Person mit Brille sitzt an einem Schreibtisch und arbeitet mit einem Laptop
© Andrey Popov | stock.adobe.com

Europäisches Mahnverfahren

In 5 Schritten zum Europäischen Zahlungsbefehl

Lesedauer: 7 Minuten

5 Schritte

  1. Bestimmung, ob das Europäische Mahnverfahren anwendbar ist
  2. Bestimmung des zuständigen Gerichts  
  3. Antragstellung (Formblatt A) 
  4. Reaktion des Schuldners (Einspruch oder kein Einspruch) 
  5. Vollstreckung des Europäischen Zahlungsbefehls 

1. Bestimmung, ob das Europäische Mahnverfahren anwendbar ist

Was ist der räumliche Anwendungsbereich der EU Mahnverordnung?

Die Antragstellung muss in einem EU-Mitgliedstaat erfolgen, mit Ausnahme von Dänemark.

Sonderstellung Dänemarks

Die Europäische Mahnverordnung, sowie die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sind nicht auf Dänemark anwendbar.

Im Abkommen zwischen der EU und Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen hat sich Dänemark zur Umsetzung der Brüssel I-a Verordnung verpflichtet und bereit erklärt. Für das Europäische Mahnverfahren bedeutet das, dass zwar die EU Mahnverordnung in Dänemark NICHT angewendet wird, aber gültige, in einem anderen Mitgliedstaat erwirkte Vollstreckungstitel auch in Dänemark anerkannt und vollstreckt werden können. 

Weitere Informationen zur Position Dänemarks finden Sie auf dem Europäischen Justizportal

Auf welche Sachverhalte ist die EU Mahnverordnung anwendbar?  

Die EU Mahnverordnung ist auf grenzüberschreitende Zivil- und Handelssachen anwendbar. „Grenzüberschreitend“ bedeutet, dass mindestens eine Person Ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem Gerichtsstaat hat.

Eine Ausnahme dieser Regelung besteht für EU-gebietsfremde Gläubiger (also Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat haben), deren Schuldner seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des zuständigen Gerichts hat. Auch ein Gläubiger, der einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Mitgliedstaat als dem des zuständigen Gerichts hat, kann einen Antrag gegen einen Schuldner stellen, der seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der EU hat.

Ab welchem Zeitpunkt ist die EU Mahnverordnung anwendbar?

Die Verordnung gilt ab dem 12.12.2008 und ist seit diesem Zeitpunkt anwendbar.


2. Bestimmung des zuständigen Gerichts (Europäisches Justizportal)

In vielen Fällen des täglichen Geschäftslebens wird ein Vertrag bestehen, in dem die Zuständigkeit eines Gerichtsstandes von den Parteien vorab vereinbart wurde. Daher lohnt sich bei der Beantwortung der Zuständigkeitsfrage zunächst der Blick in einen bestehenden Vertrag (Gerichtsstandsvereinbarungs-Klausel). 

Grundsätzlich richten sich die Bestimmungen über die Gerichtszuständigkeit nach der Brüssel I-a Verordnung. Welches Gericht speziell in einem Mitgliedstaat zuständig ist, lässt sich mit Hilfe des Europäischen Gerichtsatlas für Zivil- und Handelssachen auf dem Europäischen Justizportal bestimmen. Hier können mit Hilfe der Suchfunktion das Wohnsitzland des Beklagten und die Adresse eingegeben werden. 

Wann ist die Generalklausel anwendbar?

Sofern also weder eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, noch eine besondere bzw. eine ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichtes besteht (Erläuterungen siehe unten), ist die Generalklausel anzuwenden. Nach der Generalklausel sind Personen, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit, vor den Gerichten des Wohnsitzmitgliedstaates zu verklagen.

In welchen Fällen besteht eine besondere Zuständigkeit?

In den Fällen der besonderen Zuständigkeit kann ein Schuldner, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaates belangt werden. Besondere Zuständigkeiten bilden unter anderem der vereinbarte Erfüllungsort eines Vertrages (dies ist relevant für Waren und Dienstleistungen) und der Ort der Zweigniederlassung, wenn es sich um eine Streitigkeit aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung handelt.

Gibt es eine spezielle Zuständigkeit bei Verbrauchersachen?

Die besondere Zuständigkeit in Verbrauchersachen findet unter anderem dann Anwendung, wenn der Vertragspartner seine gewerbliche Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt oder es sich um den Kauf einer beweglichen Sache auf Teilzahlung handelt.

Vor welchen Gerichten kann ein Verbraucher klagen oder geklagt werden?

Der Verbraucher kann den Vertragspartner entweder vor dem Gericht des Wohnsitzstaates des Vertragspartners, oder vor dem Gericht des Verbraucherwohnsitzstaates verklagen. Der Vertragspartner kann den Verbraucher nur im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers klagen. Eine Vereinbarung über den Gerichtsstand in Verbrauchersachen ist unter anderem nur dann möglich, wenn die Vereinbarung erst NACH dem Entstehen der Streitigkeit getroffen wird. 

Gibt es überdies noch Fälle der besonderen Zuständigkeit?

Weitere besondere Zuständigkeiten bestehen für 

  • Versicherungssachen bzw. Haftpflichtversicherungssachen
  • sowie für individuelle Arbeitsverträge.

Welches Gericht ist für die Antragseinbringung in Österreich zuständig? 

Für die Durchführung des Europäischen Mahnverfahrens ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig. Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls wird in Österreich wie eine Klage behandelt. 


3. Formblatt A und Antragstellung 

Auf welche Streitigkeiten ist die Europäische Mahnverordnung anzuwenden?

Die Verordnung ist auf grenzüberschreitende Zivil- und Handelsstreitigkeiten anzuwenden. Es muss sich um eine fällige und bezifferte Geldforderung handeln. Ausgenommen sind unter anderem Forderungen, die in Zusammenhang mit einem Konkursverfahren stehen.

Wie stellt man einen Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls?

Zur Antragstellung ist das Formblatt A auszufüllen und beim zuständigen Gericht einzubringen. Die Einbringung in Papierform wird in allen Mitgliedstaaten akzeptiert. Welches Gericht welche formalen Rahmenbedingungen und genauen Kommunikationsmittel akzeptiert, variiert zwischen den Mitgliedstaaten und kann im Europäischen Justizportal nachgelesen werden. Das Formblatt A (Anhang I) kann ebenfalls im Europäischen Justizportal heruntergeladen werden und ist dort in allen Sprachen der Mitgliedstaaten vorhanden. Europäische Zahlungsbefehle werden – außer in Ungarn- von Gerichten ausgestellt. In Ungarn sind für die Ausstellung Notare zuständig. Das ausgefüllte Antragsformular ist beim zuständigen Gericht einzubringen. Der Europäische Zahlungsbefehl wird innerhalb einer Frist von 30 Tagen vom Gericht erlassen. 

Nach welchen Vorschriften erfolgt der Ersatz der Gerichtsgebühren?  

Die Ausführungen zum Ersatz der Gerichtsgebühren, der Verjährung und der Unterbrechung der Anspruchsausübung beschränken sich ausschließlich auf Österreich und richten sich nach den nationalen Rechtsvorschriften.

Der Ersatz der Gerichtsgebühren richtet sich nach den nationalen Rechtsvorschriften (in Österreich nach dem Gerichtsgebührengesetz GGG). Die Gerichtsgebühren eines Europäischen Mahnverfahrens mit anschließendem Zivilprozess dürfen insgesamt nicht höher sein als die Gerichtsgebühren eines ordentlichen Zivilprozesses in diesem Mitgliedstaat. 

In Österreich wird der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls der Einbringung einer Klage gleichgehalten. Die Kosten eines solchen Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls hängen von der Höhe des Streitwertes, also des geforderten Betrages ab. Eine genaue Auflistung und Staffelung finden Sie im Gerichtsgebührengesetz.

Welche Auswirkung hat die Antragstellung auf die Verjährung? 

Verfahrensrechtliche Fragen, die in der EU Mahnverordnung nicht ausdrücklich geregelt sind, richten sich nach den nationalen Rechtsvorschriften. Handelsrechtliche Forderungen (Geldforderungen aus den Geschäften des täglichen Lebens wie z. B. Kaufpreisforderungen) unterliegen nach österreichischem Recht der 3-jährigen Verjährungsfrist. Die Verjährungsfrist wird z. B. durch das auf einen Vertrag anzuwendende Recht bestimmt.

Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls wird nach dem österreichischen Zivilprozessrecht einer Klage gleichgehalten. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Berechtigte Klage erhebt. Auch ein Anerkenntnis]  führt zu einer Unterbrechung der Verjährung. Die Unterbrechungswirkung tritt bereits mit der Gerichtsanhängigkeit ein (also mit der Überreichung der Klage an das Gericht).

Achtung: Die Postaufgabe ist noch nicht ausreichend.

Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald das Recht hätte ausgeübt werden können. Durch eine Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist erneut zu laufen.


4. Einspruchserhebung im Europäischen Mahnverfahren  

Kann der Schuldner Einspruch erheben? 

Der Einspruch kann beim Ursprungsgericht („Ursprungsgericht“ ist das Gericht, das den Europäischen Zahlungsbefehl erlässt) erhoben werden. Die Formvorlage dafür bildet das Formblatt F. Das Formblatt wird dem Antragsgegner zusammen mit dem Europäischen Zahlungsbefehl zugestellt. Die Einspruchsfrist beträgt 30 Tage ab Zustellung des Zahlungsbefehls an den Antragsgegner. Der Einspruch kann unbegründet erfolgen.

Welche Folgen hat ein Einspruch?

Bei der Antragstellung kann der Gläubiger im Antrag auf Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls dem Gericht gegenüber erklären, dass er, im Falle eines Einspruches, die Überleitung in ein ordentliches Verfahren ablehnt. Ansonsten wird bei Einspruchserhebung ein Verfahren gemäß den Regeln des ordentlichen Zivilprozesses eingeleitet.

Was passiert, wenn kein Einspruch erhoben wird?

Sofern kein fristgerechter Einspruch des Schuldners beim erlassenden Gericht erhoben wird, wird der vollstreckbare Europäische Zahlungsbefehl dem Gläubiger zugestellt. Der Gläubiger kann den Vollstreckungsbehörden im Ausland dann den Zahlungsbefehl vorlegen – dieser gilt als Vollstreckungstitel.

Kann der Antrag auf Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls vom Gericht zurückgewiesen werden?

Das Gericht, bei dem der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls eingebracht wird, prüft anhand des Antragsformulars, ob die Rahmenbedingungen erfüllt sind. (Ob es sich um eine Zivil- und Handelssache handelt, ob ein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist, ob die Forderung beziffert und fällig ist, etc.)  

Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein oder ist z. B. die Forderung offensichtlich unbegründet, dann kann das Gericht den Antrag zurückweisen. Gegen die Zurückweisung steht kein Rechtsmittel zur Verfügung. Der Gläubiger kann jedoch einen erneuten Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls stellen oder ein ordentliches Zivilverfahren nach nationalen Vorschriften einleiten.


5. Vollstreckung des Europäischen Zahlungsbefehls

Wie funktioniert die Vollstreckung des Europäischen Zahlungsbefehls?

Der erlassene Europäische Zahlungsbefehl wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ist die Vorlage des Vollstreckungstitels notwendig. Die Vollstreckung erfolgt nach dem Recht des vollstreckenden Mitgliedstaates. Die zuständigen Vollstreckungsbehörden können im Europäischen Justizportal eingesehen werden.

In welcher Sprache ist der Vollstreckungstitel bei den Vollstreckungsbehörden vorzulegen?

Der Vollstreckungstitel ist gegebenenfalls in eine der Amtssprachen der Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaates zu übersetzen. Welche Sprachen in den einzelnen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, kann im Europäischen Justizportal nachgelesen werden. Die Übersetzungen sind zu beglaubigen. Die Vollstreckung erfolgt üblicherweise in dem Staat, in dem sich der Schuldner oder ein Vermögen befindet. 

Stand: 14.11.2020