Stadtansicht von London: moderne Skyline mit einigen herausragenden Wolkenkratzern an der Themse. Über das Bild wurde ein weißes Austria A gelegt.
© jovannig | stock.adobe.com

Vereinigtes Königreich: Wirtschaftslage

Die wichtigsten Informationen zur britischen Wirtschaft – zuverlässig und aus erster Hand

Lesedauer: 9 Minuten

Aktuelle Lage: Wirtschaftsbericht

Nach einem guten Start ins Jahr 2023 und einem soliden BIP-Wachstum im Jahr 2022 (4,1 %) hat sich die Wirtschaftslage im Vereinigten Königreich (VK) über das Jahr 2023 eingetrübt. Die britische Wirtschaft befand sich im 3. und 4. Quartal in einer leichten Rezession (-0,1 bzw. -0,3 %), über das Gesamtjahr konnte mit +0,1 % BIP-Wachstum eine schwarze Null erreicht und damit eine Rezession vermieden werden. Für 2024 liegen die Wachstumsprognosen angesichts gedämpfter interner als auch Exportnachfrage und stagnierender Anlageinvestitionen bei +0,4 % bis +0,9 %. Demgegenüber soll das BIP-Wachstum 2025 auf Basis sinkender Zinsen und eines verbesserten externen Umfelds an Dynamik gewinnen und getragen von Steigerungen bei Haushaltsausgaben, Anlageinvestitionen und Exporten bei +1,3 % bis +1,9 % liegen. Der IWF sieht das VK beim BIP-Wachstum 2024-25 mit kumuliert 2,2 % im Mittelfeld der G7 Wirtschaften.

Cost of Living Krise: Wie in anderen europäischen Volkswirtschaften haben vor allem die hohen Zinsen (gestiegenen Kreditkosten) und die Auswirkungen der Inflation (Energiekosten und Sekundäreffekte) die Reallohnentwicklung und damit die Haushaltseinkommen und Konsumnachfrage gebremst. Für 2024-25 werden eine Trendumkehr und Realeinkommenszuwächse von 1,9 % erwartet. Grund dafür ist der rasche Rückgang bei der Inflation: Nach einem Durchschnittswert von 7,9 % im Jahr 2022 und 6,8 % im Jahr 2023 wird eine weitaus abgeschwächte Inflationsrate von durchschnittlich 2,6 % für 2024 erwartet. Wesentlich tragen dazu Preisrückgänge bei Lebensmitteln und Energieträgern sowie moderate Lohnsteigerungen angesichts eines sich entspannenden Arbeitsmarkts bei.

Im Gefolge der Preisspirale hat die Bank of England (BoE) den Leitzinssatz seit Dezember 2021 in 14 Tranchen auf 5,25 % angehoben, dem höchsten Wert seit 16 Jahren, und seit September 2023 stabil gehalten. Es wird allgemein erwartet, dass die BoE die Zinsen kein weiteres Mal erhöht, sondern angesichts der fallenden Inflation erste Schritte zur Zinssenkung im Jahr 2024 setzt, sobald das Inflationsziel von 2 % erreicht wird. Für 2024 wird eine stabile Wechselkursentwicklung des Pfund Sterling mit geringfügigen Aufwertungstendenzen gegenüber dem Dollar und geringfügigen Abwertungstendenzen gegenüber dem Euro erwartet.

Der Brexit hat die Importe und Exporte von Waren mittelfristig belastet. Bei Dienstleistungen zeigt sich ein anderes Bild: Die britischen Gesamtexporte legten 2023 laut dem britischen Statistikamt nominell um 4,6 % (real 0,6 %) zu, wobei die Warenexporte um 4,4 % (real 4,6 %) sanken, wogegen die Dienstleistungsexporte um 13,2 % (real 5,3 %) zulegten. Das anhaltend dynamische Wachstum hat den Anteil der Dienstleistungen am Gesamtexport auf 56 % erhöht. Dahinter steckt nicht nur der Finanzplatz London, sondern v.a. auch Business & Legal Services, R&D, IT, Tourismus und Kreativdienstleistungen. Eine verstärkt digitale Erbringung vieler Services hat die Anfälligkeit für externe Schocks wie die Covid-Pandemie oder den Brexit gesenkt. Die realen Warenexporte sind bereits seit der Covid-Pandemie rückläufig. 2023 sanken diese nominell in die EU um 5,9 % und in die Nicht-EU um 3 %. Das Vereinigte Königreich weist seit 1985 ein anhaltendes Leistungsbilanzdefizit auf und dieses machte 2023 2,9 % des BIP aus.

Besondere Entwicklungen

Voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 werden die anstehenden Parlamentswahlen abgehalten und die regierende konservative Partei hat historisch schlechte Umfragewerte. Die oppositionelle Labour Partei betont die strenge Budgetdisziplin, Wachstumsförderung und Resilienz, möchte Akzente für mehr Hausbau sowie die Stärkung von Arbeitnehmerrechten setzen, und plant bestehende Steuerprivilegien der Privatschulen abzuschaffen.

Die britische Regierung hat in den vergangenen Monaten diverse Initiativen gesetzt: Im März 2023 wurde ein Förderpaket für KMU auf den Weg gebracht, die Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung wurden um 4 Prozentpunkte auf 8 % (für Selbstständige auf 6 %) gesenkt und die Vollkostenabschreibung im Anschaffungsjahr für Anlagevermögen (IT, Maschinen) auf unbestimmte Zeit verlängert. Im Zuge einer Advanced Manufacturing Strategy sollen rund EUR 5 Mrd.an Förderungen in forschungsintensive Exzellenzbereich wie z.B. Luft- und Raumfahrt, emissionsfreie Fahrzeuge/Batterien, saubere Energie und Bio-Engineering fließen. Die Critical Imports & Supply Chain Strategy soll die Resilienz der britischen Wirtschaft erhöhen, Importbarrieren abbauen und das Vereinigte Königreich als Kompetenzzentrum für Lieferketten- und Risikoanalyse positionieren. Die Battery Strategy soll die Schaffung einer vollständigen Wertschöpfungskette für Batterien bis 2030 und damit den wichtigen Automotive Sektor unterstützen; Projekte für Batteriewerke sind in Planung bzw. Umsetzung. 

Die Arbeit an Post-Brexit Regeln nimmt weiter seinen Lauf: Neben dem Windsor Framework Agreement für einen vereinfachten Nordirlandhandel ist das greifbarste Ergebnis bisher, dass sich das Vereinigte Königreich seit 1. Jänner 2024 als assoziiertes Mitglied wieder am mit EUR 95,5 Mrd. weltweit größten, transnationalen EU-Forschungsprogramm Horizon Europe und dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus beteiligt. Die britische Regierung hat per 31.1.2024 ihr neues Einfuhrkontrollregime (Border Target Operating Model - BTOM) in Kraft gesetzt, das zusätzliche dokumentarische Anforderungen für die Einfuhr von Waren mittlerer und hoher Risikokategorie und ab 30. April 2024 auch echte risikobasierte physische Kontrollen solcher Waren an den Grenzen bringt. 

Immer klarer wird, dass der Abgang aus der EU der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt beträchtlich Kraft kostet. Umfragen diverser britischer Wirtschaftsverbände kommen zum Ergebnis, dass zwei Drittel bis drei Viertel der britischen Unternehmen mehr Komplexität, höhere Kosten und geringere Margen beim internationalen Geschäft haben als vor dem Brexit. Das auf den letzten Drücker zwischen der EU und UK geschlossene Handelsabkommen (Trade and Cooperation Agreement – TCA) hat zwar extreme Zollhürden und Marktbarrieren verhindert, aber vielfältige Problemzonen und offene Themen hinterlassen. Unabhängig vom Ausgang der Parlamentswahlen 2024 sind eine Zollunion oder Rückkehr in den EU-Binnenmarkt kein Thema.

Diverse strukturelle Defizite haben das Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreich (VK) jahr- bzw. jahrzehntelang gebremst: Geringe Investitionen, Qualifikationsdefizite, ein überforderter Gesundheitssektor, starke regionale Ungleichheiten und die hohe Abhängigkeit von verbrauchernahen Dienstleistungen als Wachstumsmotor tragen dazu bei, Konjunkturabschwünge zu verschärfen, eine anschließende Erholung zu untergraben und das mittelfristige Wachstumspotenzial des Landes zu begrenzen.

Die Fußball-Europameisterschaft 2028 (UEFA EURO 2028) wird von Juni bis Juli 2028 im Vereinigten Königreich mit seinen vier Fußballverbänden und der Republik Irland ausgetragen werden. Investitionen in neue Stadien sind angesichts guter bestehender Spielstätten mit Ausnahme von Belfast/Nordirland nicht zu erwarten, diverse Upgrades und Investitionen rund um das Turnier jedoch schon.

Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich

Das Vereinigte Königreich ist als zweitgrößter Markt Europas für Österreichs Wirtschaft ein wesentlicher Partner und rangiert in allen Rankings zu Handel und Investitionen auf den Rängen 5-10.

Mit einem Liefervolumen von 5,447 Mrd. Euro im Jahr 2023 und einem Anteil von 2,71 % an den österreichischen Warenexporten war das VK hinter der Tschechischen Republik und vor China der 10. wichtigste Zielmarkt Österreichs. Bereits 2022 konnte mit einem starken Anstieg von 14,9 % das Exportniveau Pre-Brexit und Pre-Covid erreicht werden. 2023 entwickelten sich die Warenexporte in das VK mit +6,7 % im Vergleich zum österreichischen Exportwachstum weltweit (+3,01 %) überdurchschnittlich gut. Die Importe aus dem Vereinigten Königreich (VK) nach Österreich sind nach „statistisch starken“ Zuwächsen 2022 (+25,7 %) und 2021 (+29,6 %) im Jahr 2023 um -12,4% auf 3,06 Mrd. Euro gesunken, was auf eine starke Reduktion bei den Goldimporten für den Veredelungsverkehr (-50 %) zurückzuführen ist. Österreichs Exportwirtschaft generierte 2023 wie auch schon in den Vorjahren einen substanziellen Warenbilanzüberschuss von 2,6 Mrd. Euro.

Das Volumen der von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) erfassten österreichischen Direktinvestitionen im Vereinigten Königreich hat sich zwischen 2012 und 2022 beinahe verdoppelt und liegt bei 8,47 Mrd. Euro. Das AußenwirtschaftsCenter London schätzt, dass von den 300+ österreichischen Tochterfirmen ungefähr 50 Unternehmen im Vereinigten Königreich produzieren oder assemblieren. Bei den anderen handelt es sich um Repräsentanzen und Vertriebsniederlassungen. Die Ergebnisse der jährlichen Umfrage unter den österreichischen Niederlassungen im Vereinigten Königreich (VK) zeichnen eine stabile Erwartung für das Jahr 2024: 64% der Befragten rechnen mit einem gleichbleibenden bzw. verbesserten wirtschaftlichen Umfeld im VK. Bezogen auf die Unternehmenskennzahlen konnten im Jahr 2023 46 % der Befragten Umsätze steigern, bei 28 % blieben diese konstant; für 2024 erwarten 79 % steigende oder gleichbleibende Umsätze. 

Dienstleistungsexporte

Das starke Plus bei den Dienstleistungsexporten 2022 von 27 % auf 2,86 Mrd. Euro und die Fortsetzung dieses Trends in den ersten drei Quartalen 2023 (+ 8,4 %) lassen den Covid bedingten Ausfall der Wintertourismussaison 2020 und die Brexit bedingt erschwerte Dienstleitungserbringung 2021 beinahe vergessen machen und bestätigen den fünften Rang des Vereinigten Königreichs als Exportdestination. Diese Erholung ist auf die Normalisierung des Reiseaufkommens und auf Lernerfolge bei der Auseinandersetzung mit dem „neuen Regelwerk“ für die Dienstleistungserbringung Post-Brexit zurückzuführen. 2023 gab es das zweitgrößte Nächtigungsplus (27,6 %) bei britischen Gästen (nur hinter den USA). Stark auf das Dienstleistungsgesamtergebnis eingezahlt wird auch von Transportdienstleistungen, unternehmensbezogenen Dienstleistungen sowie Telekommunikations-, EDV- und Informationsdienstleistungen. Basierend auf einem Überschuss von fast 100 Mio. Euro in den ersten drei Quartalen 2023 ist die Rückkehr zu einer positiven Dienstleistungsbilanz zu erwarten. 

Geschäftschancen für österreichische Unternehmen

Marktchancen bestehen für innovative Produkte, Ausrüstungen und Verfahren, die Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen ermöglichen, sowie für Nischenprodukte mit hohem technischen Standard u. a. in den Bereichen Umwelttechnik, erneuerbare Energien, nachhaltige Bau- und Lagertechnik, IKT, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt und Automobilbau. Chancen bietet nicht nur die Weltmetropole London, sondern auch andere Landesteile, u.a. Greater Manchester angesichts Stadtentwicklungsprojekten und dem schnell wachsenden Digitalsektor, sowie Humber, das sich auf Basis riesiger Wasserstoff- und Carbon Capture Projekte als ein Hub mit günstiger Low Carbon Energy für neue Industrien positioniert hat.

Zulieferbetriebe im Infrastruktursektor (Straßen- und Schienenverkehr) können von notwendigen Modernisierungsinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur profitieren. Im Gesundheitssektor bieten sich Chancen mit eHealth Lösungen für Effizienzsteigerungen sowie bei Krankenhausprojekten und Beschaffungsinitiativen. Geschäftsmöglichkeiten schafft auch die Umsetzung einer ehrgeizigen Klima- und Energiepolitik, die umfangreicher Investitionen in den Netzausbau, Bau/Montage-intensive Carbon Capture & Storage Projekte und den Ausbau der Offshore und Re-Commission der Onshore Wind Kapazitäten bedarf. Im Maschinen- und Anlagenbau lassen überfällige Modernisierungen und Nachrüstungen bei günstigen Rahmenbedingungen einen Investitionsschub erwarten und fördert der Fach- und Arbeitskräftemangel Investitionen in Automatisierung. Für die Belieferung des Gastgewerbes und der Freizeitindustrie schafft die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit langfristig Potenziale. Abhängig vom politischen Gestaltungswillen ist mit einem deutlichen Anstieg beim Hausbau zu rechnen.

Das regulatorische Post-Brexit Umfeld bringt zwar administrativen Aufwand, soll aber keinesfalls davon abhalten, die vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen. Angesichts der weltweiten Ausstrahlung Londons und britischer Beratungs- und Planungsunternehmen sowie Architekturbüros birgt ein Projekterfolg auch Chancen auf Drittlandgeschäft. Als ein technologieführendes Land bei Zukunftsthemen wie AI und Big Data, Cyber Security, Fintech, Elektromobilität, Life Sciences und Sicherheit ist das VK ein ergiebiger Wissens- und Kooperationsknoten für heimische Tech-Firmen und Start-ups. Eine bestehende Kooperation der WKÖ mit der Elite-Universität Imperial College London ermöglicht österreichischen Unternehmen den Zugang zu führenden Forschungsteams und -projekten. 

Statistik: Länderprofil 

Einen kurzen Überblick über die wichtigsten statistischen Daten zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bietet das Länderprofil Großbritannien der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA und der Stabsabteilung Statistik.

Wichtige Wirtschafts- und Basisdaten und Informationen für eine Vielzahl weiterer Länder finden Sie auf den jeweiligen Länderseiten sowie in der Übersicht Länderprofile weltweit.

Maßgeschneiderte Informationen

Damit Ihre Marktbearbeitung im Vereinigten Königreich problemlos abläuft, hat unser Team vor Ort Informationen zu außenhandels- und investitionsrelevanten Fach- und Branchenthemen, die Sie jederzeit beim AußenwirtschaftsCenter London anfordern können.

Allgemeines zu Wirtschaft, Land und Leute sowie persönliche Tipps finden Sie in unserem Länderreport Vereinigtes Königreich.

Das AußenwirtschaftsCenter London berät Sie gerne, sollten Sie weitere Fragen zum Vereinigten Königreich haben.

Stand: 04.04.2024