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Person mit orangem Helm hockt in Rückenansicht vor großer Stahlspule in Halle und befestigt Kette, im Hintergrund gelbes Hebeelement von der Decke hängend
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Oberösterreichs Industrie blickt mit zunehmender Sorge in die Zukunft

„Langfristig überwiegt noch der Optimismus in der oberösterreichischen Industrie, wenn EU und Bund die dringend notwendigen Reformen endlich umsetzen“, sagt Spartenobmann Erich Frommwald bei der Präsentation des Zukunftsmonitors 2030.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 15.10.2025

„Die oberösterreichische Industrie ist das Herzstück des Wohlstands in unserem Land. Rund 121.000 Menschen finden in unseren Industriebetrieben einen attraktiven Arbeitsplatz. Ein Drittel aller Industrielehrlinge Österreichs wird bei uns in Oberösterreich ausgebildet. Mit rund 48 Milliarden Euro setzt Oberösterreichs Industrie 23 Prozent der nationalen Industrieproduktion ab. Fast zwei Drittel des Umsatzes erzielt sie im Ausland“, zeigt Erich Frommwald, Obmann der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Oberösterreich, die Bedeutung der Industrie auf. „Die interna-tionale Wettbewerbsfähigkeit ist damit nicht nur ein zentrales Erfolgskriterium für Industrie und Wirtschaft in unserem Bundesland, sondern letztlich ein zentraler Wohlstandsfaktor für unsere gesamte Gesellschaft“, so Frommwald.

Die Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Oberösterreich führt jedes Jahr eine große Umfrage durch. Dieser empirische Zukunftsmonitor 2030 zeichnet ein evidentes Bild, wie es Oberösterreichs Industrie geht, was sie bewegt und was sie benötigt bzw. fordert, um erfolgreich zu sein. „Nun liegt die jüngste Studie vor. Die Diagnose ist ernüchternd. Oberösterreichs Industrie befindet sich weiterhin in einer sehr schwierigen Phase. Globale politische und technologische Entwicklungen stellen das Rückgrat der oberösterreichischen Wirtschaft auf die Probe. Aber wesentliche Erfolgsbarrieren und Wettbewerbshemmnisse sind hausgemacht und könnten mit Konsequenz und gutem Willen rasch deutlich reduziert werden“, sagt der Spartenobmann.

Grundstimmung weiter verschlechtert

„Oberösterreichs Industrie blickt mit zunehmender Sorge in die Zukunft. Zwei Drittel sehen für die kommenden zwölf Monate schwarz. Für die kommenden zwei bis fünf Jahre sind es immer noch 56 Prozent. Damit hat sich der Ausblick der Industrie im Vergleich zum Vorjahr weiter verdüstert. Die längere Zukunftsperspektive von sechs bis neun Jahren sehen Oberösterreichs Industriebetriebe aber fast ident mit dem Vorjahr optimistischer. 45 Prozent sind zuversichtlich, aber 17 Prozent skeptisch und 20 Prozent sorgenvoll. 2024 und 2025 zeigen also ein sehr ähnliches Bild. Allerdings hat der sorgenvolle Blick auf die kommenden zwei bis fünf Jahre mit 11 Prozentpunkten deutlich zugenommen“, streicht Paul Eiselsberg, Senior Research Director von IMAS International, ein wichtiges Studienergebnis hervor. 

Wir brauchen in Österreich und Europa dringend eine Deregulierung, weniger Bürokratie, weniger Vorschriften, weniger behördliche Komplexität. Das sind Hausaufgaben, die von der Weltkonjunktur entkoppelt sind .

Was weiter auffällt: Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil jener, aus deren Sicht sich der Wirtschaftsstandort Oberösterreich in den letzten drei bis vier Jahren in die richtige Richtung entwickelt hat, um 11 Prozentpunkte auf 18 Prozent gesunken. Parallel dazu ist hingegen der Anteil jener, die keine positive Entwicklung in den vergangenen drei bis vier Jahren ausmachen können, im Vergleich zu 2024 um 17 Prozentpunkte auf 75 Prozent gestiegen. „Im Vergleich zu unserer Studie im Vorjahr stellt Oberösterreichs Industrie dem Wirtschaftsstandort Oberösterreich in seiner Entwicklung in den vergangenen Jahren ein spürbar schlechteres Zeugnis aus. Das muss die Alarmglocken in der Politik schrillen lassen“, betont Frommwald.

Herausforderungen: kurzfristig Bürokratie, langfristig das richtige Personal 

Auf die Frage nach den Herausforderungen im Arbeitsalltag werden von den Industrieunternehmen mit 60 Prozent klar die Bürokratie und die gesetzlichen Rahmenbedingungen genannt. An zweiter Stelle folgen mit 52 Prozent die hohen Kosten bzw. der Kostendruck, vor allem durch Personalkosten und Energiekosten. An dritter Stelle liegt mit 30 Prozent die Personalsituation, qualifiziertes und motiviertes Personal einsetzen zu können. Bemerkenswert ist, dass das Thema Zölle bzw. US-Zölle mit fünf Prozent der Nennungen gemeinsam mit Verfügbarkeit von Rohstoffen, Komponenten und der Situation der Lieferketten mit vier Prozent bzw. mit einem Prozent die Situation der Infrastruktur den Schluss des Rankings bilden.

Fragt man zu den erwarteten Herausforderungen im Jahr 2030, ändert sich das Bild. Die Schwierigkeit, qualifiziertes und motiviertes Personal zu finden, nimmt mit 43 Prozent der genannten Herausforderungen Platz eins im Ranking ein. Gleich dahinter mit 35 Prozent folgt der Faktor „hohe Kosten und Kostendruck durch Personalkosten, Energiekosten“. Auf Rang 3 liegt die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit mit 32 Prozent. 

Mehr Klarheit und Planbarkeit

„Auf die Frage der Wichtigkeit verschiedener abgefragter Aspekte, gibt es seitens der Industrie ein klares Feedback. 62 Prozent erachten es als sehr wichtig, dass die Rechtssicherheit im Geschäftsleben erhöht wird, indem die rechtlichen Angelegenheiten klarer, beständiger und vorhersehbarer werden“, zitiert Eiselsberg aus dem Studienreport. Das Erfordernis, dass die ökologische Transformation unter Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte erfolgen muss, wird von 40 Prozent als sehr wichtig angesehen.

„Das Feedback der oberösterreichischen Industrie ist klar und verstärkt die Inhalte aus dem Vorjahr. Wir brauchen in Österreich und Europa dringend eine Deregulierung, weniger Bürokratie, weniger Vorschriften, weniger behördliche Komplexität. Das sind Hausaufgaben, die von der Weltkonjunktur entkoppelt sind und nicht mit dem technologischen oder ökologischen Wandel unmittelbar zusammenhängen. Hier haben wir dringenden Handlungsbedarf“, sieht Frommwald die Politik auf allen Ebenen gefordert. 

Weniger Bürokratie, einfachere Regelungen

So fordert die Sparte Industrie vehement eine konsequente Vereinfachung von Verfahren, klare Zuständigkeiten, digitale Lösungen sowie eine praxisnahe Deregulierung, damit Betriebe ihre Kräfte stärker auf Wertschöpfung, Innovation und nachhaltiges Wachstum konzentrieren können. Bürokratie zählt für die oberösterreichische Industrie weiterhin zu den größten Herausforderungen, auch wenn in einzelnen Bereichen erste Entlastungen erkennbar sind. Unternehmen berichten, dass komplexe Regelwerke, lange Genehmigungsverfahren und fehlende digitale Schnittstellen wertvolle Ressourcen binden und Investitionen verzögern. Besonders augenscheinlich wird dies beispielsweise im Bereich der Sekundärrohstoffe, wo die Einstufung als „Abfall“ zu unnötigen Transportauflagen führt und die Nutzung erschwert wird. Der verpflichtende Bahntransport ab 200 km (ab 2026 bereits ab 100 km) ist für viele Betriebe nicht praktikabel und gefährdet die Versorgungssicherheit, da die Infrastruktur nicht ausreichend ausgebaut ist.

„Dieses strategische Handlungsfeld zahlt natürlich ebenso in die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie ein. Wir brauchen Versorgungssicherheit, Planbarkeit, Kosteneffizienz  und eine ökologische Transformation. Aber das eine darf nicht zu Lasten des anderen gehen. Wir müssen die ökologische Transformation mit Wettbewerbsfähigkeit verknüpfen, um unsere Wirtschaft global leistungsstark zu halten. Diese Forderung vertreten wir als Sparte nicht nur vehement, sondern wir arbeiten hier mit unseren Experten aktiv mit Beratung zu Förderungen und den richtigen Ansprechpartnern bei Firmen an Transformationsthemenprojekten daran, um Oberösterreichs Industrie zu entlasten und in diesem Transformationsprozess bestmöglich zu begleiten“, berichtet Frommwald.

Leistungsbereitschaft als Schlüssel für die Zukunft

Die Sorge, Zugang zu qualifiziertem und motiviertem Personal zu haben, ist schon heute in Oberösterreichs Industrie groß und wächst bis 2030 weiter. Wichtig dabei ist nicht nur die Quantität der Arbeitskräfte, sondern deren Einstellung zur Leistung. „Wir brauchen Menschen, die nicht nur über die richtige Ausbildung verfügen, sondern auch motiviert sind, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit uns an der Zukunft zu arbeiten. Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative und Innovationsfreude sind Eigenschaften, die für den Erfolg des Industriestandorts Oberösterreich unerläss-lich sind. Dazu braucht es auch ein gesellschaftliches Umdenken. Leistung muss wieder stärker wertgeschätzt und anerkannt werden. Wenn wir als Gesellschaft nicht klar signalisieren, dass Leistung, Einsatz und Engagement die Grundlage für Wohlstand sind, riskieren wir, die falschen Signale an die nächste Generation zu senden. Mit all den damit verbundenen negativen Folgen“, erklärt Frommwald.

Ein wesentlicher Hebel zur Effizienz- und Produktivitätssteigerung ist KI. Die Entwicklungen sind rasant und die Potenziale enorm. Die Sparte Industrie hat dazu mit der Initiative „KI*Transfer“ ein starkes Programm gestartet. „Für uns gilt: Handeln statt reden. KI ist kein Einzelsport und die vielfältigen Herausforderungen lassen sich am besten meistern, wenn man anhand konkreter Problemstellungen voneinander lernt und Lösungen miteinander gestaltet. Mit ‚KI*Transfer‘ setzen wir ein starkes Signal für die praktische Anwendung von künstlicher Intelligenz in der heimischen Industrie“, betont Frommwald.

Die Studie zum Download