
Wirtschaft
Juni 2025
Lesedauer: 7 Minuten
BSI-Obmann Menz: Budgetsanierung: Kraftloser Start
Aus dem Ruder gelaufene Ausgaben und eine anhaltende Wachstumsschwäche - die neue Bundesregierung stand bei der Budgeterstellung zweifellos vor schwierigen Herausforderungen. Das jüngst vorgelegte Bundesbudget 2025/2026 zeigt in die richtige Richtung, bleibt aber ein Stück hinter den wirtschaftlichen Notwendigkeiten zurück.
Grundsätzlich positiv zu bewerten ist, dass die Bundesregierung die zuletzt explodierende Staatsverschuldung eindämmen will. Die im Vorjahr bei 4,7 % des BIP gelegene Neuverschuldung soll in den kommenden Jahren schrittweise auf unter drei Prozent reduziert werden. Damit soll der Stand an öffentlichen Schulden – der ohne Konsolidierungsmaßnahmen gegen 100 % der österreichischen Wirtschaftsleistung gestiegen wäre – bei etwas unter 90 % stabilisiert werden. Jeder Prozentpunkt weniger an Verschuldung ist wichtig, um künftige Haushalte nicht durch hohe Zinszahlungen zu überfordern.
Irritierend am Konsolidierungspfad ist allerdings, dass die Defizitquote heuer und im kommenden Jahr nur relativ geringfügig sinken soll (auf 4,2 % im Jahr 2026), dann aber innerhalb zweier weiterer Jahre sich plötzlich eine Verbesserung auf 3,0 % einstellen soll. Das ist aus drei Gründen völlig unrealistisch: Erstens zeigt die historische Erfahrung, dass neu gebildete Regierungen eher jenen politischen Zusammenhalt haben, der nötig ist, um markante Einsparungsschritte zu setzen. Zweitens steht Österreich gegenwärtig vor einer nahezu einmaligen Gelegenheit einer längeren Periode ohne nennenswerte Wahlgänge, sodass die Parteien derzeit gar nicht so viel Mut zu unpopulären Maßnahmen gebraucht hätten; erst im Laufe des Jahres 2027 beginnt wieder eine Reihe von Landtagswahlen, was die dann notwendigen, größeren Brocken der Budgetkonsolidierung keinesfalls erleichtert. Und drittens zeigt die mittelfristige Prognose des WIFO, dass man auch im letzten Drittel dieses Jahrzehnts nur mit einem sehr verhaltenen Wirtschaftswachstum rechnen kann, sodass keine konjunkturinduzierte, gleichsam „automatische“ Budgetsanierung zu erwarten wäre.
Natürlich ist es schwierig, bei einem Budget, das so spät im Jahr vorgelegt wird, die ganz großen Einsparungsschritte zu setzen. Aber für das kommende Jahr wäre ein höheres Ausmaß an Ambition durchaus einzufordern. Im Mittelpunkt müsste zuerst einmal nicht eine Verwaltungsreform stehen, sondern die grundsätzliche Frage, ob tatsächlich alle öffentlichen Aufgaben noch zeitgemäß sind. In einem zweiten Schritt müssen die sinnvollen Staatsaufgaben nach den Grundsätzen der Verwaltung – Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit – durchgeführt werden: Eine Verbindung dieser altehrwürdigen Grundsätze mit den technologischen Möglichkeiten der Gegenwart sollte erhebliche Einsparungspotenziale ermöglichen. Einmaleffekte, Anhebungen von Gebühren und Zurückhaltung bei manchen Ermessensausgaben sind kein Ersatz für eine echte Aufgaben- und Ausgabenreform.
Die Industrie betont seit langer Zeit, dass die Durchforstung der staatlichen Aufgaben und eine kritische Überprüfung von öffentlichen Regulierungen auf ihre Sinnhaftigkeit zu einer win-win-win Situation führt: Ein Gewinner ist der Staat selbst, der (sinnlose) Aufgaben und damit (unnötige) Kosten einsparen kann; ein zweiter Gewinner sind jene, denen bürokratische Lasten heute viel Zeit und Geld kosten, nicht zuletzt die Industrie in Österreich; und der dritte Gewinner sind alle Steuerzahler, deren Steuern und Abgaben sinnvoller eingesetzt werden können bzw. deren Steuerlast gesenkt werden kann. Denn angesichts der extrem hohen Steuer- und Abgabenquote in Österreich muss deren Senkung unverändert ein grundlegendes Ziel bleiben.
Erwähnt wurde die mittelfristige WIFO-Prognose, die in den kommenden Jahren nur relativ geringe Wachstumsraten vorhersagt. Eine solche Prognose ist naturgemäß eine Momentaufnahme. Gerade politische Maßnahmen können ganz konkrete wachstumsfördernde – aber auch wachstumsdämpfende – Effekte haben. Dass sich Österreich gegenwärtig in einer langen Phase der Rezession befindet, die insbesondere die Industrie hart trifft, ist zu einem erheblichen Teil auf den Unwillen der Politik zurückzuführen, die politisch verursachten Steigerungen der Energie-, Personal- und Bürokratiekosten durch entsprechende (politische) Gegenmaßnahmen auszugleichen. Das vorgelegte Budget sieht zwar erfreulicherweise vor, dass Investitionen in Forschung und Entwicklung fortgeführt und Investitionen in die Bildung punktuell gestärkt werden, eine Antwort auf die abrupt verschlechterten Kostenstrukturen für die österreichische Industrie und die daher negativen Standortbedingungen gibt das Budget nicht.
Eine kluge Mischung aus Maßnahmen zur Kostendämpfung – von einem Start zur Senkung der Lohnnebenkosten bis zur Strompreiskompensation – und von erweiterten Investitionsförderungen hätten zu überschaubaren Gesamtkosten für das Budget bewirken können, dass die Investitionstätigkeit von Unternehmen in Österreich wieder anspringt und Österreich als Unternehmensstandort wieder an Attraktivität gewinnt. Ein Anspringen der (Industrie-) Konjunktur würde wiederum dem Finanzminister das Erreichen der Konsolidierungsziele in dieser Legislaturperiode massiv erleichtern. Diese mutige Wachstumsperspektive fehlt dem Budget, sie fehlt damit leider auch dem Industriestandort Österreich.
Quelle: Bundessparte Industrie, WKÖ
Explodierende Lohnstückkosten schädigen Wettbewerbsfähigkeit
Massive Lohnerhöhungen als Inflationsausgleich bei gleichzeitig schwacher Produktivitätsentwicklung haben die Marktchancen der österreichischen Industrie auf Exportmärkten stark beeinträchtigt. Dies zeigt, dass die Warnungen der Industrie vor einer gleichsam „automatischen“ Inflationsabgeltung berechtigt waren. Um nun den Schaden zu begrenzen, ist auch die Politik gefordert.
In den letzten Jahren sind die Löhne in Österreich deutlich stärker gestiegen als in vergleichbaren Ländern und vor allem auch bei wichtigen Handelspartnern, während die Produktivitätsentwicklung hinterherhinkt. Infolgedessen sind die Lohnstückkosten in Österreich seit dem Jahr 2015 um 39,5 % angestiegen – ein Zuwachs, der deutlich über dem EU-Durchschnitt von 26,6 % liegt. Auch im Vergleich zum Haupthandelspartner Deutschland, wo die Lohnstückkosten pro Arbeitsstunde um acht Prozentpunkte weniger gestiegen sind, verliert Österreich zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit.
Infolge des starken Anstiegs der Löhne ist die Lohnquote, der Arbeitnehmeranteil am Volkseinkommen, zuletzt explodiert. Auf den ersten Blick ist das für die meisten Menschen erfreulich – immerhin wurde von Seiten der Gewerkschaft jahrelang die fallende Lohnquote beklagt. In der Realität zeigen sich aber gleich mehrere Probleme: Erstens kommt es dadurch nicht zu einer substanziell höheren Konsumnachfrage (im Sinne des gewerkschaftlichen Schlagworts der „Kaufkraftstärkung“), da angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten ein erheblicher Teil des zusätzlichen Einkommens in die Ersparnisbildung fließt. Zweitens wird der weit überwiegende Teil der Umsätze der österreichischen Industrie im Ausland und zudem im B2B-Bereich erzielt, sodass die Konsumausgaben in Österreich schon grundsätzlich für die Industrie insgesamt eine nur begrenzte Bedeutung haben. Und drittens ist – als logische Umkehrung der steigenden Lohnquoten – die Gewinnquote nicht-finanzieller Kapitalgesellschaften (also ohne Banken) seit Anfang 2023 in Österreich geradezu dramatisch gesunken und klar unter den EU- sowie Euroraum-Durchschnitt gefallen. Dies wiederum erschwert Unternehmen Investitionen beziehungsweise macht für jene Unternehmen, die über eine entsprechende Wahlmöglichkeit verfügen, die Entscheidung für Investitionen in anderen Standorten attraktiver als in Österreich.
Die heimischen Industriebetriebe sind gegenwärtig in einer Doppelmühle: Arbeits- und Energiekosten galoppieren davon, während Aufträge wegbrechen, weil die Nachfrage fehlt oder man preislich nicht mehr mithalten kann. Gleichzeitig wird der finanzielle Spielraum für Investitionen immer schmäler. Dies trifft eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich, die im internationalen Wettbewerb steht, besonders hart.
Ausgangspunkt der raschen Verschlechterung der Position Österreichs und damit der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie waren die hohen Inflationsraten der letzten Jahre. Dass weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene die politischen Reaktionen auf den externen Kostenschock bei den Energiepreisen infolge der Ukrainekrise angemessen waren, sei hier nur am Rande vermerkt. Nachdem die enorme Marktunsicherheit zu den höchsten Inflationsraten seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat, fehlten die eingeübten Mechanismen, um mit einer solchen Situation fertigzuwerden: Die Vorstöße der Industrie, nur die Bruttowertschöpfung oder die Kerninflation für die Bemessung der Lohn- und Gehaltserhöhungen heranzuziehen, oder auch steuer- und sv-freie Einmalzahlungen als Teil des Abschlusses heranzuziehen, wurden von den Gewerkschaften abgeblockt. Da der Staat durch großzügige Maßnahmen des Inflationsausgleiches und einer vollen Berücksichtigung der Inflationsentwicklung bei der Verhandlung der Beamtengehälter und bei der Erhöhung der Pensionen mit sehr schlechtem Beispiel vorangegangen ist, waren die hohen Kollektivvertragsabschlüsse der letzten Jahre nicht zu vermeiden.
In vielen Köpfen ist noch nicht angekommen, dass ein externer Kostenschock – wie etwa eine Erhöhung der Energiepreise – eine Volkswirtschaft insgesamt ärmer macht. In den letzten Jahren wurde versucht, diese gesamtwirtschaftlichen (oder besser: gesamtgesellschaftlichen) Kosten nur zwei Gruppen umzuhängen: den Unternehmen, die durch die Doppelbelastung der Energie- und Lohnkosten nun in einer prekären Situation sind, und dem Staat, der folglich Rekorddefizite einfährt.
Trotz der nunmehr klar erkennbaren Dramatik der Lage und der anhaltend tiefen Industrierezession verlangen die Gewerkschaften bei den Kollektivvertragsverhandlungen beharrlich weiterhin jedenfalls eine Abgeltung der rollierenden Inflation. Das zeigen aktuell die Verhandlungen in der Frühjahreslohn- und -gehaltsrunde 2025. Die Verhandlungen der Elektroindustrie sind zuletzt in der vierten Runde ergebnislos abgebrochen worden, ebenso in der Papierindustrie, wo nun sogar die Streikfreigabe vom ÖGB erfolgt ist.
Eine solche Vorgangsweise der Gewerkschaften ist zwar einerseits unverantwortlich in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht, andererseits aber auch verständlich, wenn staatlicherseits weiterhin die Gehaltsabschlüsse der Beamten und die Pensionserhöhungen zumindest bei oder sogar über der rollierenden Inflation liegen. Die Beamtengehälter in Österreich wurden ab 1. Jänner 2025 um 3,5 Prozent angehoben. Die Erhöhung für 2026 wurde ebenfalls bereits fixiert und liegt bei 0,3 Prozent über der Inflationsrate. Die Pensionen in Österreich wurden ab 1. Jänner 2025 um 4,6% erhöht. Zuletzt haben sich Ökonomen von WIFO, IHS und des Fiskalrates für eine Zurückhaltung bei den Lohnerhöhungen ausgesprochen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hat aber zu Recht hinzugefügt: „Wenn die Beamten mehr kriegen als die Inflation, dann ist es schwierig, anderswo mit anderer Logik zu verhandeln.“
Die Bundessparte Industrie fordert daher die Bundesregierung auf, dass der Beamtenabschluss und die Pensionserhöhungen ab 1. Jänner 2026 aufgehoben werden und Verhandlungen darüber erst nach Abschluss der Herbstlohn- und Gehaltsrunde aufgenommen werden. Das wäre vor allem einmal ein wichtiges Signal an die Gewerkschaften.
Zudem wäre damit wieder ein finanzieller Spielraum im Budget geschaffen, der zum Ausgleich der Kosten einer sofortigen Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden kann. Bekanntlich hat Österreich die vierthöchste Belastung des Faktors Arbeit in der OECD. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten der Dienstgeber wäre gegenwärtig ein wesentlicher Beitrag, die überschießende Lohnentwicklung der letzten Jahre abzufedern. Die Industrie in Österreich fordert eine Absenkung der Lohnnebenkosten der Dienstgeber um fünf Prozentpunkte, um vom derzeitigen Niveau (29,3 % des Bruttolohns) auf das Niveau des Haupthandelspartners Deutschland zu gelangen. Ein solcher Schritt würde insbesondere die Änderung der Finanzierung des – größtenteils sachfremd von den Dienstgebern getragenen - Familienlasten-Ausgleichsfonds (FLAF) notwendig machen, zudem geringe Senkungen in anderen Bereichen (zB beim Wohnbauförderungsbeitrag, bei der Unfallversicherung, etc). All diese Maßnahmen sind trotz angespannter Budgetlage grundsätzlich durchführbar und aus Gründen der Entlastung der Unternehmen und der Attraktivierung des Standortes Österreich auch unbedingt und rasch notwendig.
Quelle: Bundessparte Industrie, WKÖ