Tunesien: Neuer Wirtschaftsbericht

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Tunesien

Wirtschaftslage

Tunesien steht vor mehreren wirtschaftlichen Herausforderungen: Die Abhängigkeit von Importen bei Energie und Grundnahrungsmitteln belastet Wirtschaft und Bevölkerung. Das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2023 war niedriger als erwartet, insbesondere aufgrund des Rückgangs im Agrarsektor wegen unzureichender Niederschläge. Die Devisenknappheit, hohe Inflation und Arbeitslosigkeit, geringe Investitionen und eine instabile wirtschaftliche Situation in Europa beeinträchtigen das Wachstum Tunesiens. Man rechnet bis Ende des Jahres 2023 mit lediglich 1,3 % Wachstum der tunesischen Wirtschaft.

Im Herbst 2022 hat die tunesische Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit von USD 1,9 Mrd. ausgehandelt, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Der IWF fordert im Gegenzug die Aufhebung von Subventionen, unter anderem für Treibstoff und Nahrungsmittel, sowie weitere Reformen. Das wiederum lehnen die tunesischen Gewerkschaften ab, da sie für viele ohnehin unter der Wirtschaftskrise leidenden Tunesier:innen sehr schmerzhaft wären.

Im Vergleich zu früheren Jahren gehen die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen aufgrund der anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Krise in Tunesien zurück. Dennoch erreichten die ausländischen Direktinvestitionen im ersten Halbjahr 2023 einen Gesamtwert von EUR 328 Mio., was einem Anstieg von 5 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2022 entspricht. Die Investitionen verteilen sich auf die verarbeitende Industrie (48 %), Dienstleistungen (30 %), Energie (21,7 %) und Landwirtschaft (0,3 %).

Besondere Entwicklungen 

Wie erwartet, sicherte sich Präsident Kaïs Saïed beim Verfassungsreferendum im Juli 2022 die Unterstützung für erweiterte präsidiale Befugnisse. Die derzeitige Situation gibt ihm die endgültige Kontrolle über die Exekutive. Die Rolle des Parlaments wurde geschwächt und stellt das Militär, die Regierung und die Justiz unter die Kontrolle des Präsidenten. Die bisherige Regierungschefin Najla Bouden wurde im August 2023 ohne offizielle Begründung entlassen und durch Ahmed Hachani ersetzt. Hachani gilt als enger Vertrauter von Präsident Saïed und blickt auf eine 33-jährige berufliche Laufbahn in der tunesischen Zentralbank zurück.

Im Juli 2023 unterzeichneten die EU und Tunesien ein Memorandum of Understanding (MoU) über eine strategische und umfassende Partnerschaft, welche unter anderem die Schwerpunkte Wirtschaft, Erneuerbare Energien und Migration beinhaltet.

Über 90 % des tunesischen Stroms werden aus fossilen Brennstoffen, hauptsächlich Erdgas, erzeugt. Tunesien verfolgt jedoch das Ziel, bis 2030 insgesamt 30% seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Mit einer durchschnittlichen Sonneneinstrahlung von knapp 2.000 kWh/m² und mehr als 3.000 Sonnenstunden im Jahr sind die Voraussetzungen für die Solarenergie-Gewinnung hervorragend.

Tunesien ist eines der beliebtesten Reiseziele in Afrika. Die Tourismusbranche des Landes trägt traditionell etwa 5 % des BIP bei und stellt eine wichtige Quelle für lokale Beschäftigung dar. Die tunesischen Tourismuseinnahmen stiegen von ca. EUR 1 Mrd. Ende August 2022 auf ca. EUR 1,5 Mrd. Ende August 2023, was einem starken Wachstum von knapp 50 % Wachstum entspricht.

Die Phosphatproduktion, die einmal als eine der wichtigsten Säulen der tunesischen Wirtschaft galt, ist seit 2011 rückläufig. Ende August 2023 allerdings stiegen die tunesischen Exporte aus den Sektoren Bergbau, Phosphate und Derivate um 37,5 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2022, insbesondere in Richtung der USA.

Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich 

Die österreichischen Exporte nach Tunesien beliefen sich im ersten Halbjahr 2023 auf EUR 42,02 Mio., was einer Steigerung zur Vorjahresperiode um 14,2 % entspricht. Bei den österreichischen Ausfuhren nach Tunesien handelt es sich hauptsächlich um elektrische Maschinen, Apparate und elektrotechnische Waren, Drähte und Kabel, Kunststoffe, Flacherzeugnisse und Verpackungsmaterialien.

Die Importe tunesischer Waren nach Österreich beliefen sich im ersten Halbjahr 2023 auf EUR 107,42 Mio., was ein Plus zur Vorjahresperiode von 31,1 % darstellt. Die Hauptwarengruppen bei den österreichischen Importen aus Tunesien sind elektrische Maschinen, Apparate und elektrotechnische Waren.

Tunesien ist für Österreich nach Südafrika, Ägypten, Algerien, Marokko, Mali und Nigeria der siebtwichtigste Exportmarkt in Afrika. Weltweit gesehen, ist Tunesien für Österreich als Exportmarkt an 73. Stelle. Tunesien ist für Österreich nach Libyen, Südafrika, Algerien und Marokko der fünftwichtigste Importmarkt unter den afrikanischen Ländern. Weltweit gesehen, belegt Tunesien im Ranking der wichtigsten Import-Partner Österreichs den 63. Platz.

Aufgrund der bereits vorhandenen Gaspipelines zwischen Tunesien und Italien bietet sich Tunesien als Lieferant von grünem Wasserstoff für Österreich an. Der italienische Gasnetzbetreiber SNAM plant, Österreich und Deutschland bis spätestens 2030 mit grünem Wasserstoff aus Nordafrika zu versorgen. Das Projekt South H2 Corridor wird von einem Konsortium aus fünf Firmen – darunter auch österreichische - betrieben und soll von Tunesien und Algerien über Italien und Österreich bis nach Bayern verlaufen. 

Geschäftschancen für österreichische Unternehmen

Tunesien bietet für österreichische Unternehmen vielfältige Geschäftschancen.

Das Land hat beispielsweise großes Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere in der Solarenergie und der Windenergie. Auch für österreichische Unternehmen, die in den Bereichen Tourismus, Hotellerie, Gastronomie und Freizeit tätig sind, gibt es gute Geschäftschancen.

Tunesien investiert zudem verstärkt in die Entwicklung seiner Infrastruktur, was für österreichische Unternehmen im Bauwesen und in der Infrastrukturbranche großes Kooperationspotenzial bringt. Österreichische Unternehmen, die in der Agrar- und Nahrungsmittelbranche tätig sind, finden in Tunesien in den Bereichen landwirtschaftliche Technologien, Verarbeitung von Agrarprodukten und Lebensmittelerzeugung gute Geschäftschancen vor.

In Tunesien besteht außerdem Bedarf an modernen medizinischen Einrichtungen und Krankenhausausbau, medizinische Ausrüstung, Telemedizin und Ausbildung von medizinischem Fachpersonal. Außerdem können rot-weiß-rote Unternehmen aus der Bildungs- und Ausbildungsbranche in Tunesien mit Bildungsprogrammen, Schulungen, Berufs- und technischen Ausbildungen punkten.


Das AußenwirtschaftsCenter Algier berät Sie gerne, sollten Sie weitere Fragen zu Tunesien haben.

Stand: 17.10.2023

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