH-Projektleiter Thomas Schichl, „doch Anforderungen wie die sichere Zusammenarbeit mit Menschen oder das Erlernen von Prozessen zur Lösung komplexer und variabler Aufgaben stellen die Programmierung von Robotersystemen vor völlig neue Herausforderungen. Mit anderen Worten: Ein humanoider Roboter, der flexibel mit Menschen zusammenarbeiten und sich dynamisch an veränderte Abläufe anpassen soll, erfordert ganz neue Ansätze in Software und Technik. Themen wie Objekterkennung, Greif- und Balancetechnik, Sicherheitsfunktionen in Echtzeit oder KI für Lernprozesse müssen gelöst werden, bevor der Roboter im industriellen Arbeitsumfeld verlässlich eingesetzt werden kann.”
Dennoch konnten bereits wichtige Fortschritte erzielt werden. In den ersten Projektmonaten wurden wichtige Grundlagen gelegt und Meilensteine erreicht:
- Inbetriebnahme: Der humanoide Roboter wurde Anfang Juli 2025 geliefert und erfolgreich initial in Betrieb genommen.
- Simulation: In einer virtuellen Simulationsumgebung konnten erste Bewegungsabläufe getestet und optimiert werden.
- Grundfunktionen: Nach der Konfiguration des Roboters wurden einfache Bewegungen wie Gehen, Drehen oder ein Händeschütteln per Fernsteuerung ausgeführt. Diese Basisfähigkeiten dienen als Startpunkt für weitere Programmierung.
- Infrastruktur: Für die datenintensiven KI-Berechnungen wurde eine leistungsstarke Workstation angeschafft, um komplexe Simulationen und Lernalgorithmen lokal ausführen zu können.
- Know-how-Aufbau: Parallel sind Nachwuchskräfte eingebunden, so beschäftigt sich ein Masterstudent mit Reinforcement Learning für den Roboter, und eine Bachelorstudentin startet ein Projekt im Bereich Imitation Learning, um dem Roboter neue Fertigkeiten beizubringen. Gleichzeitig bringen Mitarbeiter von BRP-Rotax und den anderen Leitbetrieben ihre Expertise ein und vertiefen im Rahmen des Projekts ihr Know-how.
Diese Erfolge zeigen: Schritt für Schritt wird der „Kollege Roboter“ Realität. Jeder gelöste Programmierbaustein – vom Greifen eines Objekts bis zur Navigation in der Werkshalle – ist ein Fortschritt auf dem Weg zur praktischen Einsatzfähigkeit humanoider Roboter. Im kontinuierlichen Austausch wächst die Kompetenz aller Beteiligten im Umgang mit der neuen Technologie von Woche zu Woche.
Kollaboration und Wissenstransfer
Das Projekt „KI & humanoide Robotik“ zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Zusammenarbeit und Wissenstransfer für technologische Sprunginnovationen sind. Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten Hand in Hand daran, eine Vision – humanoide Roboter als flexible Helfer in der Industrie – in die Realität zu überführen. Für Oberösterreich hat dieses Pilotprojekt Signalwirkung. Es demonstriert, dass der Standort Pionierarbeit bei Schlüsseltechnologien leistet. Oberösterreich stellt seinen Ruf als Hub für industrielle Innovation auch bei dieser Zukunftstechnologie wieder unter Beweis.
Wissenstransfer spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Sparte Industrie der WKOÖ sorgt im Rahmen von KI*Transfer dafür, dass die wichtigsten Erkenntnisse laufend in die Breite der oö. Industrie getragen werden. Durch die gezielte Vernetzung führender Unternehmen wird ein starkes Innovationsökosystem gefördert, das die Potenziale von KI und Robotik für die Industrie der Zukunft sichtbar und nutzbar macht.